Linneweber warnt vor Verharmlosung des Klimawandels
Der Präsident der Universität des Saarlandes, Volker Linneweber, hat in der Diskussion über Maßnahmen gegen den Klimawandel ein Umdenken gefordert. Es brauche offensichtlich ganz viele Anläufe, Impulse und Informationen, bis sich etwas tue, sagte der Psychologe und Soziologe im Deutschlandradio Kultur.
March: Die Szenarien können Angst machen. Die Temperaturen werden steigen, das Eis am Nordpol weiter schmelzen, die Wüsten werden sich weiter ausbreiten und die Meeresspiegel ansteigen. Sintflutartige Überschwemmungen, Sturmfluten, Wirbelstürme und andere Naturkatastrophen können die Folge des Klimawandels sein. In aller Munde, wenn entsprechende Berichte veröffentlicht werden, wie der UN-Klimareport am Freitag, doch dann schnell wieder vergessen - so scheint es - von Wirtschaft, Politik und Bürgern. Warum das so ist, darüber möchte ich jetzt mit Professor Volker Linneweber sprechen. Er ist Präsident der Universität des Saarlandes, Psychologe und Soziologe, mit dem Schwerpunktthema Umweltpsychologie. Guten Morgen, Professor Linneweber!
Linneweber: Guten Morgen, Frau March!
March: Mehr gesprochen wird ja über den Klimawandel, aber tut sich auch genug, oder klaffen hier Umweltbewusstsein und umweltschonendes Verhalten auseinander?
Linneweber: Ja, das klafft natürlich in der Tat auseinander. Es braucht offensichtlich ganz, ganz viele Anläufe und viele Impulse, viele Informationen, bis sich etwas tut. Das Drama an dem Thema ist einfach, dass die unmittelbaren Evidenzen fehlen, also damit meinen wir, es gibt keine Ereignisse, die eindeutig damit in Zusammenhang gebracht werden können. Selbst wenn es solche extremen Naturereignisse gibt, die hat es immer mal gegeben, und dann hört man natürlich auch sehr, sehr gern auf diejenigen, die so ein bisschen beschwichtigen und sagen, na ja, also das kenne ich auch, habe ich als Jugendlicher schon erlebt, dass hier die Fetzen flogen.
March: Also das Thema ist einfach noch zu abstrakt?
Linneweber: Es ist sehr abstrakt. Wir können uns auch nicht vorstellen, was ein Meeresspiegelanstieg um einige Zentimeter oder Dezimeter bedeutet, weil das bewegt sich doch immer und wir haben doch sowieso Ebbe und Flut. Also die unmittelbare Anschaulichkeit fehlt. Und dann muss man sich als normaler Mensch, der nicht über dieses Thema wie auch immer arbeitet, natürlich verlassen auf Medienberichte und auch auf wissenschaftliche Statements, und die waren sehr, sehr lange kontrovers, bis etwa vor zehn Jahren. Da setzte sich dann doch durch, dass man anfing, das sehr, sehr ernst zu nehmen.
March: Dem Normalbürger ist das Thema also zu abstrakt. Ist das anders bei der Politik?
Linneweber: Also ein Politiker ist ja auch Laie und ist kein Fachmann in Sachen Klimafolgenforschung oder Klimaforschung, und ein Politiker ist auch ein Mensch, und er neigt - ebenso wie wir Alltagsbürger - dazu, etwas zu tun, was wir positive Illusion nennen. Wir pflegen positive Illusionen, das heißt, ach es wird schon nicht so schlimm, und es wird uns nicht treffen, es trifft andere, vielleicht nachfolgende Generationen oder welche, die woanders leben. Wir tun alles dafür, dass wir solche Probleme verharmlosen, weil, wenn wir das nicht tun würden, dann müssten wir ja viel aktiver sein.
