Lischka: Journalisten sollen nicht als Bittsteller auftreten müssen

Burkhard Lischka im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt die Klage eines Journalisten auf sein Auskunftsrecht gegenüber dem Bundesnachrichtendienst (BND). Bundesinnenminister Friedrich habe sich in dem Verfahren nicht genügend für die Pressefreiheit eingesetzt, kritisiert der SPD-Abgeordnete Burkhard Lischka.
Gabi Wuttke: Ein Journalist wollte wissen, welche ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes ein NSDAP-Parteibuch hatten. Diese Auskunft wurde vom BND verweigert. Heute könnte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sein Urteil über die Klage des Journalisten fällen, und es gibt Anzeichen, dass die alte Praxis ausgehebelt wird, das jeweilige Landespresserecht auf die Auskunftspflicht von Bundesbehörden zu übertragen. Entsprechend argumentiert der Vertreter des Bundesinteresses am Oberverwaltungsgericht. Das Bundesinnenministerium hat, obwohl es das könnte, nicht widersprochen. Am Telefon ist jetzt Burkhard Lischka, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Einen schönen guten Morgen!

Burkhard Lischka: Guten Morgen, Frau Wuttke!

Wuttke: Der Vertreter des Bundesinteresses am Bundesverwaltungsgericht – einem Normalsterblichen unbekannt. Was macht der, und welches Verhältnis hat er zur Regierung?

Lischka: Ja, hört sich ziemlich kompliziert an, verkürzt kann man sagen, er ist so etwas wie der Rechtsanwalt der Bundesregierung beim Bundesverwaltungsgericht. Er vertritt die Interessen der Bundesregierung dort, und das macht natürlich den Vorgang auch so heikel. Er ist übrigens eingegliedert in das Bundesinnenministerium organisatorisch.

Wuttke: Der VBI, so die Abkürzung, argumentiert mit einem Aufsatz eines Juristen aus dem Jahr 2006, und ausgerechnet der ist im heutigen Fall der vorsitzende Richter in Leipzig. Kann man da von einer ganz gewissen Voreingenommenheit sprechen, mit Blick auf den Urteilsspruch?

Lischka: Ja, nun, der Richter hat in anderer Funktion sich in einem Aufsatz in einer Fachzeitschrift mit dem Thema beschäftigt, vor sieben Jahren, ist dort in diesem Aufsatz tatsächlich zu dem Ergebnis gekommen, dass möglicherweise die Landespressegesetze nicht für Bundesbehörden gelten. Da gibt es manche Befürchtungen, aber ich glaube, das Bundesverwaltungsgericht hat in vergangenen Entscheidungen mehrfach herausgestellt, dass die Pressefreiheit ein hohes Gut ist in einer Demokratie – zu Recht –, und insofern habe ich nach wie vor die Hoffnung, dass das Bundesverwaltungsgericht hier wirklich sorgfältig abwägt.

Wuttke: Auf jeden Fall hat man schon mal klargestellt in Leipzig, es würde ein grundsätzliches Urteil werden. Stehen wir da mit dem Föderalismus mal wieder ein bisschen im Fettnapf?

Lischka: Ja, ich glaube schon. Wenn wir uns jetzt vorstellen würden, das Bundesverwaltungsgericht würde entscheiden, bei Bundesbehörden gilt nicht der Anspruch von Journalisten auf Information, wie das ja auch jahrzehntelang praktiziert wurde, dann haben wir in der Tat, so finde ich, einen sehr, sehr schwierigen Zustand, nämlich der Bund selber hat keine Gesetzgebungskompetenz, um Pressegesetze zu erlassen, auf der anderen Seite, die Pressegesetze der Länder würden dann nicht für den Bund gelten. Und das ist ein Zustand, der ist auch juristisch sehr, sehr schwierig aufzulösen.

