Liebhaber der menschlichen Stimme
Der Berliner Komponist Aribert Reimann gehört zu den erfolgreichsten im Bereich der modernen Musik. In wenigen Wochen wird er 75 Jahre alt. Ein besonderes Geschenk erhält er im Voraus: den Ernst von Siemens-Musikpreises.
Aribert Reimann stand lange Jahre am Rande des Neuen-Musikbetriebes. In den Avantgardezentren Darmstadt und Donaueschingen fühlte er sich fremd. Er mag bis heute keine systematische Musik, stattdessen lässt er sie fließen, schafft Raum für organische Klänge. Und er hat immer an der menschlichen Stimme als seinem liebsten Instrument festgehalten.
Seine eigene Karriere begann als Pianist und Liedbegleiter von Dietrich Fischer Dieskau, Julia Varady und Catherine Gayer. Und viele jüngere Sängerinnen und Sänger sind ihm bis heute zugetan, wie zum Beispiel die Sopranistin Christine Schäfer.
"Mich hat diese Musik unglaublich in Bann gezogen und gefesselt, weil sie emotional mich so gepackt hat. Was ja bei der Neuen Musik häufig nicht unbedingt passiert. Und ich fand dann auch toll, wie normal und lustig er war. Das ist ja bei der ganzen Traurigkeit, die diese Musik oft hat, dieses Erschütternde, so ist er ja im Umgang eigentlich überhaupt nicht. Im Gegenteil, er ist natürlich ein sehr ernster Mensch, aber man kann extrem viel Spaß haben mit Aribert."
Die große Literaturoper – Aribert Reimann hat eine totgesagte Gattung zu neuem Leben erweckt. Nach zwei Balletten, die er Ende der 50er-Jahre mit Günter Grass konzipierte, wagte er sich seit den späten sechziger Jahren an Strindberg, Shakespeare, Kafka, Garcia Lorca und zuletzt Medea in der Fassung von Franz Grillparzer.
Aribert Reimann war immer viel zu bescheiden, für politischen Aktionismus. Doch seine Musik, gerade seine Opern, sind voller Bekenntnisse.
Aribert Reimann: "Ich kann keinen Stoff vertonen, der nichts mit unserer Zeit zu tun hat. Das ist bei allen meinen Opern, ab Melusine – obwohl wir uns damals noch gar nicht so klar waren, dass die Oper 30 Jahre später mal als Öko-Oper angezeigt wird. Bei Medea ist es nichts anderes, Medea ist eine Figur, die in unserer Zeit überall herumläuft, die als Fremde nicht aufgenommen und missachtet wird. Und so kommen immer diese Zeitbezüge für mich zustande."
Krieg und Nazizeit hat Reimann nur als Kind erlebt. Doch zwei traumatische Erlebnisse ließen und lassen ihn bis heute beklemmend ernst komponieren und schicken ihn immer wieder auf die Suche nach Figuren, die am Rande des Wahnsinns und der Verzweiflung agieren. Sein innig geliebter großer Bruder wurde damals Opfer eines Bombenangriffs – und die Bilder brennender Häuser haben sich untilgbar in sein Gedächtnis eingegraben. Seine Musik begreift er deshalb immer als moralische Stellungnahme.
Dass er - ein junger deutscher Komponist - bereits 1957 Gedichte von Paul Celan vertonte und den Dichter in Paris besuchte, zeigt seinen Mut und seine Entschlossenheit, die Kausalität anzuerkennen: Auch sein Leid war die Folge der deutschen Verbrechen. Das befreite ihn und brachte ihn weiter als viele seiner Künstlerkollegen, die meinten, nach Auschwitz dürfe es überhaupt keine Gedichte, keine Melodien und keine Lieder in deutscher Sprache mehr geben. Bis jetzt glaubt Reimann an die Zukunft des Singens, der Oper und des Kunstliedes.
"Ich denke oft beim Schreiben: Wen interessiert denn das? Aber die Frage darf man sich nicht stellen ... Man darf sich nicht überrennen lassen von all den Strömungen, Pop und ich weiß nicht was und Schlager und alles, was durch das Fernsehen so gepusht wird. Wir müssen dagegen anschreiben und daran glauben, an das, was wir machen."
Aber nicht nur Opern und Lieder komponiert Aribert Reimann - meistens in mönchischer Abgeschiedenheit. Auch für bedeutende Virtuosen schreibt er Solostücke und Konzerte. Der Klarinettist und Komponist Jörg Widmann ist einer von ihnen.
Jörg Widmann: "Aribert Reimann hat immer seinen eigenen Stimme vertraut. Und hat seine ganz eigene Musik. Man hört fünf Sekunden diese Musik und kann wirklich eindeutig sagen, dass es seine Musik ist. Das kann man von wenigen Komponisten behaupten. Er hat eine ganz, ganz eigene Sprache."
