Literatur

"Ikone der Frauenbewegung"

Von Adelheid Wedel · 17.11.2013
Die Feuilletons würdigen Doris Lessing, die am Sonntag im Alter von 94 Jahren verstorbene Literaturnobelpreisträgerin.
Mit warmen, lobenden Worten nehmen die Feuilletons Abschied von Doris Lessing. "Eine Ikone der Frauenbewegung, die mit ihrem 'Goldenen Notizbuch' Emanzipationsgeschichte schrieb", wird sie von Barbara Möller in der Tageszeitung DIE WELT beschrieben. Der Roman galt "als Evangelium der Bewegung und die Martha-Quest-Pentalogie als düster prophetische Illustration des weiblichen Leidenswegs".
Doris Lessing wäre mit dieser Einordnung nicht zufrieden gewesen, denn immer wieder erklärte sie vergeblich, "eine Schriftstellerin und keine feministische Trompete sein zu wollen". Das goldene Notizbuch, 1962 erschienen, "katapultierte sie sofort in die vorderste Reihe der zeitgenössischen Literatur" und "wurde als erzählerisches Manifest des Feminismus gefeiert". Lessing aber hat sich zeitlebens als eine politische Schriftstellerin verstanden, als eine, die aus den Versäumnissen Gleichgesinnter Konsequenzen zog und das auch von anderen erwartete.
"Ihre Themen wuchsen vom privaten ins apokalyptische, als in den Siebzigern die Bedrohung durch atomare Rüstung und Naturzerstörung in ihre Bücher einzog", schreibt Andreas Platthaus in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. 2007 erhielt sie den Nobelpreis für Literatur, damals war sie 88 Jahre alt. Die Wirkung ihrer Literatur hatte nachgelassen. Platthaus formuliert das so:
"All das hatte nur noch den pflichtschuldigen Respekt gefunden, den man einer großen alten Dame erweist, nicht aber mehr einer Kämpferin, als die sich Doris Lessing nach wie vor verstand."
Den schönsten Nachruf auf die Literatin schreibt Bernadette Conrad in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Dort lesen wir:
"Was sie hinterlässt, ist nicht weniger als eine Welt: ein über fünfzig Bücher umfassendes, aus Romanen, Erzählungen, autobiografischen Texten, Essays, Reiseberichten und anderem Verstreuten mehr bestehendes Oeuvre, dessen Vielfalt eigentlich jeden resümierenden Blick verbietet oder vielmehr für unmöglich erklärt. Und genau das hat sie gewollt. "Gehen Sie mir weg mit Etiketten", konnte sie mit freundlicher Schärfe sagen, "ich bin eine Geschichtenerzählerin, nichts anderes".
Neuanfang der ägyptischen Kulturszene
Wie bei einer gesamtgesellschaftlichen Verunsicherung Ägyptens Kulturszene einen Neuanfang versucht, berichtet Andrea Backhaus in der Tageszeitung DIE WELT. In Kairos Theater "El Taleewa" wird derzeit das Stück "A Plastic Dream" aufgeführt, "darin geht es um Aufbruch und Hoffnung, aber auch um verlorene Ideale und bittere Ernüchterung". Im Juni feierte der ägyptische Regisseur Shady el Dali die Premiere seiner schwarzen Komödie im Berliner Theater Heimathafen, "das Stück könnte jetzt nicht aktueller sein, meint die Autorin. Vor zwei Jahren standen die jungen Schauspieler des unabhängigen Ensembles auf dem Tahrir-Platz und skandierten Parolen für den kollektiven Traum ihrer Generation: die Freiheit Ägyptens durch das Ende der Ära Mubarak. Nun ringen sie darum, das Erbe eben jenes Umsturzes zu bewahren, denn derzeit bestimmen Chaos und Gewalt den Alltag. Das Land ist zutiefst zerrissen", sagt Shady el Dali, und:
"Wir Künstler fühlen uns von der Geschichte betrogen. Wir sind an einem kritischen Punkt in der Geschichte Ägyptens", meint auch Kuratorin Ania Szremski, die in ihrer 1998 gegründeten unabhängigen Galerie vor weißen Wänden steht.
"Wir haben aufgehört zu planen, sagt sie, wer weiß schon, was nächste Woche im Land passiert? Sie klagt, die Kulturleute stünden wieder unter Beobachtung, doch wer da im Hintergrund lauere, das wisse in diesen Tagen niemand so genau. In der Szene herrsche deshalb eine fast kafkaeske Paranoia."
Würdigung der Kleist-Preisträgerin
Der TAGESSPIEGEL würdigt Katja Lange-Müller als diesjährige Kleist-Preisträgerin. Allein-Jurorin Nike Wagner begründete ihre Wahl und kennzeichnete das Außergewöhnliche an Müller-Langes Schreiben:
"Mit ihrem Blick auf und unter das Straßenpflaster, ihren äußerlich abgetakelten, innerlich sehnsuchtsvollen Figuren liefert sie eine perfekte Soziographie unserer Hauptstadt-Gesellschaft - nichts stimmt und alles ist richtig."