Links von der SPD

Die Linkspartei ist zu einem festen Bestandteil der politischen Landschaft geworden. Nicht nur im Osten, sondern auch im Westen ist die Partei in vielen Parlamenten vertreten und bietet der SPD ihre Zusammenarbeit an. Doch bei den Sozialdemokraten lässt sich kein klarer Kurs erkennen, sie schwankt zwischen Anziehung und Abstoßung.
Schleswig-Holstein
Von Matthias Günther

Nach der Wahl in Hessen war Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner einer der Ersten, der Bündnisse mit der Linken nicht mehr ausschließen wollte. Im schleswig-holsteinischen Kommunalwahlkampf gab Stegner folgenden Kurs vor: Die Kreis- und Ortsverbände sollten nach der Wahl selbst entscheiden, ob sie mit der Linken kooperieren wollen. Stegners Begründung:

"Weil man vor Ort nämlich am besten weiß, wie das ist. Und im Übrigen: Anders als auf Länder- oder Bundesebene geht es bei Kommunalwahlen nicht um Regierung und Opposition, sondern es geht um die Frage, wie man Sachfragen zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger entscheidet. Das ist was völlig anderes als auf der Bundesebene festzulegen, mit wem man was macht oder mit wem man was nicht macht."

Doch die Sozialdemokraten in den Kommunen halten bisher überwiegend Distanz zur Linken. Rot-rote Bündnisse allein hätten auch selbst in den großen Städten gar keine Mehrheit. Dafür haben die Wähler bei den Kommunalwahlen am 25. Mai gesorgt. Zwar bekam die Linke in Kiel und Lübeck zwischen elf und zwölf Prozent der Stimmen, die SPD holte aber in Kiel nur etwas mehr und in Lübeck etwas weniger als 30 Prozent. Die unerwartet starken Linken treten nun selbstbewusst auf. Die Kreisvorsitzende der Kieler Linken, Angela Whyte, sagt:

"Wir haben nun elf Prozent an Wählerstimmen erhalten. Wir haben dadurch eine gute Situation im Rathaus und die anderen Parteien werden uns wahrnehmen müssen. Und wir werden uns auf die Inhalte konzentrieren und da mit allen Parteien da zusammenarbeiten, wo wir Schnittpunkte haben."

Theoretisch gibt es in Kiel eine rot-rot-grüne Mehrheit. Aber für den neuen Fraktionsvorsitzenden der Kieler SPD, Ralph Müller-Beck, kommt eine Zusammenarbeit mit den Linken nicht infrage:

"Die versprechen allen alles, das ist nicht seriös für Kiel. Wir wollen ja Politik für Kiel und nicht, dass wir allen alles versprechen. Dann haben wir auf der Liste der Linken verurteilte Stasi-Spitzel in einigen Wahlkreisen, und es gibt einen dritten Grund, das ist die Nähe zur DKP. Da gibt es Linien, die uns in der Summe zum Schluss kommen lassen, mit denen ist keine Politik für Kiel machbar, und wir warten auch nicht auf irgendwie eine Zusammenarbeit mit den Linken sondern wollen Politik für Kiel und nicht mit den Linken."
Eine Jamaika-Konstellation in der Kieler Ratsversammlung scheiterte an den Grünen, eine Ampel-Lösung an der FDP. Jetzt wollen SPD und Grüne mit dem Vertreter des Südschleswigschen Wählerverbandes zusammenarbeiten – mit einer äußerst knappen Mehrheit. Kiels Linken-Chefin Angela Whyte empfiehlt, mit wechselnden Mehrheiten zu arbeiten:

"Ich denke, die Verhältnisse sind überall schwierig – egal wie man rechnet. Wechselnde Mehrheiten einzuführen fänden wir fantastisch. Vielleicht würde es dann endlich auch mal um Sachthemen gehen in der Politik und nicht um Mehrheiten, wo dann nur durchgestimmt wird und ein konsequenter Politikstil verfolgt wird. Für den Bürger wäre es besser."

Ähnlich ist die Lage in Lübeck. Nach SPD und CDU ist die Linke hier drittstärkste Fraktion. Ihr Kreisvorsitzender Ragnar Lüttke meint, dass die neue Konstellation der Kommunalpolitik gut tun wird.

"In Lübeck wird es interessanter und vielfältiger allein dadurch, dass verschiedene Konstellationen bei Kooperationen notwendig sind. Für Rot-Grün wird es nicht reichen, eine Große Koalition ist hier in Lübeck auszuschließen, das hat auch schon die SPD signalisiert, und wir müssen abwarten, was daraus wird. Auf jeden Fall wird es spannend."