Reimanns unverwechselbare Musiksprache wird nun mit dem Siemens-Musikpreis belohnt. In den Vorjahren hat die Stiftung auch schon sperrigere Personen wie Klaus Huber und Brian Ferneyhough ausgezeichnet. Um der Liebling der Opern- und Konzertbesucher zu werden, braucht Reimann diesen Preis nicht. Denn das ist er schon längst. Aber der Preis ist die beliebte Anerkennung für ein beeindruckendes Lebenswerk, das hoffentlich noch weiter wächst - um immer neue, immer wieder andersartige Stücke.
Seine eigene Karriere begann als Pianist und Liedbegleiter von Dietrich Fischer Dieskau, Julia Varady und Catherine Gayer. Und viele jüngere Sängerinnen und Sänger sind ihm bis heute zugetan, wie zum Beispiel die Sopranistin Christine Schäfer.
"Mich hat diese Musik unglaublich in Bann gezogen und gefesselt, weil sie emotional mich so gepackt hat. Was ja bei der Neuen Musik häufig nicht unbedingt passiert. Und ich fand dann auch toll, wie normal und lustig er war. Das ist ja bei der ganzen Traurigkeit, die diese Musik oft hat, dieses Erschütternde, so ist er ja im Umgang eigentlich überhaupt nicht. Im Gegenteil, er ist natürlich ein sehr ernster Mensch, aber man kann extrem viel Spaß haben mit Aribert."
Die große Literaturoper – Aribert Reimann hat eine totgesagte Gattung zu neuem Leben erweckt. Nach zwei Balletten, die er Ende der 50er-Jahre mit Günter Grass konzipierte, wagte er sich seit den späten sechziger Jahren an Strindberg, Shakespeare, Kafka, Garcia Lorca und zuletzt Medea in der Fassung von Franz Grillparzer.
Aribert Reimann war immer viel zu bescheiden, für politischen Aktionismus. Doch seine Musik, gerade seine Opern, sind voller Bekenntnisse.
Aribert Reimann: "Ich kann keinen Stoff vertonen, der nichts mit unserer Zeit zu tun hat. Das ist bei allen meinen Opern, ab Melusine – obwohl wir uns damals noch gar nicht so klar waren, dass die Oper 30 Jahre später mal als Öko-Oper angezeigt wird. Bei Medea ist es nichts anderes, Medea ist eine Figur, die in unserer Zeit überall herumläuft, die als Fremde nicht aufgenommen und missachtet wird. Und so kommen immer diese Zeitbezüge für mich zustande."
Krieg und Nazizeit hat Reimann nur als Kind erlebt. Doch zwei traumatische Erlebnisse ließen und lassen ihn bis heute beklemmend ernst komponieren und schicken ihn immer wieder auf die Suche nach Figuren, die am Rande des Wahnsinns und der Verzweiflung agieren. Sein innig geliebter großer Bruder wurde damals Opfer eines Bombenangriffs – und die Bilder brennender Häuser haben sich untilgbar in sein Gedächtnis eingegraben. Seine Musik begreift er deshalb immer als moralische Stellungnahme.
Dass er - ein junger deutscher Komponist - bereits 1957 Gedichte von Paul Celan vertonte und den Dichter in Paris besuchte, zeigt seinen Mut und seine Entschlossenheit, die Kausalität anzuerkennen: Auch sein Leid war die Folge der deutschen Verbrechen. Das befreite ihn und brachte ihn weiter als viele seiner Künstlerkollegen, die meinten, nach Auschwitz dürfe es überhaupt keine Gedichte, keine Melodien und keine Lieder in deutscher Sprache mehr geben. Bis jetzt glaubt Reimann an die Zukunft des Singens, der Oper und des Kunstliedes.
"Ich denke oft beim Schreiben: Wen interessiert denn das? Aber die Frage darf man sich nicht stellen ... Man darf sich nicht überrennen lassen von all den Strömungen, Pop und ich weiß nicht was und Schlager und alles, was durch das Fernsehen so gepusht wird. Wir müssen dagegen anschreiben und daran glauben, an das, was wir machen."
Aber nicht nur Opern und Lieder komponiert Aribert Reimann - meistens in mönchischer Abgeschiedenheit. Auch für bedeutende Virtuosen schreibt er Solostücke und Konzerte. Der Klarinettist und Komponist Jörg Widmann ist einer von ihnen.
Jörg Widmann: "Aribert Reimann hat immer seinen eigenen Stimme vertraut. Und hat seine ganz eigene Musik. Man hört fünf Sekunden diese Musik und kann wirklich eindeutig sagen, dass es seine Musik ist. Das kann man von wenigen Komponisten behaupten. Er hat eine ganz, ganz eigene Sprache."
Reimanns unverwechselbare Musiksprache wird nun mit dem Siemens-Musikpreis belohnt. In den Vorjahren hat die Stiftung auch schon sperrigere Personen wie Klaus Huber und Brian Ferneyhough ausgezeichnet. Um der Liebling der Opern- und Konzertbesucher zu werden, braucht Reimann diesen Preis nicht. Denn das ist er schon längst. Aber der Preis ist die beliebte Anerkennung für ein beeindruckendes Lebenswerk, das hoffentlich noch weiter wächst - um immer neue, immer wieder andersartige Stücke.