Liebeshunger, Lebenshunger
Clara ist 46 Jahre alt als sie die tödliche Diagnose erhält: Krebs. Um ihrem Schicksal Widerstand zu leisten, schreibt sie in ihrem Tagebuch all ihre Lebenswünsche nieder und versucht so, Versäumtes nachzuholen.
Von einer Diktatur in die andere: Während die Ururenklin Robert und Clara Schumanns in Francos Spanien eher für konservative Zeitungen gearbeitet hatte, schloss sie sich nach ihrer Rückkehr nach Chile der Opposition an und sah bis zum Ende des Pinochet-Regimes ihre Aufgabe vorrangig darin, in Zeitungsartikeln, Interviews und Sachbüchern über die Diktatur aufzuklären, gegen sie anzuschreiben. Das hatte ihr unter anderem einen Überfall durch Schläger des Regimes eingebracht. Während dieser Jahre lebte der größte Teil ihrer Familie im Exil. Bald darauf traf sie ihren künftigen Mann, einen amerikanischen Professor für Lateinamerikanistik, mit dem sie seitdem wechselweise in den USA und in Chile lebt.
Erst nach Chiles Rückkehr zur Demokratie machte sie ihren lang gehegten Kindheitswunsch wahr und fing an, Romane zu schreiben. Ihr jetzt ins Deutsche übersetztes Buch "Eine Woche im Oktober" ist inzwischen ihr zehnter. Erstaunlich, dass trotz des ehemaligen Engagements in der rund 200 Seiten starken Novelle Politik nicht vorkommt.
Im Mittelpunkt des Buches steht Clara, eine noch relativ junge Frau, bei der Brust-krebs entdeckt wird. Sie hat nicht mehr lange zu leben, auch wenn sich niemand traut, ihr das offen zu sagen. Erst recht nicht ihr Mann. Sie wiegt sich in der Hoff-nung, den Krebs besiegen zu können. So wie viele der Romane von Elizabeth Subercaseaux hat auch dieser einen realen Hintergrund. Ihre beste Freundin starb jung an Brustkrebs.
Ein Jahr nach der tödlichen Diagnose entdeckt Claras Ehemann Clemente das Ta-gebuch seiner Frau. Er beginnt zu lesen und traut seinen Augen nicht. Er erfährt, dass seine Frau von der vermeintlich geschickt verborgenen außerehelichen Affäre mit seiner Sekretärin weiß. Sie hat es schon immer gewusst. Und zu seinem Erschrecken liest er, dass sie sich nunmehr ihrerseits einen Geliebten genommen hat. Allerdings kann er sich nicht ganz sicher sein, denn Claras Tagesbuchaufzeichnungen berichten auch von Ereignissen, die nie stattgefunden haben, pure schriftstellerische Fantasie sind.
Claras Notizen bilden den einen Teil des Romans. Der andere schildert Clementes Reaktionen auf das Gelesene, sein Versuch, zu verstehen, was in seiner Frau vor sich geht, wer sie überhaupt ist und wie sie ihre Ehe sieht. Das Tagebuch ist wie ein Spiegel, in dem er sich zum ersten Mal in seinem Leben durch die Augen seiner Frau sieht. Das, was Clemente entdeckt, gefällt ihm nicht besonders gut und doch ist er zu feige, zu verstört, durch Claras Krankheit zu gehemmt, um mit ihr darüber zu reden. Er traut sich noch nicht einmal, seine Eifersucht einzugestehen und sie zur Rede zu stellen. Hat sie ihren Liebhaber nur erfunden? Immerhin kennt er den Mann. Doch Clemente vermeidet geradezu ängstlich, die Tagebuchaufzeichnungen bis zum Ende zu lesen, begnügt sich damit, sie so wie der Leser kapitelweise anzunehmen. Erst am Ende des Romans, Clara ist inzwischen gestorben, wird das Rätsel gelöst.
