Literarische Fingerübungen
Seit Gert Hofmann vor 13 Jahren starb, ist es ruhig geworden um den Autor. Anlässlich seines anstehenden 75. Geburtstags erscheint der Erzählungsband "Zur Phänomenologie des Snobs". Es sind größtenteils unveröffentlichte oder nur im Radio gesendete Texte, die etwas von Fingerübungen haben und nicht die gewohnte handwerkliche Meisterschaft Hofmanns zeigen.
Gert Hofmann starb vor 13 Jahren, gerade Anfang sechzig, als er sich mit nachhaltiger Produktivität in die erste Liga der deutschen Gegenwartsliteratur geschrieben hatte. Postum erschien noch der Lichtenberg-Roman "Die kleine Stechardin", ein raffiniertes, verspieltes, kluges Buch, das zugleich sehr ergreifend wirken konnte.
Seitdem ist es ruhig geworden um diesen Autor. Muss man ihn sogar schon als "vergessen" bezeichnen? Ist sein Werk - mehr als ein Dutzend Romane und Prosabände, dazu etwa 40 Hörspiele und Theaterstücke - bereits in der Literaturgeschichte versickert? Immerhin: Vergessenwerden ist die erste Voraussetzung der Wiederentdeckung.
Jetzt hat der Hanser-Verlag zum anstehenden 75. Geburtstag Gert Hofmanns am 29. Januar einen Band mit größtenteils unveröffentlichten oder nur im Radio gesendeten Texten herausgebracht. Wenn Hofmann am besten ist, ist er nicht weit entfernt von Autoren wie Robert Walser oder Kafka. Das beweist gleich die erste Geschichte des Buches: "Porträt Herrn E.s, lecteur d’allemand". Ein skurriles Stück Prosa über einen dicken Deutschlektor in Marseille, der sich in Mitteilungen über seine fortgesetzten Erfolge im Abnehmen gefällt und seine Diät wie eine Philosophie betreibt.
Das ist amüsant, am Ende aber doch eher eine Fingerübung, die nach ein paar Seiten abgebrochen wird. Wie Fingerübungen nehmen sich denn auch die meisten erzählenden Texte des Bandes aus, Geschichten über Studenten und junge Gelehrte auf dem besten Weg in die geistesmenschliche Verschrobenheit, die zum Teil noch in den fünfziger Jahren entstanden (genauere Datierungen fehlen leider) und heute eher harmlos anmuten.
An manchen Stellen blitzt allerdings der eigenwillige Witz Hofmanns auf, ein feiner Humor, der traurigen Gesichtern komische Masken aufsetzt und vor allem im Ausdruck wirksam ist.
Das Titelstück "Zur Phänomenologie des Snobs" ist ein Nachtstudio-Beitrag aus dem Jahr 1963. Es geht um die Analyse und die historische Entwicklung eines sozialen Phänomens: eben des Snobismus. Zwei Sprecher werfen sich argumentierend und zitierend (Proust, Wilde, Thackeray) die Bälle zu. Der mit Naserümpfen und Trendschnuppern gleichermaßen beschäftigte Snob sei der "exklusive Typ des Konformisten", lautet eine schöne Definition Hofmanns.
Insgesamt bietet der Band ein buntes, vielleicht auch etwas konfuses Allerlei: Essays, Radiostücke, Fragment gebliebene Geschichten, eine Parabel, aber auch eine gelungene Short Story mit überraschendem Ende ("Der Selbstmörder"), dreißig Seiten aus dem Tagebuch der Jahre 1951/52 und einige Hommagen. Sie gelten Flaubert und Henry James, über den Hofmann einst promovierte und dem ein schönes, konzentriertes Porträt gewidmet ist, einer der ausgereiftesten Texte des Bandes.
Wer sich solche Autoren zum Vorbild nimmt, kann selbst nicht einfach drauflos schreiben. So verrät auch die Prosa Hofmanns seit den Anfängen hohes Formbewusstsein. Stimme, Ton, Ausdruck und ein prinzipielles Interesse an der Sprache als Bedingung von Erkenntnis - das ist für seine Texte ebenso entscheidend wie das, was erzählt wird. Nichts liegt Hofmann ferner als ein lakonischer Allerweltstonfall.
Hervorzuheben ist schließlich noch der kleine Text zu Jorge Castillo. Indem Hofmann über den spanischen Maler schreibt, liefert er gleichzeitig ein verdecktes Selbstporträt, eine Standortbestimmung in eigener Sache. Kennzeichnend für die Hofmann-Kunst im Spiegel Castillos ist demnach ein spätzeitliches Bewusstsein am Ende der bürgerlich-kulinarischen Kultur; ein Geschmack, der mehr auf Dürer als auf Fettecken setzt, das Lob handwerklicher Gediegenheit und die Verachtung bloßer Ideenkunst. Castillo, so Hofmann, sei ein Künstler, der in seinem Stil eine zweite Grazie angestrebt habe, eine Grazie, die durch die Reflexion gegangen ist, wie es Kleist in seinem berühmten Gleichnis vom Marionettentheater formulierte.