Man hat so die Tendenz, na ja, was muss ich jetzt mit dem Zug fahren, wenn ich da und da hin will, dann fliege ich doch lieber mit dem Flugzeug, es geht schneller, das Flugzeug fliegt ja ohnehin. Also diese Wahrnehmung, dass eine kollektive Verhaltensänderung erst erforderlich ist, um das System zu verändern, damit tun wir uns sehr schwer und die haben wir einfach nicht.
Ich bin allerdings überzeugt, es gibt viele Möglichkeiten einzugreifen, also zum Beispiel das Feedback unmittelbarer zu machen. Wir müssten viel, viel mehr wissen, in irgendwelchen leicht zugänglichen Stellen bereitgestellt, also etwa dem Internet, über die Effekte unseres Tuns oder Lassens. Wenn wir so ein abstraktes Ziel wie eine Reduktion der Treibhausgase bis zum Jahr X um so und so viel Prozent lesen und keine Rückkopplung haben darauf, wie weit sind wir denn auf dem Weg dahin, ist das denn realistisch, dann sehen wir keinen Bezug zu unserem unmittelbaren eigenen Handeln.
March: Muss man da auch Bereiche herausstellen, in denen jeder einzelne Energie sparen kann - jenseits der Energiesparlampe?
Linneweber: Das muss man auf jeden Fall tun, und wir machen beispielsweise ein sehr innovatives Vorhaben zum Thema Energiereduktion in Arbeitsumwelten. Auch da können wir einen Hebel ansetzen, weil wir kennen Transfereffekte von einem Bereich auf den anderen. Wenn wir also beispielsweise ein Vorhaben machen, was von Arbeitgeberseite oder einer Institution unterstützt wird und was den einzelnen veranlasst, sorgsamer mit Ressourcen umzugehen, dann, glauben wir, hat es auch einen Transfereffekt in den eigenen Bereich. Man sieht, also ich kann es am Arbeitsplatz so machen, kann ich einiges bei mir zu Hause so machen.
March: Stoßen Sie denn da mit diesen Forschungsergebnissen auf offene Ohren bei den Unternehmen, bei der Wirtschaft und bei der Politik?
Linneweber: Inzwischen ja. Das muss man klar sagen, weil es sind zwei Dinge, die da mitschwingen: Das eine ist, dass da bei diesen verantwortlichen Akteuren wirklich die Einsicht inzwischen da ist, es ist eine dramatische Entwicklung, auf die wir zusteuern, und das andere ist, und das darf man auch nicht verteufeln, man sieht wirtschaftliche Möglichkeiten. Deutschland ist hervorragend aufgestellt, was Energieeffizienz von Gebäuden angeht, und da wird inzwischen auch wahrgenommen, dass wir in Deutschland ein Potential haben, mit dem wir auch wirtschaftlich gut dastehen. Wenn wir also unsere umweltfreundliche Technologie exportieren, dann können wir Arbeitsplätze hier schaffen, und das ist kein künstliches Zusammenrechnen, sondern das sind wirklich belegbare Fakten.
March: Das heißt, es stimmt, was Bundeskanzlerin Merkel zum Beispiel auch immer gerne betont, dass wir gut aufgestellt sind beim Umwelt- und beim Klimaschutz hier in Deutschland?
Linneweber: In den Bereichen Forschung und Technologie: Ja. Wir haben natürlich riesige Altbaubestände, die wir sanieren müssten, um da auf Verbrauchswerte zu kommen, wie wir sie in Zukunft brauchen, und da kann man, so leid mir das für den einen oder anderen tut, nur auf weitere Preissteigerungen hoffen, weil das ist auch ein großer Motivator.
March: Gibt es denn jenseits der finanziellen Anreize noch andere Anreize?
