Liebe in Zeiten des Krieges

Rezensentin: Gertrud Lehnert · 26.07.2005
Dieser Roman von Lajos Zilahy war in den dreißiger Jahren eine Sensation. Der ungarische Autor, der viele Jahre in den USA lebte, wurde auch der "Großmeister der Gefühle" genannt. Dies ist sein bedeutendster und erfolgreichster Roman über eine Liebe in den Wirren des Ersten Weltkriegs.
Lajos Zilahy (1891-1974) gehört zu den ungarischen Autoren der 1920er und 1930er Jahre, die mit großer Verspätung zur Zeit in Deutschland entdeckt werden – neben Sándor Márai, mit dem alles begann, Antal Szerb oder Dezsö Kosztolány.

Das neue Interesse an der ungarischen Literatur, die in den letzten Jahrzehnten keine Rolle auf dem deutschen Buchmarkt spielte, hat sicher verschiedene Ursachen: die Qualität der Texte aber auch die Verleihung des Nobelpreises an Imre Kertész, das Engagement des Berlin Verlags für zeitgenössische ungarische Autoren wie Péter Nadás oder Péter Eszterházy oder auch die thematisch Osteuropa gewidmeten Buchmessen der vergangenen Jahre. Und es sind noch viele Entdeckungen zu machen: Mihály Babits, Margit Kaffka ...

Lajos Zilahy gehört zu denjenigen Autoren, die in älteren ungarischen Literaturgeschichten recht kurz und kritisch als "bürgerliche" Autoren abgehandelt werden. Der Roman beginnt scheinbar banal, im Gestus der zur Zeit der Entstehung bereits einige Jahrzehnte zurückliegenden Dekadenz, die aber in der erzählten Zeit noch durchaus virulent war:

Der junge Anwalt Péter Takács schlendert 1913 durch das herbstliche Budapest und macht sich melancholische Gedanken über Einsamkeit und Vergänglichkeit. Auf einer anschließenden Teegesellschaft begegnet er der schönen jungen Miette Almády. Der Entwicklung der Liebe zwischen Péter und Miette ist der langsame Beginn des Romans gewidmet: der emotionalen Verwirrung beider, den vorsichtigen Annäherungen, dem Erwachen von Erotik und Begehren insbesondere in Miette und der Eifersucht Péters, die sein Gefühlsleben künftig bestimmen wird.

Das ist manchmal kurz und holzschnittartig, manchmal ausführlich und psychologisch sehr differenziert erzählt. Die beiden heiraten und erleben äußerst glückliche Monate – bis der erste Weltkrieg ausbricht.

Péter muss an die Front und kommt in russische Gefangenschaft. Von da an gewinnt der Roman eine andere Dimension und eine andere Dynamik. Péters elendes Leben in Kriegsgefangenschaft wird kapitelweise gegen Miettes vergleichsweise behütetes - von ihr jedoch als unbehütet empfundenes - Leben in Budapest geschnitten:

Die Verzweiflung beider über die Trennung; die Hoffnungen auf ein baldiges Wiedersehen, das beide auf unterschiedliche Weise während der ersten langen Monate über Wasser hält; die sich wiederholende Enttäuschung der Hoffnung; dann Warten, Warten, Warten ... und schließlich - nach Jahren - Resignation und zunehmendes Vergessen trotz verzweifelter Versuche, die Erinnerung wach zu halten.

Aber die wenigen gemeinsam verbrachten Monate scheinen längst eine Schimäre, da die Liebe keine Nahrung in der Realität mehr findet. Anderes ist viel wichtiger geworden: das Überleben unter widrigen Umständen, der Kampf gegen die Einsamkeit.

Der Kontakt bricht ab, und Jahre später lassen sich beide unter Skrupeln auf andere Beziehungen ein. Miette hat vor, ihre Liebe sofort zu verlassen, sobald Péter zurückkehrt. Aber am Ende – der Roman endet in den 1920er Jahren – kommt alles anders als erwartet.

Mutet der Roman zunächst auch recht altmodisch an, so gewinnt er doch zunehmend an Aktualität im Hinblick auf existenzielle Fragen von Leben, Liebe, Erinnerung, Vergessen und Vergänglichkeit. Was ist das Leben? Wie stark ist die Liebe? Wie verändert uns die Zeit? Zugleich wird ein Panorama des Lebens in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts entworfen.

Alles ist mit Differenziertheit, Präzision und Kraft erzählt: ein Roman, der die Lust des heutigen Publikums an breit angelegten Epen befriedigen dürfte.

Lajos Zilahy: Was mein Herz begehrt
Aus dem Ungarischen von Eta Neumann-Veith und Andrea Seidler.
München, Diana Verlag 2005, 544 S., € 22,90