Programm für verfolgte Autoren in Gefahr

Seit Mitte der 90er-Jahre lädt die Buchmesse Frankfurt und das Netzwerk "Städte der Zuflucht" verfolgte Autoren zum Beispiel aus Iran oder Jemen ein, die für mindestens ein Jahr ein Stipendium erhalten. Jetzt ist das Projekt vorerst eingestellt worden.
In Syrien, China und vielen anderen Ländern werden kritische Autoren verfolgt und unterdrückt. Seit Mitte der 90er-Jahre hilft ihnen ein internationales Netzwerk von Städten der Zuflucht (ICORN). Für mindestens ein Jahr erhalten die Autoren ein Stipendium, inklusive Krankenversicherung und Miete, außerdem werden sie betreut. Diese Aufgabe teilten sich in Frankfurt am Main bislang das Kulturdezernat, die Buchmesse und die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika, kurz Litprom. Doch Ende Mai wird das Programm ausgesetzt, das Kulturdezernat hat für dieses Jahr die Mittel gestrichen, die Projektbeteiligten zweifeln an der Wirksamkeit des Programms.
Iraner Faradsch Sarkuhi war erster Autor
"Ich bin vom Tod zum Leben gekommen"“, sagt Faradsch Sarkuhi. Ende der 90er-Jahre war der iranische Regimekritiker der erste Schriftsteller, dem die Stadt Frankfurt Zuflucht gewährte – Sarkuhi war in seiner Heimat dreifach zum Tode verurteilt worden.
"Ich war ein Jahr im Gefängnis, gefoltert, ich war wirklich gebrochen. Und dann bekomme ich die Einladung. Das bedeutet, man hat mein Leben gerettet."
Der Fall Sarkuhi ging damals durch die Weltpresse, seine Rettung warf Glanz auf die Buchmesse-Stadt. Danach kamen weniger bekannte Autoren, u.a. aus Südamerika und immer wieder aus dem Iran. Nicht alle waren existenziell so bedroht wie Sarkuhi. Bei dessen Landsmann Mohammed Baharloo, dem vorerst letzten der geförderten Autoren, kamen Zweifel auf, ob er in das Programm passte. Peter Ripken, Chef des internationalen Netzwerks, kontert:
"Eindeutig ist, dass die Autorinnen und Autoren, die zu uns kommen oder in anderes Städte gehen, vom PEN International überprüft werden, was für ein Tatbestand liegt hier vor: ist es eine hochgradige Gefährdung, muss jemand aus einem Gefängnis geholt werden oder kann er davon profitieren, dass er für eine begrenzte Zeit Zuflucht findet in einem Raum wo er oder sie ungehindert schreiben kann."
In sechs Wochen erste Ergebnisse
Doch der Buchmesse und der Gesellschaft Litprom sind die Auswahlkriterien inzwischen zu schwammig. In sechs Wochen sei mit ersten Ergebnissen der Evaluierung zu rechnen, sagt Buchmesse-Sprecherin Katja Böhne am Telefon. Der Buchmesse-Chef Juergen Boos sei ständig unterwegs, Interview derzeit nicht möglich. Abgeschlossen sein soll die Bewertung im Herbst. Danach wird entschieden, ob das Programm neu aufgestellt oder gestrichen wird. "Auch Florenz und Palma de Mallorca haben mal pausiert, als sie kurz vor dem Bankrott standen“, erzählt Peter Ripken vom Städte-Netzwerk, das habe man akzeptiert. Doch warum die Buchmesse-Stadt nach Baharloos Rückkehr Ende des Monats vorerst keinen bedrohten Schriftsteller von der langen Warteliste mehr aufnimmt, versteht der Netzwerk-Chef nicht. Der erste Frankfurter Stipendiat Sarkuhi ebenso wenig.
"Man hätte auch im laufenden Betrieb evaluieren können. Wenn etwas Probleme hat, muss man (die) Probleme lösen, man muss es nicht kaputt machen. Auch dieses Programm hätte man Reparieren, renovieren können."
Teilweise traumatisierte Autoren
Keine Kapazitäten, um beides parallel zu tun, stöhnt Buchmesse-Sprecherin Böhne. Und dann sei da noch die psychosoziale Betreuung der teilweise traumatisierten Autoren, für die man einen zuverlässigen Rahmen finden müsse. Den gebe es, hält Peter Ripken dagegen. Für eine psychisch belastete Autorin in Frankfurt habe man Therapie in der Muttersprache organisiert. Auch Sarkuhi erinnert sich, bekommen zu haben, was er damals brauchte, um vom Folteropfer wieder zum Menschen zu werden.
"Ich hatte keine großen Erwartungen. Und was man tun konnte, hat man damals getan."
Dass man das Programm verbessern und die Auswahlkriterien schärfen könne, bestreitet der iranische Schriftsteller gar nicht. Schlimm findet er aber, dass die Buchmesse-Stadt für eine Weile auf ein wichtiges Signal an bedrohte Autoren weltweit verzichtet:
"Wir schützen sie, wir denken an sie. Solche Programme sind eine große Nachricht an diese Leute: sie sind nicht allein. Das hat eine große Bedeutung!"
Ein Signal, für das die Organisation Pro Asyl zur Buchmesse im Herbst demonstrieren will, falls bis dahin keine Entscheidung zur Neuauflage des Programms gefallen ist.