Linneweber: Ja, wir kennen auch soziale Anreize. Man kann, ohne jetzt dieses etwas negative Image des Sauermanns da zu strapazieren, man kann sich aber dennoch profilieren in Richtung hochgradig effizient, auch dabei durchaus Hightech, also Energieeffizienz heißt nicht zwangsläufig, dass man frieren muss. Wir haben beispielsweise auch das Thema Mobilität der Zukunft ein bisschen im Blick, und da wissen wir auch, dass da noch riesige Einsparpotentiale sind, allein dadurch, dass man mit technischer Unterstützung den Verkehr - ich habe es mal thematisiert - vom Drängeln zum Fließen bringt. Das kann man alles machen und das kann auch dazu führen, dass es einen Anreiz gibt, Entwicklung in die Richtung zu unterstützen, weil es eben über das Monetäre hinaus geht, weil man sagt, ich bin hier Hightech, ich bin hier State of the Art.
March: Professor Volker Linneweber war das, Präsident der Universität des Saarlandes und Umweltpsychologe. Vielen Dank für das Gespräch.
Linneweber: Guten Morgen, Frau March!
March: Mehr gesprochen wird ja über den Klimawandel, aber tut sich auch genug, oder klaffen hier Umweltbewusstsein und umweltschonendes Verhalten auseinander?
Linneweber: Ja, das klafft natürlich in der Tat auseinander. Es braucht offensichtlich ganz, ganz viele Anläufe und viele Impulse, viele Informationen, bis sich etwas tut. Das Drama an dem Thema ist einfach, dass die unmittelbaren Evidenzen fehlen, also damit meinen wir, es gibt keine Ereignisse, die eindeutig damit in Zusammenhang gebracht werden können. Selbst wenn es solche extremen Naturereignisse gibt, die hat es immer mal gegeben, und dann hört man natürlich auch sehr, sehr gern auf diejenigen, die so ein bisschen beschwichtigen und sagen, na ja, also das kenne ich auch, habe ich als Jugendlicher schon erlebt, dass hier die Fetzen flogen.
March: Also das Thema ist einfach noch zu abstrakt?
Linneweber: Es ist sehr abstrakt. Wir können uns auch nicht vorstellen, was ein Meeresspiegelanstieg um einige Zentimeter oder Dezimeter bedeutet, weil das bewegt sich doch immer und wir haben doch sowieso Ebbe und Flut. Also die unmittelbare Anschaulichkeit fehlt. Und dann muss man sich als normaler Mensch, der nicht über dieses Thema wie auch immer arbeitet, natürlich verlassen auf Medienberichte und auch auf wissenschaftliche Statements, und die waren sehr, sehr lange kontrovers, bis etwa vor zehn Jahren. Da setzte sich dann doch durch, dass man anfing, das sehr, sehr ernst zu nehmen.
March: Dem Normalbürger ist das Thema also zu abstrakt. Ist das anders bei der Politik?
Linneweber: Also ein Politiker ist ja auch Laie und ist kein Fachmann in Sachen Klimafolgenforschung oder Klimaforschung, und ein Politiker ist auch ein Mensch, und er neigt - ebenso wie wir Alltagsbürger - dazu, etwas zu tun, was wir positive Illusion nennen. Wir pflegen positive Illusionen, das heißt, ach es wird schon nicht so schlimm, und es wird uns nicht treffen, es trifft andere, vielleicht nachfolgende Generationen oder welche, die woanders leben. Wir tun alles dafür, dass wir solche Probleme verharmlosen, weil, wenn wir das nicht tun würden, dann müssten wir ja viel aktiver sein.
Man hat so die Tendenz, na ja, was muss ich jetzt mit dem Zug fahren, wenn ich da und da hin will, dann fliege ich doch lieber mit dem Flugzeug, es geht schneller, das Flugzeug fliegt ja ohnehin. Also diese Wahrnehmung, dass eine kollektive Verhaltensänderung erst erforderlich ist, um das System zu verändern, damit tun wir uns sehr schwer und die haben wir einfach nicht.
Ich bin allerdings überzeugt, es gibt viele Möglichkeiten einzugreifen, also zum Beispiel das Feedback unmittelbarer zu machen. Wir müssten viel, viel mehr wissen, in irgendwelchen leicht zugänglichen Stellen bereitgestellt, also etwa dem Internet, über die Effekte unseres Tuns oder Lassens. Wenn wir so ein abstraktes Ziel wie eine Reduktion der Treibhausgase bis zum Jahr X um so und so viel Prozent lesen und keine Rückkopplung haben darauf, wie weit sind wir denn auf dem Weg dahin, ist das denn realistisch, dann sehen wir keinen Bezug zu unserem unmittelbaren eigenen Handeln.
