Literarischer Hoffnungsträger
"Unentschlossen" heißt Benjamin Kunkels Debütroman und katapultierte den 33-Jährigen sofort an die Spitze der amerikanischen Bestsellerlisten. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, Dwight, der unfähig ist, sich zu entscheiden, selbst wenn es um die einfachsten Fragen geht. Heilung von seiner pathologischen Unentschlossenheit erhofft er sich schließlich von einer Wunderpille.
Nein, unentschlossen wie sein Romanheld Dwight ist Benjamin Kunkel nicht. Vor allem dann nicht, wenn es ums berufliche geht: Denn da wusste der 33-Jährige immer schon, was er werden wollte. Schriftsteller!
"”Etwas anderes würde gar nicht zu mir passen: Morgens komme ich nur schwer aus dem Bett. Außerdem neige ich dazu, mal wahnsinnig viel zu arbeiten, und dann wieder überhaupt nichts. Ich weiß wirklich nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich nicht Schriftsteller geworden wäre!""
Anders als Dwight, der selbst bei kleinsten Entscheidungen hadert und deshalb schließlich eine Art psychedelischer Wunderpille gegen seine pathologische Unentschlossenheit schluckt, hat Benjamin Kunkel solche Tricks nicht nötig. Dafür ist er viel zu smart und selbstbewusst. Und ironisch.
"Glücklicherweise bin ich nicht so romantisch unentschlossen wie Dwight. Auch leide ich nicht unter chronischer Unentschlossenheit, wenn es darum geht, was ich essen will? Ob ich an bestimmten Tagen das Haus besser nicht verlasse oder doch? Aber ich kenne viele Menschen, die unter dieser Unfähigkeit leiden, sich entscheiden zu müssen. Außerdem wusste ich anfangs nicht, worüber ich schreiben wollte und da lag es irgendwie nahe eine Geschichte über jemanden zu schreiben, der nicht weiß, was er tun soll."
Diese simple wie auch geniale Idee kommt an. Völlig. Mit Erscheinen seines Buches gilt Benjamin Kunkel als neuer literarischer Hoffnungsträger. Gelingt es ihm doch mit großem Sprachwitz, die Befindlichkeit einer Generation zu beschreiben, die sich in einer Art endlos Pubertät befindet und nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Auch politische. Dieses Kreisen um das eigene Ich, beschreibt Kunkel so gut, dass "Unentschlossen" sogar mit Salingers "Fänger im Roggen" gleichgesetzt wurde. Hollywood kaufte die Rechte.
Den Trubel um seine Person nimmt dieser unverschämt gutaussehende, mittelgroße Mann mit Dreitagebart und blonden Wuschelhaaren gelassen hin. Er, der etwas von einem Boygroup-Mitglied hat und gerne enge Jeans, schwarze T-Shirts, klobige Stiefel und taillierte Bomberjacken trägt, sagt nonchalant über seinen Erfolg:
"Ich versuche das nicht allzu ernst zu nehmen, weil es sicher Zeiten in meiner hoffentlich langen Karriere geben wird, wo ich nicht so erfolgreich sein werde, und dann am Ende als vergessener Schriftsteller des 21. Jahrhunderts gelte."
Große Worte für einen Jungen, der aus dem verschlafenen Städtchen Eagle in Colorado stammt. Dort wurde er am 14. Dezember 1972 als erstes Kind eines Computerfachmanns und einer Hausfrau mit - wie der Sohn betont - Collegeabschluss geboren.
"In diesem Teil der USA herrscht kulturelle Ödniss. Als Kind war mir deshalb gar nicht klar, dass Malerei und klassische Musik auch heute noch gemacht werden. Ich wusste zwar, dass es diese Sachen gegeben hatte. Aber vor langer Zeit eben und nicht heute. Das aktive kulturelle Leben bestand für mich einzig nur aus Büchern."
Bücher sind schon früh der Verbindungspunkt zur Welt da draußen. Tobt Benjamin anfangs mit seinen zwei jüngeren Schwestern durch die Berge, genießt das Abenteuer Natur, versorgen die Eltern ihre Kinder fortwährend mit Literatur. Mit vierzehn Jahren schließlich schicken sie ihren Ältesten zunächst für zwei Jahre auf ein Eliteinternat an der Ostküste und anschließend auf das nicht minder renommierte Deep Springs College.
"”Das ist eine Mischung aus Schule und Ranch mit ökologischem Anbau. Man kann frei wählen, ob man dort ein Zimmer mit Verpflegung inklusive mietet oder nicht. Es ist klein, mit nur 26 Studenten, die fast alles selbst verwalten. Fast schon ein bisschen kommunistisch. Ja und einen eigenen See gab es natürlich auch...""