Spannend ist es auch dadurch, dass zwei bürgerliche Wählergruppen in Lübeck zusammen 14 Prozent holten. Eine knappe Mehrheit in der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck hätte die SPD gemeinsam mit der CDU. Aber nicht nur diese Zusammenarbeit schließt der SPD-Kreisvorsitzende Wolfgang Baasch aus.

"Auch das Schreckgespenst Rot-Rot-Grün, was reichen würde, ist für uns keine Option. Es gibt keine Notwendigkeit, auf die Linke in irgendeiner Form als Mehrheitsbeschaffer oder als Partner zurückzugreifen, weil man kann andere Mehrheiten gestalten, zum Beispiel mit grünen und bürgerlichen Gruppen. Das haben wir uns auch vorgenommen. Und wir wollen auch bei unserer Wahlaussage bleiben, dass wir keine engere Abstimmung mit den Linken in der Bürgerschaft führen, weil wir glauben, dass das im Moment politisch erstens nicht notwendig ist und zweitens die Inhalte der Linken genauso weit von den Bürgerinnen und Bürgern entfernt sind wie die der CDU."

Wie in Kiel hoffen auch die Linken in Lübeck auf wechselnde Mehrheiten. Sie wollen auch mit den beiden Wählergruppen Bürger für Lübeck und BUNT zusammenarbeiten, erklärt der Linken-Kreisvorsitzende Ragnar Lüttke:

"Ich gehe davon aus, dass wir eine Mehrheit insbesondere beim Sozialfonds für Kinder bekommen können. Das kann durchaus sein, dass wir da mit den Grünen stimmen, dass wir mit der SPD stimmen, wir müssen abwarten und auch Gespräche führen mit den Bürgern für Lübeck, BUNT ist noch da und ich denke schon, dass man da auch Mehrheiten hinbekommt."

Lüttke schließt aber auch eine engere Zusammenarbeit mit der SPD noch im Laufe der Legislaturperiode nicht aus. Er bezweifelt, dass die SPD ihren Kurs der Abgrenzung beibehalten kann:

"Ich denke, das werden sie sich in den kommenden fünf Jahren auch noch überlegen. Sie sind ja letztendlich doch gerade bei sozialen Projekten auf uns angewiesen. Ich halte das jetzt für etwas verfrüht für die SPD wahrscheinlich, dort sich so stark an die Linke zu binden, aber ich denke, das wird im Laufe der fünf Jahre dann schon passieren."

Und in Kiel sieht die Linken-Kreisvorsitzende Angela Whyte sogar schon Anzeichen dafür, dass nicht alle Sozialdemokraten so auf Distanz zur Linken gehen wie deren Fraktionschef:

"Wir haben auch andere Stimmen. Also auch die SPD kommt zum Teil auf uns zu und möchte sachbezogen mit uns zusammenarbeiten. Wir werden da natürlich Druck machen müssen, was Hartz IV anbelangt und die Wahlthemen, die für uns ja oft identisch sind mit der SPD. Da werden wir Druck machen müssen, dass die SPD sich selber beim Wort nimmt und diese Themen dann auch umsetzt. Ich sehe schon Möglichkeiten zur Zusammenarbeit auf die Dauer."

Hessen
Von Anke Petermann

Jubel von SPD, Grünen und Linken im hessischen Landtag: Die Studiengebühren sind endlich abgeschafft. SPD-Oppositionsführerin Andrea Ypsilanti trumpft auf.

"Das ist ein guter Tag für Bildungsgerechtigkeit in diesem Land, und nur darum geht es."

Doch für Rot-Grün hat der Triumph über die geschäftsführende CDU-Landesregierung einen bitteren Beigeschmack. Denn durch eine Panne beim Formulieren des Gesetzestextes verschafften SPD und Grüne Ministerpräsident Roland Koch die Gelegenheit zum großen Auftritt, erst nach seinem Einspruch wurde das korrigierte Gesetz in dritter Lesung erneut und endgültig verabschiedet. Um die unpopulären Studiengebühren zu beerdigen, warfen die Linken ihre sechs Stimmen in die parlamentarische Wagschale. Für den landesweit von Studierenden und Sozialverbänden bejubelten Erfolg lassen sie sich mitfeiern. An der Blamage aber hatten sie dank eines unabhängig formulierten Gesetzentwurfs keinen Anteil. In der aufgeheizten Debatte verknüpfte die stellvertretende Fraktionschefin Janine Wissler ihre Attacken auf CDU und FDP mit linker Positionsbestimmung in der Hochschulpolitik.