March: Muss man da auch Bereiche herausstellen, in denen jeder einzelne Energie sparen kann - jenseits der Energiesparlampe?
Linneweber: Das muss man auf jeden Fall tun, und wir machen beispielsweise ein sehr innovatives Vorhaben zum Thema Energiereduktion in Arbeitsumwelten. Auch da können wir einen Hebel ansetzen, weil wir kennen Transfereffekte von einem Bereich auf den anderen. Wenn wir also beispielsweise ein Vorhaben machen, was von Arbeitgeberseite oder einer Institution unterstützt wird und was den einzelnen veranlasst, sorgsamer mit Ressourcen umzugehen, dann, glauben wir, hat es auch einen Transfereffekt in den eigenen Bereich. Man sieht, also ich kann es am Arbeitsplatz so machen, kann ich einiges bei mir zu Hause so machen.
March: Stoßen Sie denn da mit diesen Forschungsergebnissen auf offene Ohren bei den Unternehmen, bei der Wirtschaft und bei der Politik?
Linneweber: Inzwischen ja. Das muss man klar sagen, weil es sind zwei Dinge, die da mitschwingen: Das eine ist, dass da bei diesen verantwortlichen Akteuren wirklich die Einsicht inzwischen da ist, es ist eine dramatische Entwicklung, auf die wir zusteuern, und das andere ist, und das darf man auch nicht verteufeln, man sieht wirtschaftliche Möglichkeiten. Deutschland ist hervorragend aufgestellt, was Energieeffizienz von Gebäuden angeht, und da wird inzwischen auch wahrgenommen, dass wir in Deutschland ein Potential haben, mit dem wir auch wirtschaftlich gut dastehen. Wenn wir also unsere umweltfreundliche Technologie exportieren, dann können wir Arbeitsplätze hier schaffen, und das ist kein künstliches Zusammenrechnen, sondern das sind wirklich belegbare Fakten.
March: Das heißt, es stimmt, was Bundeskanzlerin Merkel zum Beispiel auch immer gerne betont, dass wir gut aufgestellt sind beim Umwelt- und beim Klimaschutz hier in Deutschland?
Linneweber: In den Bereichen Forschung und Technologie: Ja. Wir haben natürlich riesige Altbaubestände, die wir sanieren müssten, um da auf Verbrauchswerte zu kommen, wie wir sie in Zukunft brauchen, und da kann man, so leid mir das für den einen oder anderen tut, nur auf weitere Preissteigerungen hoffen, weil das ist auch ein großer Motivator.
March: Gibt es denn jenseits der finanziellen Anreize noch andere Anreize?
Linneweber: Ja, wir kennen auch soziale Anreize. Man kann, ohne jetzt dieses etwas negative Image des Sauermanns da zu strapazieren, man kann sich aber dennoch profilieren in Richtung hochgradig effizient, auch dabei durchaus Hightech, also Energieeffizienz heißt nicht zwangsläufig, dass man frieren muss. Wir haben beispielsweise auch das Thema Mobilität der Zukunft ein bisschen im Blick, und da wissen wir auch, dass da noch riesige Einsparpotentiale sind, allein dadurch, dass man mit technischer Unterstützung den Verkehr - ich habe es mal thematisiert - vom Drängeln zum Fließen bringt. Das kann man alles machen und das kann auch dazu führen, dass es einen Anreiz gibt, Entwicklung in die Richtung zu unterstützen, weil es eben über das Monetäre hinaus geht, weil man sagt, ich bin hier Hightech, ich bin hier State of the Art.
March: Professor Volker Linneweber war das, Präsident der Universität des Saarlandes und Umweltpsychologe. Vielen Dank für das Gespräch.