Literarische Orte

Besuch auf dem "Zauberberg"

Blick aus dem Hotel Schatzalp in Davos, Schweiz
Die betuchten Patienten von damals, mussten täglich mehrere Stunden auf den Balkonen in der Sonne liegen und die Bergluft atmen. © Dietrich Karl Mäurer, ARD-Studio Zürich
Von Dietrich Karl Mäurer · 29.08.2018
Thomas Mann machte den Schweizer Luftkurort Davos mit seinem Roman "Der Zauberberg" bekannt. Das dortige Hotel Schatzalp nimmt für sich in Anspruch, der Schauplatz der Handlung in dem ehemaligen Sanatorium zu sein. Der Lokalhistoriker ist skeptisch.
Eine Standseilbahn führt mehr als 300 Meter hinauf von Davos auf die Schatzalp. Direkt an der Bergstation in 1861 Metern Höhe befindet sich ein langgestrecktes Gebäude mit flachem Dach und extragroßen nach Süden ausgerichteten Holzbalkonen. Als der Jugendstilbau im Jahr 1900 eröffnet wurde, galt er als die fortschrittlichste Heilstätte der Region - erzählt der Lokalhistoriker Klaus Bergamin:
"Dieses großartige Haus hat man hier, ein Luxussanatorium der Extraklasse für die damalige Gesellschaft. Da waren die ganz Reichen."
Hotel Schatzalp in Davos, Schweiz
Eine Seilbahn fährt hinauf zum Hotel Schatzalp.© Dietrich Karl Mäurer, ARD-Studio Zürich

Bergluft für betuchte Patienten

Die betuchten Patienten kamen, um sich von Tuberkulose heilen zu lassen. Sie mussten täglich mehrere Stunden auf den Balkonen in der Sonne liegen und die Bergluft atmen. Die galt als Heilmittel, denn man hatte festgestellt...
"... dass wir erstens mal keine Milben hier oben haben, dass wir praktisch keine Pollen hier haben. Wir haben praktisch keine Laubbäume und die Gräser haben ja auch Pollen, drum können wir nicht sagen, es hätte keine, es hat wenig Pollen hat es hier. Und dann vor allem das austrocknende Nord-Süd-Klima. Das waren vor allem die Faktoren, die eben heilend wirkten."
Speisesaal im Hotel Schatzalp, Davos, Schweiz
Im "Zauberberg" gibt es die Dame, die abends immer zu spät zum Essen kommt.© Dietrich Karl Mäurer / ARD-Studio Zürich

"Die alten Tische sind noch Originale"

Aber als Ende der 40er-Jahre Antibiotika gegen Tuberkulose auf den Markt kamen, verlor die Davoser Berglufttherapie an Bedeutung. 1954 wurde aus dem Sanatorium das Schatzalp-Hotel. Trotz Umbau behielt das Gebäude seinen ursprünglichen Charakter, sagt stolz Hoteldirektor Mark Lindner. So sieht zum Beispiel der Speisesaal noch immer aus wie vor hundert Jahren:
"Die alten Tische sind noch Originale. Das ist wunderbar auch zu erkennen an den gusseisernen Füßen."

Zu Gast in der Röntgen-Lounge

An die Zeit als Sanatorium erinnern auch Gänge und Türen, die breit genug waren, um Betten entlangzuschieben, und die Hotelbar mit ihren bunt beleuchteten Milchglasscheiben an der Wand. In Anlehnung an die frühere Nutzung des Raumes hat man die Bar X-Ray-Lounge genannt - also Röntgen-Lounge:
"Man hat also hier ein Röntgengerät drin gehabt und die Wände, die es hier noch zu sehen gibt, die sind beleuchtbar – vielleicht damals in einer anderen Farbe. Da hat man dann die Röntgenbilder angeschaut."
Ein Original-Fahrstuhl mit schweren Gittertüren bringt die Gäste auf die Etagen mit den Hotelzimmern. Mark Lindner erzählt, auch in den Gästezimmern und Gängen erinnert viel an früher:
"Das ist natürlich in der Baustruktur in vielen Dingen zu erkennen. Ein wunderbares Beispiel sind die breiten Gänge. Die hat man natürlich gebraucht, um einfach auch die Betten über die Gänge rollen zu können. Die breiten Türen sind ein weiteres Beispiel."
Rezeption im Hotel Schatzalp, Davos, Schweiz
Ein solches Haus muss Thomas Mann vor Augen gehabt haben.© Dietrich Karl Mäurer / ARD-Studio Zürich

Die Welt eines Hochgebirgssanatoriums

Ein solches Haus muss Thomas Mann vor Augen gehabt haben, als er im Roman "Der Zauberberg" beschrieben hat, wie seine Romanfigur Hans Castorp die abgeschlossene Welt eines Hochgebirgssanatoriums erlebt hat. Aber ist das heutige Hotel Schatzalp tatsächlich die Zauberberg-Klinik? Mark Lindner sagt - ja:
"Die Schatzalp ist wirklich das einzige Haus, was wirklich namentlich erwähnt ist im 'Zauberberg'. Das ist mal das Erste. Das Zweite ist: Es gibt Details aus dem Haus, die auch im 'Zauberberg' auftauchen. Zum Beispiel ist das die Tür des Speisesaals. Es gibt da die Dame, die abends immer zu spät zum Essen kommt und die Tür hinter sich lautstark zufallen lässt, und das ist die Tür vor der wir stehen."

Die Fantasiewelt von Thomas Mann

Etwas anders fällt die Antwort des Lokalhistorikers aus. Klaus Bergamin sagt, Thomas Mann habe im "Zauberberg" eine Fantasiewelt aufgebaut, die sich stark an verschiedenen Originalplätzen von Davos orientiert:
"Ich glaube, es war vor allem das Waldsanatorium, und er hat aber nie gesagt, es sei das Waldsanatorium oder eben die Schatzalp, wo er jeden Tag hinaufging. Er hat da gesagt, es sei das Sanatorium Berghof, denn er hat immer Angst gehabt vor den Juristen, dass man ihn da belangen könnte, wenn er etwas Falsches sagen würde und deswegen hat er gesagt: Sanatorium Berghof – fertig!"
Der Lokalhistoriker empfiehlt deshalb Thomas-Mann-Freunden, bei einem Davos Besuch zu mehreren Orten zu pilgern - sowohl zum Waldhotel, dem ehemaligen Waldsanatorium, als auch auf die Schatzalp. Denn nur dort könne man heute noch erleben, wie die Atmosphäre zur Zeit der legendären Davoser Heilanstalten war.
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