"Die Linke tritt ein für die Förderung kritischer Wissenschaften und eine grundlegende Demokratisierung von Hochschulen, weg vom Präsidialsystem, hin zu mehr Mitbestimmung von Studierenden und Mitarbeitern."
Zwischenruf: "Anarchie heißt das."
"Das heißt nicht Anarchie, Herr Kollege. Demokratie nennt sich das und Gerechtigkeit."
Zwischenrufer: "Sozialismus!"

Zwischenrufe kontert die 27-jährige Frankfurter Politik-Studentin inzwischen souverän. Bei jedem ihrer Auftritte schallt ihr aus dem konservativen Lager "Ostzone" oder "Politbüro" entgegen. "Jung, talentiert und in der WASG" schrieb das Nachrichtenmagazin "Spiegel" schon vor drei Jahren über sie, als die Attac-Kämpferin in Hessen noch ein politischer no name war. Jung und talentiert ist Wissler immer noch, inzwischen zusätzlich routiniert und in der vereinigten Linken angekommen. Als Gründungsmitglied der marxistischen Organisation "marx 21" gilt sie den hessischen Christdemokraten unter den sechs Linken-Abgeordneten als schärfste Exponentin der linksextrem-demokratiefeindlichen Prägung dieser Partei und Fraktion. Ein 100-seitiges Dossier hat die CDU über den politischen Hintergrund der parlamentarischen Neulinge erstellt, Titel: "Nicht auf dem Boden der Verfassung". "Die Linke ist nicht lernfähig", sagt CDU-Fraktionschef Christean Wagner auf die Frage, ob der Parlamentarismus die Linke zähmen könne wie einst die Grünen:

"Die Programmatik der Linkspartei ist eindeutig. Sie ist nach wie vor sozialistisch, das bedeutet die Verklärung der DDR, des SED-Unrechtsregimes, und deshalb kann ich hier von einer Demokratisierung nichts sehen. Die Demokratie wird hier als Vehikel benutzt. Die Linkspartei sagt, sie stellt die Systemfrage, sie will unser rechtsstaatliches demokratisches System verändern bis abschaffen."

Janine Wissler, die zierliche Frau mit den schwarzen Haaren, war acht, als die Wende kam, das System der DDR lehnt sie ab. Fraktionschef Willi van Ooyen ist 60, gelernter Elektriker und studierte Pädagoge. Als Bundesgeschäftsführer der Deutschen Friedensunion organisierte er in den achtziger Jahren die Ostermärsche – "ein von der SED-Diktatur bezahlter Agitator", wettert die CDU. Und sieht sich bestätigt, wenn van Ooyen, erbost über die Beobachtung seiner Partei durch den Verfassungsschutz, diesen in die Nähe der Stasi rückt.

"Es geht darum, dass man Menschen nicht bespitzeln soll, zumal wir alle die Dinge, die wir wollen, auch öffentlich genannt haben. Es gibt sozusagen keine Klammheimlichkeiten, und wenn der Verfassungsschutz immer so tut, als würden wir irgendwas klammheimlich dort vorbereiten, dann ist das im Grunde ein Verfassungsbruch."

Die Forderung aus den Reihen der Linkspartei, den Verfassungsschutz abzuschaffen, gab im Landtag Anlass zu einer seltenen Abstimmungskoalition zwischen Roten und Grünen mit Schwarzen und Gelben. Auch mit ihrem Widerstand gegen den EU-Vertrag von Lissabon standen die Linken im Plenum allein da. Beim Widerspruch gegen die Regelungen zur Zwangsexmatrikulation im Gesetz über die Abschaffung der Studiengebühren setzten sie sich überraschend mit CDU und FDP gegen Rot-Grün durch – kurios, wie die Linke selbst befand. Insgesamt aber erscheint die Wiesbadener Linken-Fraktion auch dank der aus Sachsen-Anhalt entsandten Aufbauhelfer solide aufgestellt, weitgehend kohärent in ihren Positionen und relativ diszipliniert. In ihrer Rolle als potenzieller Duldungspartner einer rot-grünen Minderheitsregierung gilt sie als durchaus salonfähig. Dass sie bislang die Bereitschaft zu staatstragenden Kompromissen noch nicht beweisen konnte, liegt am nach wie vor ungeklärten Verhältnis der hessischen Sozialdemokraten zur Linken. Aber:

"Wir glauben, dass alle Menschen lernfähig sind, auch Sozialdemokraten,"

kommentiert mit augenzwinkernder Herablassung Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen. Ein zweiter Anlauf Richtung Rot-Grün mit linker Unterstützung – in Hessen scheint dieses politische Abenteuer nach wie vor möglich.

