Liebe und Sex als Kriegswaffen
Die Ausstellung "Amours, Guerres et Sexualité 1914 - 1945" - Liebschaften, Kriege und Sexualität 1914 - 1945 im Pariser Invalidendom zeigt, welchen Einfluss Kriege auf das Geschlechterverhältnis haben. Durch zeitgeschichtliche Dokumente aus ganz Europa wird anschaulich, was passiert, wenn Liebe und Sexualität zu einer Staatsangelegenheit werden.
Am Tresen steht ein Soldat aus dem Ersten Weltkrieg, im langen Mantel, eine Schirmmütze auf dem Kopf. Umhalst wird er von einer leicht bekleideten Schönen. Diese Bordellszene aus dem Ersten Weltkrieg, in Aquarell heiter aufs Papier getuft, dient als Werbeträger für die Ausstellung. Die erste Abteilung ist dem Thema Mobilisierung gewidmet, die Wände zieren viele Bilddokumente. Darunter das Original einer französischen Modezeitschrift von 1915. Es zeigt eine Frau im weiten glockenförmigen Rock, den sie entfaltet fast wie ein Pfauenrad. Kuratorin Danièle Voldman meint, ähnliche Darstellungen fanden sich damals in Modezeitschriften aller kriegsführenden Länder.
"Mit der französischen Modezeitschrift eröffnen wir den Parcours. Die Frau hier trägt ein Kleid in den Farben der Tricolore, der französischen Nationalfarben Blau-Weiß-Rot. Man könnte sagen, es handelt sich lediglich darum, dass auch die Mode zur patriotischen Mobilisierung aufruft. Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man, dass die Frau nicht nur patriotisch gekleidet ist, sondern zudem auch sehr erotisch dargestellt wird. Ihre Kleidung ist transparent, die Brustwarzen sind zu sehen, alles verkörpert Erotik. Unsere Idee war, all dies bei der Ausstellung zu zeigen: Erotik, sentimentale Gefühle, Liebe, Sexualität gehören auch in den kriegsführenden Ländern zum Alltag."
Von der Mobilisierung geht es gleich weiter, in die Abteilung Trennung, soll heißen: Trennungsschmerz. Auf einem Podest im langen Ausstellungsgang thronen drei Granaten, Symbol des Kriegsphallus. Ein Thema, das sich in mancherlei humoristischer Variante beim Parcours wiederfindet: beispielsweise bei dem Nippes-Objekt von 1920, das einen Soldaten darstellt. Dessen edelster Körperteil läuft in Spiralform aus - und dient als Korkenzieher.
#'"Hier haben wir ein einfach unglaubliches Foto gefunden. Es zeigt Arbeiterinnen in einer englischen Waffenfabrik im Ersten Weltkrieg. Die Frauen schmirgeln die Granaten, aber es sieht eher so aus, als würden sie sie streicheln und umhalsen. Bei diesem Anblick kann man schon auf ganz merkwürdige Gedanken kommen."
Der kontrollierten Sexualität ist der dritte Bereich gewidmet. Da warnen Propaganda-Plakate aus Schweden, der Schweiz, den Vereinigten Staaten die Soldaten vor Techtelmechtel mit fremden Schönheiten, die sich als feindliche Spioninnen entpuppen könnten. Daneben illustrieren Fotos den Luxus der den deutschen Besatzungsoffizieren vorbehaltenen Bordelle in französischen Städten. Daniéle Voldman hält vor einer üppig bestückten Vitrine:
"Hier stellen wir den Koffer eines Armeearztes mit urologischem Besteck aus, mit welchem er die Soldaten auf Geschlechtskrankheiten untersuchte. Daneben liegen zwei Schachteln mit Präservativen, die ungeöffnete Packung stammt aus dem Ersten Weltkrieg, die andere aus Deutschland, aus dem Zweiten Weltkrieg. Was uns sehr amüsierte, war, dass wir Präservative aus den Vereinigten Staaten und aus Deutschland auftreiben konnten, aber keinen einzigen von der französischen Armee. Es scheint, als hätte man dort keine verteilt. Das könnte daran liegen, dass dem Vichy-Regime eventuell der Kampf gegen Geschlechtskrankheiten weniger wichtig war als der Wunsch, für mehr Nachwuchs zu sorgen."