Wer die literarische Grazie Gert Hofmanns kennen lernen will, dem seien Romane wie "Die kleine Stechardin" oder Erzählbände wie "Tolstois Kopf" empfohlen. Dieser Band aus dem Nachlass macht wieder oder erneut neugierig auf die vollendeteren Werke des Autors.
Gert Hofmann: Zur Phänomenologie des Snobs
Erzählungen. Nachwort von Michael Krüger.
Edition Akzente, Hanser, München 2005,
158 S., 14,90 Euro
Seitdem ist es ruhig geworden um diesen Autor. Muss man ihn sogar schon als "vergessen" bezeichnen? Ist sein Werk - mehr als ein Dutzend Romane und Prosabände, dazu etwa 40 Hörspiele und Theaterstücke - bereits in der Literaturgeschichte versickert? Immerhin: Vergessenwerden ist die erste Voraussetzung der Wiederentdeckung.
Jetzt hat der Hanser-Verlag zum anstehenden 75. Geburtstag Gert Hofmanns am 29. Januar einen Band mit größtenteils unveröffentlichten oder nur im Radio gesendeten Texten herausgebracht. Wenn Hofmann am besten ist, ist er nicht weit entfernt von Autoren wie Robert Walser oder Kafka. Das beweist gleich die erste Geschichte des Buches: "Porträt Herrn E.s, lecteur d’allemand". Ein skurriles Stück Prosa über einen dicken Deutschlektor in Marseille, der sich in Mitteilungen über seine fortgesetzten Erfolge im Abnehmen gefällt und seine Diät wie eine Philosophie betreibt.
Das ist amüsant, am Ende aber doch eher eine Fingerübung, die nach ein paar Seiten abgebrochen wird. Wie Fingerübungen nehmen sich denn auch die meisten erzählenden Texte des Bandes aus, Geschichten über Studenten und junge Gelehrte auf dem besten Weg in die geistesmenschliche Verschrobenheit, die zum Teil noch in den fünfziger Jahren entstanden (genauere Datierungen fehlen leider) und heute eher harmlos anmuten.
An manchen Stellen blitzt allerdings der eigenwillige Witz Hofmanns auf, ein feiner Humor, der traurigen Gesichtern komische Masken aufsetzt und vor allem im Ausdruck wirksam ist.
Das Titelstück "Zur Phänomenologie des Snobs" ist ein Nachtstudio-Beitrag aus dem Jahr 1963. Es geht um die Analyse und die historische Entwicklung eines sozialen Phänomens: eben des Snobismus. Zwei Sprecher werfen sich argumentierend und zitierend (Proust, Wilde, Thackeray) die Bälle zu. Der mit Naserümpfen und Trendschnuppern gleichermaßen beschäftigte Snob sei der "exklusive Typ des Konformisten", lautet eine schöne Definition Hofmanns.
Insgesamt bietet der Band ein buntes, vielleicht auch etwas konfuses Allerlei: Essays, Radiostücke, Fragment gebliebene Geschichten, eine Parabel, aber auch eine gelungene Short Story mit überraschendem Ende ("Der Selbstmörder"), dreißig Seiten aus dem Tagebuch der Jahre 1951/52 und einige Hommagen. Sie gelten Flaubert und Henry James, über den Hofmann einst promovierte und dem ein schönes, konzentriertes Porträt gewidmet ist, einer der ausgereiftesten Texte des Bandes.
Wer sich solche Autoren zum Vorbild nimmt, kann selbst nicht einfach drauflos schreiben. So verrät auch die Prosa Hofmanns seit den Anfängen hohes Formbewusstsein. Stimme, Ton, Ausdruck und ein prinzipielles Interesse an der Sprache als Bedingung von Erkenntnis - das ist für seine Texte ebenso entscheidend wie das, was erzählt wird. Nichts liegt Hofmann ferner als ein lakonischer Allerweltstonfall.
Hervorzuheben ist schließlich noch der kleine Text zu Jorge Castillo. Indem Hofmann über den spanischen Maler schreibt, liefert er gleichzeitig ein verdecktes Selbstporträt, eine Standortbestimmung in eigener Sache. Kennzeichnend für die Hofmann-Kunst im Spiegel Castillos ist demnach ein spätzeitliches Bewusstsein am Ende der bürgerlich-kulinarischen Kultur; ein Geschmack, der mehr auf Dürer als auf Fettecken setzt, das Lob handwerklicher Gediegenheit und die Verachtung bloßer Ideenkunst. Castillo, so Hofmann, sei ein Künstler, der in seinem Stil eine zweite Grazie angestrebt habe, eine Grazie, die durch die Reflexion gegangen ist, wie es Kleist in seinem berühmten Gleichnis vom Marionettentheater formulierte.
Wer die literarische Grazie Gert Hofmanns kennen lernen will, dem seien Romane wie "Die kleine Stechardin" oder Erzählbände wie "Tolstois Kopf" empfohlen. Dieser Band aus dem Nachlass macht wieder oder erneut neugierig auf die vollendeteren Werke des Autors.
Gert Hofmann: Zur Phänomenologie des Snobs
Erzählungen. Nachwort von Michael Krüger.
Edition Akzente, Hanser, München 2005,
158 S., 14,90 Euro