Sachsen
Von Ulrike Gropp

"Es ist eine ganz stolze Partei, die für Demokratie gekämpft hat, für Freiheit gekämpft hat, für das Wahlrecht der Frauen, für die Gleichberechtigung der Frauen, für internationale Solidarität, eine solche Partei wird ihren eigenen Weg gehen."

Der Stolz auf die SPD, von dem Bundesminister Wolfgang Tiefensee anlässlich des 145. Geburtstages seiner Partei Ende Mai in Leipzig spricht, beschreibt die Geschichte. Hier in Leipzig wurde immerhin im Jahre 1863 von Ferdinand Lassalle der ADAV, der Allgemeine Deutsche Arbeiter Verein, gegründet.

Nur: die an diesem Tage von Wolfgang Tiefensee und später noch vom SPD-Vorsitzenden Kurt Beck beschworene innere Einheit einer gesamtdeutschen Partei SPD gab es seit der Staatsgründung der DDR nicht mehr.

Dies manifestiert sich im Jahr 2008 in einer Vielfalt von Wegen, sozialdemokratische Politik an den Mann und an die Frau zu bringen. In den neuen Ländern ist dies besonders schwer.
Längst beansprucht die Partei Die Linke, beflügelt von Stimmungsbarometern und Meinungsumfragen, die ihr gegenwärtig in Sachsen Werte von teilweise über 30 Prozent zusprechen, dass sie und nicht die SPD "die eigentliche soziale Kraft im Lande" sei, wie die parlamentarische Geschäftsführerin Caren Lay sagt.

"Natürlich sind SPD und Linke Konkurrenten im Feld sozialer Gerechtigkeit, aber ich betrachte das positiv. Wir haben hier viele Übereinstimmungen, zumindest in dem, was gefordert wird."

Für Cornelius Weiss, Mitglied des sächsischen Landtages und ehemaliger SPD-Fraktionsvorsitzender aus Leipzig, geht es bei dieser Auseinandersetzung auch um die Definitionsmacht über politische Kernbegriffe der Demokratie.

"Soziale Gerechtigkeit war natürlich eine Ur-Idee der SPD und darauf müssen wir auch beharren. Wie übrigens auch das Wort 'Genosse' eine SPD Wortschöpfung ist."

Die Betonung einiger Gemeinsamkeiten, so zum Beispiel der Verweis auf die Formel vom "demokratischen Sozialismus", die Frau Lay im Parteiprogramm der SPD und in programmatischen Papieren der Linken sieht, ist en vogue – und sagt doch letztlich nichts aus über die Inhalte einer möglichen Koalition auf Landesebene, zu der es 2009 kommen könnte.

Aussagekräftiger ist da schon eher, dass Linke und SPD in Sachsen gemeinsam gegen den massiven Rechtsextremismus vorgehen und parteipolitische Differenzen beim Umgang mit der NPD-Fraktion im Landtag zurückstellen.

Tatsache ist jedenfalls, dass die beiden Parteien seit Jahren in sächsischen Kommunen und Rathäusern unterschiedlich eng und intensiv zusammenarbeiten. Verbreitet sind gemeinsame Anträge in unstrittigen Sachfragen oder wechselseitige Absprachen in Personalangelegenheiten. So brachte die Linke mit den Stimmen der SPD-Fraktion in Leipzig bereits 2006 ihren Kandidaten, den 31-jährigen Heiko Rosenthal als Dezernenten für Umwelt, Ordnung und Sport ins Amt. Im Gegenzug unterstützte die PDS im Rahmen von – übrigens wenig transparenten - Absprachen wichtige SPD-Personalien. Noch selten sind rot-dunkelrote Koalitionen, in Taucha bei Leipzig zum Beispiel existiert eine solche Zusammenarbeit unter Einbeziehung von Bündnis 90/Die Grünen.

