Liebesbriefe

Ein Stück Papier für die Ewigkeit

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Der Liebesbrief, niederländisches Gemälde, Öl auf Leinwand von Willem Bartel van der Kooi um 1808. Eine junge Frau in taillenhohem Empire-Kleid mit Empire-Frisur erhält einen Liebesbrief von einem jungen männlichen Boten.
Der Liebesbrief, Öl auf Leinwand von Willem Bartel van der Kooi um 1808: Eine Liebesbotschaft in Briefform hat auch Napoleons spätere Frau besänftigt, das Ausbleiben wurde in "Sex in the City" zum Problem. © imago/ Everett Collection
Von Bettina Ritter · 30.05.2020
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Liebesbriefe – wer schreibt denn noch so was? Vielleicht eine Mail oder eine Chat-Nachricht, aber so richtig auf Papier? Dabei ist ein Liebesbrief etwas ganz Besonderes, erst recht in Zeiten elektronischer, schneller Kommunikation.
"Ich gebe Dir drei Küsse, einen aufs Herz, einen auf Deinen Mund und einen auf Deine Augen".
Diese romantischen Worte findet Napoleon Bonaparte in einem Liebesbrief an seine spätere Frau Joséphine. Er schreibt ihn 1795 auf graublauem Papier am Morgen nach einem erbitterten Streit. Joséphine hat ihm vorgeworfen, sie nicht ausschließlich um ihrer selbst willen zu lieben, sondern auch aus materiellen Gründen. Die Worte des damals 26-Jährigen verfehlen ihre Wirkung nicht und besänftigen seine Geliebte.

Carrie: Wann hättest du mir jemals einen Liebesbrief geschrieben?
Big: Zählt ein Liebesfax auch?
Carrie: Wann hätte ich je ein Liebesfax von dir bekommen?
Big: Ich bin sicher, meine Sekretärin hat dir irgendwann mal eins geschickt.

In der Fernsehserie "Sex and the City" bringt Carrie ihren Mr. Big in Verlegenheit, als sie ihm Liebesbriefe Großer Männer vorliest. Beethoven, Napoleon, Martin Luther und sogar Karl Marx. Alle erlaubten ihren Angebeteten einen "Seelenbesuch" – so hieß der Liebesbrief noch im empfindsamen 18. und 19. Jahrhundert. Es überrascht nicht, dass Mr. Big sich nicht in die Reihe "Großer Männer" einfügt.

"Es überrieselt mich..."

Die Malerin Paula Modersohn-Becker schreibt 1900 an Otto Modersohn:
"Es kommt über mich, dass ich oftmals die Augen schließen muss, wenn Du mich in Armen hältst. Es überrieselt mich und durchleuchtet mich und schlägt in mir satte verhaltene Farben an, dass ich zittere. Ich habe ein wundervolles Gefühl der Welt gegenüber."
Und das steht in einem Liebesbrief von Ingeborg Bachmann an den Dichter Paul Celan:
"Für mich bist Du Wüste und Meer und alles was Geheimnis ist".
Als sie diesen Satz niederschreibt ist Ingeborg Bachmann ist 27, er 21 Jahre alt. Leidenschaftlich und kompliziert ist die Liebesbeziehung zwischen der Österreicherin und dem staatenlosen Juden kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Und zum Scheitern verurteilt.

Heute gibt es Liebesmails

Heute lassen starke Gefühle kaum noch jemanden zu Stift und Papier greifen. Liebesbezeugungen erhält und verschickt man meist "tatsächlich über Messenger und E-Mail", sagt Susi.
Einen Liebesbrief hat die 38-Jährige noch nie bekommen. Nur einmal hat sie selbst einen geschrieben. Allerdings ausschließlich, weil das Objekt der Begierde sie geblockt hatte. "Tatsächlich mit der Hand, auch mehrmals, damit er schön aussieht. Hat auch ein bisschen gedauert, bis der Brief fertig war."
Ein Liebesbrief kommt direkt vom Herzen, so singt es Elvis. Und doch wieder nicht. Überlegt sich der Verfasser doch genau, was er oder sie schreiben will und welche Worte die treffendsten sind. Das erfordert Kontemplation.
Eben einen "Seelenbesuch", so Petra. "Es ist manchmal so, als würde ich einen anderen Raum betreten. Es geht auch in mir selber irgendwie eine Tür auf, und ich habe Zugang zu einem inneren Raum, den ich sonst nicht so zugänglich habe. Und die Gedanken und Gefühle kommen so langsam. Und beim Schreiben – das ist eigentlich das Tollste – beim Schreiben entwickeln die sich eigentlich erst so richtig. Und ich bin dann hinterher manchmal ganz erstaunt gewesen, was ich da Wunderbares geschrieben habe."

Überfordert durch zu viel Gefühl

Petra ist eine Liebesbrief-Veteranin. 30 bis 40 – hauptsächlich von ehemaligen Liebhabern, Partnern, ihrem Ehemann – hat sie behalten. Sie liegen in einer rosa Kiste, ihrer "Lebenskiste".
Einer hat sie allerdings auch überfordert. Ihr erster – den bekam sie mit 15: "Der hat mich so irritiert, dass ich ihn verbrannt habe. Dieser unglaubliche Ausdruck von Gefühlen von diesem Jungen. Was der da alles auf mich, heute würde ich sagen, projiziert hat, das war mir viel zu viel. Das war mir viel zu viel, zu nah, und weil ich gar nicht wusste, was ich damit anfangen sollte, hab ich das verbrannt. Heute bereue ich das!"

Beethovens unsterbliche Geliebte

"Meine unsterbliche Geliebte. Leben kann ich entweder nur ganz mit Dir oder gar nicht. Oh, liebe mich fort. Verkenne nie das treuste Herz Deines Geliebten. Ewig Dein. Ewig mein. Ewig Uns."
Schreibt Ludwig van Beethoven um 1812 an seine "Unsterbliche Geliebte". Wer sie war, das weiß man bis heute nicht. Auch Beethoven ist inzwischen tot. Der Brief allerdings – eine großzügige, flotte blaue Tintenschrift auf vergilbtem Papier – hat die Zeit überdauert. Liebesbriefe sind eben für die Ewigkeit.
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