Antiamerikanismus

Linke Dogmatik untergräbt internationale Solidarität

Großaufnahme eines Fußes, der auf einer am Boden liegenden us-amerikanischen Flagge steht.
Protest gegen den Krieg: Ein Demonstrant steht auf der us-amerikanischen Flagge. Die Kritik der Linken trifft eher die USA als autoritäre Regime, sagt Ali Fathollah-Nejad. © IMAGO / NurPhoto / Bryan Olin Dozier
Ein Kommentar von Ali Fathollah-Nejad · 25.04.2023
Warum zaudern linke Bewegungen und die Friedensbewegung damit, sich mit Kräften zu solidarisieren, die gegen autoritäre Regime aufbegehren? Der deutsch-iranische Politologe Ali Fathollah-Nejad vermutet dahinter einen dogmatischen Antiamerikanismus.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die revolutionären Proteste in Iran haben wichtige Fragen über internationale Solidarität aufgeworfen. Während immer mehr die Barbarei Moskaus und Teherans anprangern, fällt ein ohrenbetäubendes Schweigen bei einem erheblichen Teil der politischen Linken und der Friedensbewegung auf. Doch was steckt dahinter?
Ich selbst war als Student im Zuge des US-geführten „Krieges gegen den Terror“ jahrelang aktiv in der Friedensbewegung. Eins ist mir in frappierender Erinnerung: Bei meinen Vorträgen gab es immer wieder Stimmen aus dem Publikum, die sich lauthals über eine angeblich faschistische USA echauffierten und konfus vor einem von diesen entfachten Dritten Weltkrieg warnten. Erst später verstand ich, dass dies keine bloßen Einzelfälle von obskuren Individuen darstellten. Eher war solch ein Narrativ in jenem Milieu ideologisch eingebettet.

Debatte unerwünscht

Meine Entfremdung mit diesen angeblich progressiven Kräften kulminierte in der diametralen Bewertung der Grünen Bewegung in Iran und des revolutionären Aufstands gegen das Assad-Regime in Syrien im Rahmen des Arabischen Frühlings. Denn ich wandte mich gegen die in der Friedensbewegung durchaus bestimmende Lesart erneuter „Regime Change“-Verschwörungen Washingtons.

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Die Folge war – wie man heute sagt –, dass ich „gecancelt“ wurde. Eine Debatte außerhalb des ideologisch geprägten Spektrums war nicht gewünscht. Eine Debattenfeindlichkeit, die übrigens bis heute anhält und intellektuell unterfordert.

Die Linke ist indifferent und unsolidarisch

Das Weltbild dieser Gruppen wurde mir immer klarer: Eine zumindest implizite Empathie, wenn nicht gar offene Sympathie für anti-amerikanische Regime, egal wie menschenverachtend diese sein mögen und wie sehr sie eigentlich genuin linken Idealen wie sozialer Gerechtigkeit und Gleichberechtigung entgegenstehen.
Dabei ist die Selbstbestimmung der Völker ein Grundprinzip linken Bewusstseins. Die Skepsis gegenüber revolutionären Aufständen gegen Autokratien ist daher nicht links, sondern indifferent und unsolidarisch.

Sanktionen schwächen Diktaturen

Ein konkretes Problem liegt in der Vereinfachung komplexer Themen wie der Sanktionsfrage. Gezielte Sanktionen gegen Machteliten können nämlich dazu beitragen, Diktaturen zu schwächen.
Doch in der linken Perspektive wird dies oft als eine de facto imperialistische Politik verteufelt. Die Verantwortung der dortigen Herrschenden wird verkannt, die Menschen deklassiert zu Marionetten in einem groß-geopolitischen Spiel. Letztendlich geht es auch darum, den Menschen – egal ob Iraner, Syrer oder Ukrainer – ihre „Agency“, also ihr selbstbestimmtes Handeln, zuzugestehen und ihre Stimmen zu vernehmen.

Diktatoren lassen sich nicht einbinden

Der Umgang der EU mit Russland oder Iran ist ein Beispiel: Über Handel und Annäherung wurde versucht, zu einem Wandel der Verhältnisse beizutragen. Dies verkennt aber, dass Diktaturen kein Interesse haben, zivilgesellschaftliche Räume auszuweiten und die Pfründe aus dem Handel mit dem Westen lieber für ihre Herrschaftssicherung nutzen.
Die fehlende Solidarität aus dem linken Spektrum liegt begründet in einem Dogmatismus und einäugigen Anti-Imperialismus, die eng mit einer Obsession mit Amerika und einem ideologisch fixierten Anti-Amerikanismus verknüpft sind, der bis in rechtsextreme Kreise und der AfD auf Applaus stößt.

Die kritische Selbstreflexion ist überfällig

Nicht-westlicher Imperialismus existiert in dieser kruden Lesart nicht. Ein Blick auf die deutschen Bestsellerlisten verrät die Popularität der These von Uncle Sam als allmächtigem Sündenbock – von Lafontaine bis Lüders, von Wagenknecht bis Todenhöfer.
Eine kritische Selbstreflexion ist längst überfällig, will man bei Betroffenen nicht als reaktionär oder kontrarevolutionär gelten. Es bedarf praktizierter Solidarität mit jenen, die für Grundrechte, Freiheit und Demokratie nichts weniger als ihr Leben aufs Spiel setzen, während Salonlinke sich in ihrem ideologischen Sessel selbstgerecht zurücklehnen.

Dr. Ali Fathollah-Nejad ist ein deutsch-iranischer Politologe mit Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten (insbesondere Iran), westliche Außenpolitik und post-unipolare Weltordnung. Weitere Informationen auf seiner Website.

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