"Ligue du LOL"-Skandal in Frankreich

Die Opfer der "Gangster auf Twitter" melden sich zu Wort

Collage aus einer Hand über eine Computertastatur
Jetzt geht es zumindest einigen "Ligue du LOL"-Tätern an den Kragen: Wegen Hasskommentaren wurden mehrere Journalisten inzwischen suspendiert. © imago stock & people
Von Sabine Wachs · 14.02.2019
Mobbing mit Hasskommentaren, obszöne Posts: Immer mehr Opfer der "Ligue du LOL" gehen in Frankreich an die Öffentlichkeit. Mit der Entschuldigung des Gründers Vincent Glad, die Gruppe sei ihm entglitten, geben sie sich nicht zufrieden.
Capucine Piot, französische Mode- und Beauty-Youtuberin gehört zu den ersten Frauen, die ihre persönliche Geschichte des Mobbings auf Twitter veröffentlichten.
"Es fing ganz langsam an, es waren Tweets von Leuten, nicht von meinen Followern, nicht von Lesern und Leserinnen meines Blogs. Es waren Journalisten, die meine Posts kommentierten, sie schrieben, ich sei nicht wirklich intelligent, ich sei nicht hübsch genug, um einen Beauty-Blog zu betreiben."
Nicht nur Capucine Piot, auch andere Journalistinnen und Journalisten, Bloggerinnen und Blogger berichten von sexistischen, homophoben oder rassistischen Hasskampagnen.

Gründer Glad: "Wir waren die Gangster auf Twitter"

Bei Florence Porcel gingen einige Mitglieder der sogenannten "Ligue du LOL", der Liga des lauten Lachens, sogar noch weiter:
"Es gab auch andere Arten des Mobbings, zum Beispiel eine Fotomontage, mein Kopf auf dem Körper einer Pornodarstellerin in eindeutiger Pose. Es ging wirklich um Boshaftigkeiten, es ging darum, anderen wehzutun. Nicht nur durch den Post selbst, sondern dadurch, dass er sich verbreitete und sich die Meute in den Sozialen Netzwerken auf diese Bilder stürzte."
Lanciert wurden solche und andere Posts von dem kleinen, exklusiven Club junger, aufstrebender Webjournalisten und Leuten aus der Kommunikations- und Werbebranche, der "Ligue du LOL". Die private Facebook-Gruppe mit rund 30, fast ausschließlich männlichen Mitgliedern existierte seit Ende 2009.
Twitteraccount des französischen Journalisten und "Ligue du LOL"-Gründer Vincent Glad. Am 10. Februar 2019 twitterte er: "Ich schulde Ihnen Erklärungen. Und vor allem Entschuldigungen."
"Ligue du LOL"-Gründer Vincent Glad auf Twitter: "Ich schulde Ihnen Erklärungen. Und vor allem Entschuldigungen."© Deutschlandradio / Screenshot Twitter-Account @vincentglad
Ihre aktivste Zeit soll zwischen 2010 und 2012 gewesen sein. Vor allem über das damals noch junge soziale Medium Twitter übten sie ihre Macht aus. Gründer Vincent Glad schreibt auf seinem Twitter-Account in einem Statement zu den Mobbing-Vorwürfen:
"Wir waren einflussreich. Es hatte Tragweite, wenn wir jemanden kritisiert haben. Wir waren die Gangster auf Twitter."

Opfer schwiegen aus Angst vor weiterem Mobbing

Gangster, die ihre Macht ausnutzen, die sich ihre Kolleginnen und Kollegen ansahen und den Daumen hoben oder senkten. Eben weil einige Mitglieder der Gruppe im Laufe der Jahre tatsächlich auf einflussreiche Posten bei überwiegen linken Zeitungen und Onlinemagazinen kamen, haben viele Opfer so lange geschwiegen. Sie hatten Angst, Angst um ihre berufliche Reputation, aber auch Angst vor weiterem, vielleicht noch schlimmerem Mobbing.
"Meine Stimme zittert immer noch, wenn ich darüber spreche. Ich habe mich eine sehr lange Zeit selbst nicht mehr gemocht. Dafür hat mich bis heute niemand von denen um Verzeihung gebeten", erzählt die Beauty-Bloggerin Capucine Piot, die wegen der Angriffe in psychologischer Betreuung war.
Seitdem die Machenschaften der "Ligue du LOL" öffentlich sind, haben einige Medien und Redaktionen Konsequenzen gezogen. Sechs Journalisten wurden suspendiert, darunter auch der Gründer und "Libération"-Journalist Vincent Glad.

"Libération" kündigt umfangreiche Recherche an

"Sie haben zugegeben, dass sie die Gruppe gegründet, beziehungsweise dazu gehört haben. Am Mobbing aber, das alle geschockt hat, seien sie nicht beteiligt gewesen, das sei nicht von ihnen ausgegangen. Ich muss das überprüfen. Ich kann niemanden verurteilen, ohne das geprüft zu haben", erklärt Laurent Joffrin, Chefredakteur der Zeitung Libération und kündigt eine umfassende Recherche zu den Vorfällen an.
Der "Ligue du LOL"-Gründer Vincent Glad hat sich inzwischen öffentlich für sein Verhalten entschuldigt. Die Gruppe sei ihm entglitten, schreibt er auf Twitter, er habe ein Monster geschaffen. Ursprünglich sei es eine Gruppe gewesen für derbe Witze, niemand habe Mobbing betreiben wollen. Mit dieser Entschuldigung geben sich Opfer wie Capucine Piot oder Florence Porcel aber nicht zufrieden.
Denn sie und viele andere haben das massive Mobbing am eigenen Leib erfahren. Laut Lachen konnten nur diejenigen, die nicht ins Fadenkreuz der selbsternannten Twitter-Alphatiere gerieten.
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