20 Stunden Feldarbeit in der Woche und dazu ein anspruchvolles Lernprogramm, lassen Benjamin Kunkel nicht nur zum Vegetarier werden, sondern bringen ihm Harvard immer näher. Vier Jahre studiert er dort englische Literaturwissenschaft. Anschließend geht er nach New York; macht seinen Master an der Columbia Universität und beginnt regelmäßig für "The New York Review of Books" Kritiken zu schreiben. Im Oktober 2004 schuf er mit drei seiner Kommilitonen das Kulturmagazin "n+1", in dem neben Bücher, philosophisch-ethische Fragen genauso diskutiert werden wie Popkultur und Politik. Letzteres ist ihm wichtig.
"”Deshalb bin ich auch als Protest gegen den Irakkrieg auf die Straße gegangen. Ich hatte zwar kaum Hoffnung, dass wir den Krieg aufhalten könnten, aber es war mir wichtig, dass die Menschen überall auf der Welt mitbekommen, dass auch in den Vereinigten Staaten mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße gehen, um zu protestieren.""
Als ein Jahr später dann noch sein überaus erfolgreicher Debütroman erschien, war Benjamin Kunkels Rolle als amerikanischer Vorzeige-Intellektueller manifestiert. Sein Leben eine Vorzeigekarriere. Zumindest beruflich. Privat gibt sich der 33-Jährige, der sich am liebsten in seinem kleinen Ein-Zimmer-Apartment in Chelsea einigelt, weniger erfolgreich.
"Ich lebe allein und zwar in einem ziemlichen Chaos. Ich wäre wirklich dankbar, wenn ich jemanden hätte, der mir immer wieder sagt, was ich machen soll und wann ich etwas vom Boden aufheben muss. Aber das ist kein guter Grund um zu heiraten, oder?"
Bedenken, dass eine Frau bei solchen Sprüchen die Flucht ergreifen könnte, hat er keine. Ganz schön eitel, ist dieser Junge aus Colorado. Nett ist er trotzdem. Zumal seine Überlegungen bezüglich einer Frau sowieso rein hypothetisch sind. Eine Freundin hat Benjamin Kunkel nicht.
"Ich bin sehr froh, dass ich momentan Single bin. Normalerweise hat man immer jemanden im Kopf, aber ich bin richtig Single."
Dafür hat er große Pläne: Er will nach Buenos Aires ziehen, dort hat er kürzlich eine Wohnung gekauft. Und er schreibt bereits an einem neuen Buch bzw. Theaterstück. Worum es geht, verrät Benjamin Kunkel nicht. Denn diese Gunst gewährt er - wie schon bei "Indecision" bei "Unentschlossen" also - einzig seinen besten Freunden. Und die haben ihren Job, wie die Geschichte zeigt, echt gut gemacht.
"Die ersten 50 oder 60 Seiten habe ich Nell und Keith gezeigt, denn ich glaube man muss schon 50, 60 Seiten geschrieben haben, bevor man weiß, ob man etwas Gutes hat, etwas was sich lohnt weitergeschrieben zu werden. Umso berührender war es für mich, als sie mir sagten, dass es bei mir so ist."
"”Etwas anderes würde gar nicht zu mir passen: Morgens komme ich nur schwer aus dem Bett. Außerdem neige ich dazu, mal wahnsinnig viel zu arbeiten, und dann wieder überhaupt nichts. Ich weiß wirklich nicht, was aus mir geworden wäre, wenn ich nicht Schriftsteller geworden wäre!""
Anders als Dwight, der selbst bei kleinsten Entscheidungen hadert und deshalb schließlich eine Art psychedelischer Wunderpille gegen seine pathologische Unentschlossenheit schluckt, hat Benjamin Kunkel solche Tricks nicht nötig. Dafür ist er viel zu smart und selbstbewusst. Und ironisch.
"Glücklicherweise bin ich nicht so romantisch unentschlossen wie Dwight. Auch leide ich nicht unter chronischer Unentschlossenheit, wenn es darum geht, was ich essen will? Ob ich an bestimmten Tagen das Haus besser nicht verlasse oder doch? Aber ich kenne viele Menschen, die unter dieser Unfähigkeit leiden, sich entscheiden zu müssen. Außerdem wusste ich anfangs nicht, worüber ich schreiben wollte und da lag es irgendwie nahe eine Geschichte über jemanden zu schreiben, der nicht weiß, was er tun soll."
Diese simple wie auch geniale Idee kommt an. Völlig. Mit Erscheinen seines Buches gilt Benjamin Kunkel als neuer literarischer Hoffnungsträger. Gelingt es ihm doch mit großem Sprachwitz, die Befindlichkeit einer Generation zu beschreiben, die sich in einer Art endlos Pubertät befindet und nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Auch politische. Dieses Kreisen um das eigene Ich, beschreibt Kunkel so gut, dass "Unentschlossen" sogar mit Salingers "Fänger im Roggen" gleichgesetzt wurde. Hollywood kaufte die Rechte.