Fotos glücklicher Paare zieren die Wände im nächsten Raum: Symbol dafür, dass trotz aller staatlichen Reglementierung die Liebe einfach stärker ist. Doch zum Ende des Parcours wird auch ein äußert schmerzhaftes Thema nicht ausgespart: das der sexuellen Gewalt. Die sich auch nach Kriegsende breit machte: beklemmende Dokumentaraufnahmen im Filmsaal nebenan zeigen Französinnen, die für ihre Romanzen mit deutschen Besatzern von Landsleuten öffentlich geschoren und durch die Straßen getrieben wurden. Zwei Jahre haben Historikerin Danièle Voldman und ihre beiden Kollegen die Ausstellung vorbereitet.
"Bei unserer Suche nach Dokumenten mussten wir zu unserer Verblüffung feststellen: historische Quellen gab es dazu schon immer. In dieser Ausstellung geht es ja auch um den Krieg. Und dennoch sehen Sie hier überall Bilder von Frauen. Wir waren sehr erstaunt zu sehen, wie massiv ihre Präsenz im Krieg doch war."
Das Fazit des historischen Quellenstudiums: ob Erster oder Zweiter Weltkrieg, ob Frankreich, Deutschland, England, Russland oder die Vereinigten Staaten - die Überhöhung der virilen Männlichkeit, die appellhafte Überzeichnung der sanften Weiblichkeit ist überall und jederzeit anzutreffen. Der Wunsch der Bevölkerung nach Liebe, nach Sexualität wird von den Regierungen als Waffe eingesetzt. Nachzulesen ist dies im sehr reich dokumentierten Katalog, an dem 30 Autoren mitwirkten. Das dortige Schlusswort widmen die Ausstellungsmacher einem Thema, das beim Parcours im Invalidendom unberücksichtigt bleibt: den Früchten der Liebschaften zwischen den Fronten. Ein solches Kriegskind ist Josiane Kruger, Tochter einer Französin und eines deutschen Wehrmachtsoldaten. Vor zwei Jahren veröffentlichte sie in Paris ihre Autobiographie, schilderte anrührend, wie sie wegen ihrer Herkunft ein Leben lang gesellschaftlich ausgegrenzt war. Und die Ausstellung im Armeemuseum durchzieht letztendlich derselbe Gedanke, der Josiane Kruger in ihrem Werk Hauptbotschaft ist:
"Man wirft unseren Eltern vor, sie hätten einen schweren Fehler begangen. Blödsinn, sie haben sich geliebt und das ist alles. Ich finde es wunderbar, dass es auch während des Kriegs Liebesgeschichten gab. Hätte es nur den Krieg gegeben, wäre das ja zum Verzweifeln."
"Mit der französischen Modezeitschrift eröffnen wir den Parcours. Die Frau hier trägt ein Kleid in den Farben der Tricolore, der französischen Nationalfarben Blau-Weiß-Rot. Man könnte sagen, es handelt sich lediglich darum, dass auch die Mode zur patriotischen Mobilisierung aufruft. Wenn man aber genauer hinschaut, sieht man, dass die Frau nicht nur patriotisch gekleidet ist, sondern zudem auch sehr erotisch dargestellt wird. Ihre Kleidung ist transparent, die Brustwarzen sind zu sehen, alles verkörpert Erotik. Unsere Idee war, all dies bei der Ausstellung zu zeigen: Erotik, sentimentale Gefühle, Liebe, Sexualität gehören auch in den kriegsführenden Ländern zum Alltag."
Von der Mobilisierung geht es gleich weiter, in die Abteilung Trennung, soll heißen: Trennungsschmerz. Auf einem Podest im langen Ausstellungsgang thronen drei Granaten, Symbol des Kriegsphallus. Ein Thema, das sich in mancherlei humoristischer Variante beim Parcours wiederfindet: beispielsweise bei dem Nippes-Objekt von 1920, das einen Soldaten darstellt. Dessen edelster Körperteil läuft in Spiralform aus - und dient als Korkenzieher.