Nicht nur auf der kommunalen, sondern auch auf Landesebene scheint die Annäherung unaufhaltsam. Bis zum Eintritt der SPD in eine CDU-geführte Regierung im Jahr 2004 existierten "einige Ansätze zu sachbezogener Zusammenarbeit", wie sich Dieter Pellmann, der sozialpolitische Sprecher der Linken im Dresdner Landtag, erinnert.

"Mit einigen Kollegen haben wir gemeinsame Anträge eingebracht, wir haben auch ein sehr umfängliches Gesetzt eingebracht, ein Gleichstellungsgesetz für behinderte Menschen, das wurde von der CDU abgelehnt. Ich gehe davon aus, dass alles, was damals war, nicht verschüttet ist."

Immer wieder jedoch fallen Schatten der Vergangenheit auf solch pragmatische Ansätze. Weiterhin fehlt es bei der Linken an Einfühlungsvermögen und politischem Instinkt. So kommt es, dass SPD-Leute – zurecht – empfindlich reagieren, wenn sie – sei es in Gestalt von belasteten Personen oder durch die Kontinuität der Sprach- und Denkmuster - im möglichen Koalitionspartner an die DDR-Vergangenheit erinnert werden.

Doch allmählich weicht der Bannfluch, mit dem sächsische Sozialdemokraten der ersten Stunde die PDS in den frühen 90ern einst belegt hatten. Die bisherige Haltung ihrer Partei erscheint jungen SPD-Leuten von heute zwar menschlich verständlich. Doch politisch gesehen stelle sich die Verweigerung von damals als strategischer Fehler mit weitreichenden Konsequenzen dar. Deshalb sei es höchste Zeit, die Linke als politischen Gegner ernst zu nehmen und mit ihr einen "souveränen Umgang" zu pflegen. Dies fordert beispielsweise der Leipziger SPD-Vorsitzende Gernot Borriss in einem jüngst veröffentlichten Thesenpapier. Abgesehen davon, dass unklar bleibt, was ein "souveräner Umgang" konkret bedeutet – einfach wird dies nicht.

Nicht wenige Linke in Sachsen wären vermutlich "ganz ordentliche Sozialdemokraten" geworden, sagen Kenner der politischen Landschaft - wenn sie vor 16 oder 17 Jahren bei den Jusos gelandet wären.

So kommt es, dass SPD-Politiker wie Cornelius Weiss, der das 70. Lebensjahr überschritten hat, auf junge und erfolgreiche Politiker der Linken, so zum Beispiel die sächsische Bundestagsabgeordnete Katja Kipping, manchmal ein bisschen wie auf die verlorenen Kinder der SPD blicken.

"Man kann nicht übersehen, dass es auch in der Linken einen vorsichtigen Prozess der Aufarbeitung der Vergangenheit gibt und es gibt vor allem einen erheblichen Personalwechsel. Wenn man mit Leuten wie Frau Kipping oder anderen spricht, so kann man ihr nicht vorwerfen, dass sie die Mauer gebaut hat. Sie war, als die Mauer gebaut wurde, vielleicht 14. Es gibt also hier einen Wechsel an Personen, diese Personen sind unbescholten und mit denen kann man sehr gut zusammenarbeiten, wenn man es denn will."

Doch wie die nach außen hin vom Erfolg verwöhnte sächsische Linke die zaudernde SPD in ihr Boot holen will, ist nach wie vor ein Rätsel.
Angesichts der von Wahl zu Wahl steigenden Prozentzahlen scheint es Caren Lay fast selbstverständlich, dass die SPD und andere unter Führung der Linken eines Tages dabei helfen werden, die CDU-Herrschaft in Dresden zu beenden.

"Wir sind in Berlin sehr erfolgreich in der Regierung mit der SPD im Bunde, wir haben bereits im Saarland mit Oskar Lafontaine aber auch in Thüringen mit Bodo Ramelow die Forderung erhoben, dass wir die Regierungsbeteiligung bzw. die Regierung mit einem eigenen Ministerpräsidenten fordern, und ich gehe davon aus, dass wir gleiches auch bald für Sachsen tun werden."

Das Werben der Linken um eine mögliche Koalition mit der SPD klingt in Sachsen, ein gutes Jahr vor den Landtagswahlen 2009, fast wie eine Forderung. Wie die SPD knapp zwei Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution von 1989, landespolitisch und bundespolitisch, auf dieses Ansinnen reagieren wird, ist heute unklarer denn je. Daran ändert auch nichts, dass die Parteizentrale markige Worte in die Länder schickt. Was von solchen Worten zu halten ist, weiß man spätestens seit der hessischen Wahl.