Elizabeth Subercaseaux gelingt es, beiden Seiten gerecht zu werden. Weder Cle-mente noch Clara werden angeklagt. Der Roman zeigt vielmehr, wie wenig man selbst in einer langjährigen Ehe die Gefühle und Gedanken des anderen kennt, wie man sich selbst in die Tasche lügt, um sein Verhalten zu rechtfertigen, wie wichtig eine große Liebe ist und wie tröstend Träume sein können.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Elizabeth Subercaseaux: Eine Woche im Oktober
Übersetzt von Maria Hoffmann-Dartevelle
Pendo Verlag München 2008, 200 Seiten, 18 Euro
Erst nach Chiles Rückkehr zur Demokratie machte sie ihren lang gehegten Kindheitswunsch wahr und fing an, Romane zu schreiben. Ihr jetzt ins Deutsche übersetztes Buch "Eine Woche im Oktober" ist inzwischen ihr zehnter. Erstaunlich, dass trotz des ehemaligen Engagements in der rund 200 Seiten starken Novelle Politik nicht vorkommt.
Im Mittelpunkt des Buches steht Clara, eine noch relativ junge Frau, bei der Brust-krebs entdeckt wird. Sie hat nicht mehr lange zu leben, auch wenn sich niemand traut, ihr das offen zu sagen. Erst recht nicht ihr Mann. Sie wiegt sich in der Hoff-nung, den Krebs besiegen zu können. So wie viele der Romane von Elizabeth Subercaseaux hat auch dieser einen realen Hintergrund. Ihre beste Freundin starb jung an Brustkrebs.
Ein Jahr nach der tödlichen Diagnose entdeckt Claras Ehemann Clemente das Ta-gebuch seiner Frau. Er beginnt zu lesen und traut seinen Augen nicht. Er erfährt, dass seine Frau von der vermeintlich geschickt verborgenen außerehelichen Affäre mit seiner Sekretärin weiß. Sie hat es schon immer gewusst. Und zu seinem Erschrecken liest er, dass sie sich nunmehr ihrerseits einen Geliebten genommen hat. Allerdings kann er sich nicht ganz sicher sein, denn Claras Tagesbuchaufzeichnungen berichten auch von Ereignissen, die nie stattgefunden haben, pure schriftstellerische Fantasie sind.
Claras Notizen bilden den einen Teil des Romans. Der andere schildert Clementes Reaktionen auf das Gelesene, sein Versuch, zu verstehen, was in seiner Frau vor sich geht, wer sie überhaupt ist und wie sie ihre Ehe sieht. Das Tagebuch ist wie ein Spiegel, in dem er sich zum ersten Mal in seinem Leben durch die Augen seiner Frau sieht. Das, was Clemente entdeckt, gefällt ihm nicht besonders gut und doch ist er zu feige, zu verstört, durch Claras Krankheit zu gehemmt, um mit ihr darüber zu reden. Er traut sich noch nicht einmal, seine Eifersucht einzugestehen und sie zur Rede zu stellen. Hat sie ihren Liebhaber nur erfunden? Immerhin kennt er den Mann. Doch Clemente vermeidet geradezu ängstlich, die Tagebuchaufzeichnungen bis zum Ende zu lesen, begnügt sich damit, sie so wie der Leser kapitelweise anzunehmen. Erst am Ende des Romans, Clara ist inzwischen gestorben, wird das Rätsel gelöst.
Elizabeth Subercaseaux gelingt es, beiden Seiten gerecht zu werden. Weder Cle-mente noch Clara werden angeklagt. Der Roman zeigt vielmehr, wie wenig man selbst in einer langjährigen Ehe die Gefühle und Gedanken des anderen kennt, wie man sich selbst in die Tasche lügt, um sein Verhalten zu rechtfertigen, wie wichtig eine große Liebe ist und wie tröstend Träume sein können.
Rezensiert von Johannes Kaiser
Elizabeth Subercaseaux: Eine Woche im Oktober
Übersetzt von Maria Hoffmann-Dartevelle
Pendo Verlag München 2008, 200 Seiten, 18 Euro