Kabarettistin Lisa Politt

"Die Zeiten des linken Kabaretts sind endgültig vorbei"

12:49 Minuten
Lisa Politt
Bevor mit dem „Polittbüro“ endgültig Schluss ist, gibt es noch ein Abschiedsprogramm. © Jo Jacobs
Lisa Politt im Gespräch mit Britta Bürger · 18.05.2022
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Nach fast 20 Jahren hören Kabarettistin Lisa Politt und ihr Partner Gunter Schmidt bei ihrem Hamburger "Polittbüro" auf. Politt steht für radikales linkes Kabarett. Doch das sei heute nicht mehr selbstverständlich, sagt sie.
Lisa Politt ist ein Unikat. Sie ist die erste Frau, die bisher den Deutschen Kabarettpreis gewonnen hat. Und seitdem die einzige. Ob sie das wundert?, wurde sie mal gefragt. "Nein", antwortete sie, "was mich wirklich gewundert hat, dass ich ihn als Linksradikale bekommen habe."
Lisa Politt steht für radikales Politkabarett. Vor fast 20 Jahren haben sie und ihr Partner Gunter Schmidt das Hamburger "Polittbüro" gegründet, die ehemalige Off-Bühne des Hamburger Schauspielhauses.
Nachdem darin ein Tanzpalast und Kino untergebracht waren, hat Lisa Politt darin eine Bühne für Kabarett, Lesungen und Musik etabliert. Und damit auch zur Heimat ihres eigenen Kabarett-Duos "Herrchens Frauchen" gemacht. Nun hört sie auf – und damit endet auch das "Polittbüro".
Die Bühne soll unter anderem Namen von dem Conférencier und Performancekünstler Michel Abdollahi sowie dem Kulturmanager Robert Oschatz weitergeführt werden. Details dazu werden noch bekannt gegeben.

Nicht bloß Tabus brechen

Ihr Kollege Volker Pispers hat sie als die einzige Frau bezeichnet, die "aggressives politisches Kabarett" macht. "Ich glaube, wenn man Verhältnisse grundsätzlich angreift, wird es sowieso als aggressiv rezipiert", sagt sie. "Umso mehr, wenn es von einer Frau kommt."
Allerdings vertrete sie nicht den Standpunkt, bloß Tabus brechen zu müssen. Tendenzen von jungen Kollegen, die provozieren, indem sie rechtsradikale Positionen wiederholen und es als Ironie bezeichnen, sieht sie skeptisch. Zur erhöhten Wachsamkeit, was Sexismus, Rassismus und den Schutz von Minderheiten angeht, sagt sie:
"Wenn die grundsätzliche Ungerechtigkeit in der Geschlechterfrage gelöst ist, in dem Moment ist auch dieser gesamte Kampf um die Begrifflichkeit gelöst."

Satire nicht mehr nur Waffe von unten nach oben

Das Kabarett hat sich in politischer Hinsicht verändert. „Es war früher klar, dass man als Kabarett links war, diese Zeiten sind endgültig vorbei“, sagt Politt.
„In der Anfangszeit, als ich auf der Bühne stand, tauchte irgendwann die Frage auf: Gibt es Kabarett, das von der CDU gemacht werden kann? Heute wissen wir: Das ist der Hauptstandpunkt des Kabaretts. Das ist es, was mich verwirrt.“
Kurt Tucholskys These, Satire sei eine Waffe, die sich stets von unten nach oben richtet, gelte nicht mehr als gesichertes Fundament dessen, was man auf der Bühne macht.
Dabei sei das gute Kabarett wichtiger als je zuvor, allerdings nehme es ab. "Die Satire ist für die heutige Zeit ein wirksameres Mittel." Als gutes Beispiel nennt sie Jan Böhmermann, den sie früher kritisch gesehen hat.
"Was der heute macht, finde ich hochgradig interessant. Super, sich einfach monothematisch zu nehmen, was relevant ist, denkbar unpopulär, und darüber eine ganze Sendung zu machen. Das sind kleine Lehrstücke über die Verfasstheit der Demokratie, auch über den derzeitigen Stand in der Gesellschaft. Da muss ich sagen: Hut ab."

Das Abschiedsprogramm des "Polittbüros" findet statt bis zum 3. Juli 2022.

(leg)

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