#'"Hier haben wir ein einfach unglaubliches Foto gefunden. Es zeigt Arbeiterinnen in einer englischen Waffenfabrik im Ersten Weltkrieg. Die Frauen schmirgeln die Granaten, aber es sieht eher so aus, als würden sie sie streicheln und umhalsen. Bei diesem Anblick kann man schon auf ganz merkwürdige Gedanken kommen."
Der kontrollierten Sexualität ist der dritte Bereich gewidmet. Da warnen Propaganda-Plakate aus Schweden, der Schweiz, den Vereinigten Staaten die Soldaten vor Techtelmechtel mit fremden Schönheiten, die sich als feindliche Spioninnen entpuppen könnten. Daneben illustrieren Fotos den Luxus der den deutschen Besatzungsoffizieren vorbehaltenen Bordelle in französischen Städten. Daniéle Voldman hält vor einer üppig bestückten Vitrine:
"Hier stellen wir den Koffer eines Armeearztes mit urologischem Besteck aus, mit welchem er die Soldaten auf Geschlechtskrankheiten untersuchte. Daneben liegen zwei Schachteln mit Präservativen, die ungeöffnete Packung stammt aus dem Ersten Weltkrieg, die andere aus Deutschland, aus dem Zweiten Weltkrieg. Was uns sehr amüsierte, war, dass wir Präservative aus den Vereinigten Staaten und aus Deutschland auftreiben konnten, aber keinen einzigen von der französischen Armee. Es scheint, als hätte man dort keine verteilt. Das könnte daran liegen, dass dem Vichy-Regime eventuell der Kampf gegen Geschlechtskrankheiten weniger wichtig war als der Wunsch, für mehr Nachwuchs zu sorgen."
Fotos glücklicher Paare zieren die Wände im nächsten Raum: Symbol dafür, dass trotz aller staatlichen Reglementierung die Liebe einfach stärker ist. Doch zum Ende des Parcours wird auch ein äußert schmerzhaftes Thema nicht ausgespart: das der sexuellen Gewalt. Die sich auch nach Kriegsende breit machte: beklemmende Dokumentaraufnahmen im Filmsaal nebenan zeigen Französinnen, die für ihre Romanzen mit deutschen Besatzern von Landsleuten öffentlich geschoren und durch die Straßen getrieben wurden. Zwei Jahre haben Historikerin Danièle Voldman und ihre beiden Kollegen die Ausstellung vorbereitet.
"Bei unserer Suche nach Dokumenten mussten wir zu unserer Verblüffung feststellen: historische Quellen gab es dazu schon immer. In dieser Ausstellung geht es ja auch um den Krieg. Und dennoch sehen Sie hier überall Bilder von Frauen. Wir waren sehr erstaunt zu sehen, wie massiv ihre Präsenz im Krieg doch war."
Das Fazit des historischen Quellenstudiums: ob Erster oder Zweiter Weltkrieg, ob Frankreich, Deutschland, England, Russland oder die Vereinigten Staaten - die Überhöhung der virilen Männlichkeit, die appellhafte Überzeichnung der sanften Weiblichkeit ist überall und jederzeit anzutreffen. Der Wunsch der Bevölkerung nach Liebe, nach Sexualität wird von den Regierungen als Waffe eingesetzt. Nachzulesen ist dies im sehr reich dokumentierten Katalog, an dem 30 Autoren mitwirkten. Das dortige Schlusswort widmen die Ausstellungsmacher einem Thema, das beim Parcours im Invalidendom unberücksichtigt bleibt: den Früchten der Liebschaften zwischen den Fronten. Ein solches Kriegskind ist Josiane Kruger, Tochter einer Französin und eines deutschen Wehrmachtsoldaten. Vor zwei Jahren veröffentlichte sie in Paris ihre Autobiographie, schilderte anrührend, wie sie wegen ihrer Herkunft ein Leben lang gesellschaftlich ausgegrenzt war. Und die Ausstellung im Armeemuseum durchzieht letztendlich derselbe Gedanke, der Josiane Kruger in ihrem Werk Hauptbotschaft ist:
"Man wirft unseren Eltern vor, sie hätten einen schweren Fehler begangen. Blödsinn, sie haben sich geliebt und das ist alles. Ich finde es wunderbar, dass es auch während des Kriegs Liebesgeschichten gab. Hätte es nur den Krieg gegeben, wäre das ja zum Verzweifeln."