Den Trubel um seine Person nimmt dieser unverschämt gutaussehende, mittelgroße Mann mit Dreitagebart und blonden Wuschelhaaren gelassen hin. Er, der etwas von einem Boygroup-Mitglied hat und gerne enge Jeans, schwarze T-Shirts, klobige Stiefel und taillierte Bomberjacken trägt, sagt nonchalant über seinen Erfolg:
"Ich versuche das nicht allzu ernst zu nehmen, weil es sicher Zeiten in meiner hoffentlich langen Karriere geben wird, wo ich nicht so erfolgreich sein werde, und dann am Ende als vergessener Schriftsteller des 21. Jahrhunderts gelte."
Große Worte für einen Jungen, der aus dem verschlafenen Städtchen Eagle in Colorado stammt. Dort wurde er am 14. Dezember 1972 als erstes Kind eines Computerfachmanns und einer Hausfrau mit - wie der Sohn betont - Collegeabschluss geboren.
"In diesem Teil der USA herrscht kulturelle Ödniss. Als Kind war mir deshalb gar nicht klar, dass Malerei und klassische Musik auch heute noch gemacht werden. Ich wusste zwar, dass es diese Sachen gegeben hatte. Aber vor langer Zeit eben und nicht heute. Das aktive kulturelle Leben bestand für mich einzig nur aus Büchern."
Bücher sind schon früh der Verbindungspunkt zur Welt da draußen. Tobt Benjamin anfangs mit seinen zwei jüngeren Schwestern durch die Berge, genießt das Abenteuer Natur, versorgen die Eltern ihre Kinder fortwährend mit Literatur. Mit vierzehn Jahren schließlich schicken sie ihren Ältesten zunächst für zwei Jahre auf ein Eliteinternat an der Ostküste und anschließend auf das nicht minder renommierte Deep Springs College.
"”Das ist eine Mischung aus Schule und Ranch mit ökologischem Anbau. Man kann frei wählen, ob man dort ein Zimmer mit Verpflegung inklusive mietet oder nicht. Es ist klein, mit nur 26 Studenten, die fast alles selbst verwalten. Fast schon ein bisschen kommunistisch. Ja und einen eigenen See gab es natürlich auch...""
20 Stunden Feldarbeit in der Woche und dazu ein anspruchvolles Lernprogramm, lassen Benjamin Kunkel nicht nur zum Vegetarier werden, sondern bringen ihm Harvard immer näher. Vier Jahre studiert er dort englische Literaturwissenschaft. Anschließend geht er nach New York; macht seinen Master an der Columbia Universität und beginnt regelmäßig für "The New York Review of Books" Kritiken zu schreiben. Im Oktober 2004 schuf er mit drei seiner Kommilitonen das Kulturmagazin "n+1", in dem neben Bücher, philosophisch-ethische Fragen genauso diskutiert werden wie Popkultur und Politik. Letzteres ist ihm wichtig.
"”Deshalb bin ich auch als Protest gegen den Irakkrieg auf die Straße gegangen. Ich hatte zwar kaum Hoffnung, dass wir den Krieg aufhalten könnten, aber es war mir wichtig, dass die Menschen überall auf der Welt mitbekommen, dass auch in den Vereinigten Staaten mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße gehen, um zu protestieren.""
Als ein Jahr später dann noch sein überaus erfolgreicher Debütroman erschien, war Benjamin Kunkels Rolle als amerikanischer Vorzeige-Intellektueller manifestiert. Sein Leben eine Vorzeigekarriere. Zumindest beruflich. Privat gibt sich der 33-Jährige, der sich am liebsten in seinem kleinen Ein-Zimmer-Apartment in Chelsea einigelt, weniger erfolgreich.
"Ich lebe allein und zwar in einem ziemlichen Chaos. Ich wäre wirklich dankbar, wenn ich jemanden hätte, der mir immer wieder sagt, was ich machen soll und wann ich etwas vom Boden aufheben muss. Aber das ist kein guter Grund um zu heiraten, oder?"
Bedenken, dass eine Frau bei solchen Sprüchen die Flucht ergreifen könnte, hat er keine. Ganz schön eitel, ist dieser Junge aus Colorado. Nett ist er trotzdem. Zumal seine Überlegungen bezüglich einer Frau sowieso rein hypothetisch sind. Eine Freundin hat Benjamin Kunkel nicht.
"Ich bin sehr froh, dass ich momentan Single bin. Normalerweise hat man immer jemanden im Kopf, aber ich bin richtig Single."
Dafür hat er große Pläne: Er will nach Buenos Aires ziehen, dort hat er kürzlich eine Wohnung gekauft. Und er schreibt bereits an einem neuen Buch bzw. Theaterstück. Worum es geht, verrät Benjamin Kunkel nicht. Denn diese Gunst gewährt er - wie schon bei "Indecision" bei "Unentschlossen" also - einzig seinen besten Freunden. Und die haben ihren Job, wie die Geschichte zeigt, echt gut gemacht.
"Die ersten 50 oder 60 Seiten habe ich Nell und Keith gezeigt, denn ich glaube man muss schon 50, 60 Seiten geschrieben haben, bevor man weiß, ob man etwas Gutes hat, etwas was sich lohnt weitergeschrieben zu werden. Umso berührender war es für mich, als sie mir sagten, dass es bei mir so ist."