Wuttke: Sie haben dieses Verhältnis zwischen dem Vertreter des Bundesinteresses und dem Bundesinnenministerium gerade eben schon genannt. Warum, glauben Sie, hat Friedrich dagegen nicht interveniert?

Lischka: Ich kann da auch nur spekulieren, aber ich halte das Verhalten des Bundesinnenministers – ich sage es mal so deutlich – schon für skandalös, und zwar sowohl in dem konkreten Fall, wo es um ein absolut berechtigtes Anliegen geht, wo ich auch dieses Mauern nicht verstehe, und natürlich auch, was offensichtlich seine Haltung zur Pressefreiheit generell angeht. Die Pressefreiheit ist ein ganz hohes, ein elementares Gut in jeder Demokratie, und die Haltung hier des Vertreters des Bundes bedeutet doch, dass künftig Auskünfte nur noch als Bittsteller angefragt werden können bei den einzelnen Pressestellen der Ministerien.

Ich finde, das, was für Landesbehörden gilt, für kommunale Behörden gilt, das muss auch künftig für Bundesbehörden gelten, ansonsten wird es schwierig auch ein Stückchen weit mit der Transparenz in unserer Demokratie. Und insofern halte ich das, was Herr Friedrich hier macht, auch für skandalös, er hätte da einschreiten müssen.

Wuttke: Hat er nicht erkannt, dass, wenn das Bundesverwaltungsgericht gegen den Kläger, also die "Bild"-Zeitung, entscheiden sollte, ihm nicht nur ein unglaublicher Sturm der Medien entgegenwehen wird?

Lischka: Na, ich hoffe auf den Sturm der Medien, ich hoffe übrigens auch auf den Sturm der Bürgerinnen und Bürger. Noch mal: Zur Demokratie gehört Pressefreiheit, gehört Transparenz, gehören Journalisten, die recherchieren, auch dann, wenn es möglicherweise mal kritisch wird für eine Bundesbehörde oder ein Ministerium – alles andere würde doch darauf hinauslaufen, dass Bundesbehörden und Ministerien künftig nur noch Gefälligkeitsauskünfte geben müssten und wir eine reine Hofberichterstattung in Teilen haben. Und ich glaube, das ist insgesamt für unsere Demokratie nicht zuträglich.

Wuttke: Was hieße es denn aus Ihrer Sicht, wenn Journalisten – gehen wir jetzt mal sozusagen aus unserer Sicht den schlechteren Fall an – nur noch das Recht eines jeden Bürgers hätten, also dass Informationsfreiheitsgesetz, welche Möglichkeiten gibt uns das?

Lischka: Ja, Sie haben gerade gesagt, das dient ja der Information des Bürgers, der Akteneinsicht. Und insofern ist das ein sehr, sehr schwergängiges Verfahren, was längere Zeit in Anspruch nimmt, ich stelle einen Antrag, dann warte ich auf einen entsprechenden Bescheid, wenn ich den nicht bekomme, habe ich ein Widerspruchsverfahren, das kann sich über Monate hinziehen, und das passt natürlich nicht für die journalistische Recherche, die ja schneller erfolgen muss.

Wenn Sie ein Thema haben, dann nutzt es Ihnen nicht, wenn Sie nach dem Informationsfreiheitsgesetz möglicherweise eine Auskunft nach Monaten bekommen, zumal das Informationsfreiheitsgesetz auch manche Ausnahmen erhält, im Übrigen auch Gebühren auslösen kann für Journalisten.

Also, es passt in der Tat nicht, und es war, glaube ich, gute Praxis seit Jahrzehnten, dass man gesagt hat, nach den Landespressegesetzen haben Journalisten Anspruch auf Informationen, und zwar auch gegenüber Bundesbehörden, und es wäre aus meiner Sicht fatal, wenn das hier geändert würde.

Wuttke: Sagt Burkhard Lischka, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, im Interview von Deutschlandradio Kultur. Ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen einen schönen Tag!

Lischka: Ja, vielen Dank, Frau Wuttke!


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