Lieblingsautoren: Goethe und Schiller

Von Hilde Weeg |
Sie waren die ersten Studenten, die nach dem Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan Deutsch studieren wollten. Inzwischen studieren sechs dieser jungen Afghanen an der Universität Jena, um ihren Master-Abschluss zu machen. Sie leben in einer friedlichen Umgebung, aber in Gedanken sind sie oft in Kabul.
" Niemand kannte uns als einen Menschen, als eine Frau. Wir hatten überhaupt keine Rolle in der Gesellschaft. "

Die afghanische Studentin Trina Shahkar ist 27. Sie war 17, als die Taliban beschlossen, dass Mädchen nicht mehr in die Schule gehen dürfen, damals stand sie kurz vor dem Abitur. Ihr Vater ist von den Taliban ermordet worden.

" Wir mussten nur zu Hause bleiben. Meine nur einzige Beschäftigung war, dass ich nur Bücher gelesen habe und Radio gehört. Das war unsere - nicht nur meine - einzige Beschäftigung, das war so bei allen Frauen in Afghanistan. "

Fünf Jahre lang war sie von der Welt abgeschnitten. Aber sie konnte Radio hören und die Deutsche Welle empfangen, sogar einen Sprachkurs hören:

" Diese Sprache klingt für mich anders und interessant und dann habe ich mir gedacht, was für eine Sprache könnte das sein? "

Mit 22 hat sie beschlossen, selber diese Sprache zu lernen und sich damit eine neue Welt erschlossen. Mit Brecht und Goethe und Schiller. An einer halb verwüsteten Universität in Kabul. Mit wenigen Büchern, aber engagierten Menschen, auch vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, der 2004 mit ihr und anderen die ersten Studenten nach Deutschland holte.

" Als ich nach Deutschland kam, habe ich gesehen, wie die Menschen, wie die Studenten, die Jugendlichen hier leben – und das hat mein Leben total verändert und ich habe wirklich sehr viele positive Entwicklungen erlebt und bin sehr dankbar für diese Sprache. "

Drei Frauen und drei Männer absolvieren gerade ihr Master-Studium in Germanistik an der Uni Jena. Schwerpunkt: Deutsch als Fremdsprache zu lernen und zu unterrichten. Der 24-jährige Nangialai Safi ist auch dabei. Er hat schon 18 Monate als Lehrer beim Aufbau der Germanistik-Abteilung in Herat gearbeitet. Für 50 Dollar pro Monat. Das ist auch dort wenig. Lehrer sein in Afghanistan ist mit wenig Prestige und noch weniger Geld verbunden. Das ist eines der Haupt-Probleme des Landes: den Schulen laufen die Lehrer weg. Aber ohne Bildung kommt das Land nicht auf die Beine. Und nicht ohne Sicherheit. Nangialais Bruder war Zeuge eines Attentats in Kabul, sein Vater ist in Kandahar:

" Er ist sehr oft unterwegs in den Einsätzen, wir machen uns alle Sorgen um ihn. "

Beide sind in froh, in Jena zu sein, aber in Gedanken oft zu Hause:

" Alles ist perfekt. Aber ich gehöre einem anderen Land, in dem Krieg herrscht. Darum mach ich mir ab und zu Gedanken. "

Bald wird Trinar Shahkar hier ihren Abschluss machen, Nangialai im nächsten Jahr. Und dann? Wenn es friedlicher ist:

Safi: " Ich habe schon als Kind den Traum gehabt, dass ich vor der Klasse stehe und Leuten etwas Gutes beibringe. "

" Das, was ich hier gelernt habe, wollte ich zu Hause allen anderen beibringen, und das ist auch mein großer Wunsch. "

Das Gespräch zum Thema mit dem afghanischen Germanisten Gholam Dastgir Behbud, der den Germanistik-Studiengang an der Universität Kabul einst initiierte, können Sie mindestens bis zum 20.4.09 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.