Lieber Narr als König Lear

Von Hartmut Krug |
Die schauspielerische Wirkung des großen Charakterdarstellers Heinz Bennent kommt insbesondere aus seiner brillanten Artikulation. Legendär die Berichte über ihn, der im Münchner Englischen Garten über den Rasen tanzte und dabei den Rhythmus seiner Texte ausprobierte.
Mehr als 150 Rollen hat Heinz Bennent gespielt, am Theater wie im Film und Fernsehen. Dabei geht es ihm wie vielen Schauspielern, die am Theater begannen und dort weiterhin Erfolge feiern: Der große Ruhm kam mit dem Film. Begonnen hat der am 18.Juli 1921 als Sohn eines Buchhalters im rheinländischen Stolberg geborene 1947 am Karlsruher Theater, wo er als Don Carlos debütierte. Es folgten mehr als 20 Bühnenstationen, darunter die großen Theater von Stuttgart, Berlin, Hamburg und München. Er triumphierte in Inszenierungen von Hans Lietzau, Ingmar Bergmann, Klaus Michael Grüber und Dieter Dorn, auch wenn er in dessen Münchner "Lear"-Inszenierung 1992 nicht die Titelrolle spielte, sondern den Narren:

"Ich habe nie den Ehrgeiz gehabt, zum Beispiel den Lear zu spielen. Der ist sehr anstrengend von der Darstellung her. Ich finde ihn aber von den Inhalten und der Intelligenz her viel langweiliger als den Narren, der Narr hat die viel besseren Texte."

Stichwort Texte: Heinz Bennent lebt mit ihnen. So liest und spricht er jeden Tag, ganz für sich, Friedrich Hölderlin. Und seit 1997 zog er bis vergangenes Jahr mit einem zweiteiligen Programm durch die Theaterlande: Sein Sohn David trug Heiner Müllers Bildbeschreibung vor, und er selbst rezitierte aus Hölderlins Hyperion:

"Das erste Kind der menschlichen, der göttlichen Schönheit ist die Kunst. In ihr verjüngt und wiederholt der göttliche Mensch sich selbst. Er will sich selber fühlen, darum stellt er seine Schönheit gegenüber sich."

Heinz Bennent ist kein Gefühlsspieler, sondern eher ein Sachlichkeitsdarsteller, der die Tiefe seiner Figuren nach oben holt, ohne sie lautstark oder überdeutlich auszustellen. Seine schauspielerische Wirkung kommt aus dem dauernden Zweifel - und aus der brillanten Artikulation von Texten. Legendär die Berichte über einen Heinz Bennent, der im Münchner Englischen Garten über den Rasen tanzte und dabei den Rhythmus seiner Texte ausprobierte.

"Schauspieler werden bedeutet ja eigentlich alles zu machen. Die Hauptsache ist, auch ein Gärtner muss zu sich selber finden. Aber in dem Beruf ist es schwer. Weil man mit allem, mit allem Menschlichen zu tun hat. Und das ist dann auch eine Gefahr für die eigene Person ein bisschen."

Die Ehefrau eine ehemalige Tänzerin, Tochter Anne und Sohn David ebenfalls Schauspieler - doch Heinz Bennent ist kein Mensch, der den Kulturbetriebstrubel mag. Er lebt in der Nähe von Lausanne als ein im positiven Sinn eigensinniger Mensch: Es gibt und gab nie ein Fax oder einen Internet-Anschluss, nie ein Auto und einen Fernseher in seinem Leben. Dabei war er schon in den Anfangsjahren des Fernsehens dabei, vor allem in Literaturverfilmungen:

"Ich habe '54 angefangen. Damals war das so wie Theater. Da wurde die ganze Literatur aufgenommen, und man konnte es noch nicht schneiden. Der Prozess lief dann ab wie im Theater, mit Probe, Hauptprobe, Generalprobe, und dann saß jemand drin. Das hatte also wirklich mit Theater zu tun."

Die erste Filmrolle spielte Heinz Bennent erst 1966, dann kamen schnell die großen Filme wie Volker Schlöndorffs "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und "Die Blechtrommel", in dem sein damals 12-jähriger Sohn David den Oskar spielte, Ingmar Bergmanns "Aus dem Leben der Marionetten" und Francois Truffauts "Die letzte Metro" mit Catherine Deneuve, etliche Filme in Frankreich und zuletzt im Jahr 2000 "Kalt ist der Abendhauch" von Rainer Kaufmann.
In den vergangenen Jahren ging Heinz Bennent mit einem eigenen Tschechow-Abend auf Tournee:

"Der ist für mich wie Shakespeare, wenn nicht noch bedeutender."

Mit seinem Sohn David begab er sich nach der Lausanner Premiere 1995 mit Becketts "Endspiel" auf gefeierte Europa-Tournee. Doch mittlerweile hat sich Heinz Bennent etwas zurück gezogen:

" Innerlich bleibt man immer jung. Also alt werden ist ja eine Sache: Man wird nicht alt. Die Seele wird nicht alt. Und das Denken dürfte auch nicht alt werden. Im Gegenteil: Es kann immer jünger werden, je älter man wird. Die Knochen sind da anderer Meinung."

Das sagte Heinz Bennent an seinem 80. Geburtstag. Heute feiert der große Schauspieler seinen 90. Geburtstag.