Lieb gewonnene Dinge in Koffern
Bilder von lieb gewonnenen Dingen von Deutschen zwischen acht und 78 Jahren präsentiert das Museum für Kommunikation in aufgeklappten Koffern. Sie zeigen Fotos von den Eltern oder Fundstücke vom Flohmarkt als Glücksbringer. Für einen der Koffer ist die Fotografin Sibylle Hoessner 60.000 Kilometer gereist.
Sibylle Hoessner: " Das Projekt begann mit der Frage, wie erweitere ich ein Porträt - bei den Heiligenfiguren kennt man das, dass man die Figur sieht und die haben Beigaben - ich habe das genommen und habe mir überlegt, was sagen die Dinge über die Menschen. "
Die Fotografien der kleinen - oder größeren, lieb gewonnenen Dinge von Deutschen zwischen acht und 78 Jahren präsentiert Sibylle Hoessner in 14 Holzkoffern. Sie stehen jetzt auf Handkarren im Museum für Kommunikation. Auch im Internet kann man einige Koffer betrachten. Dort ziehen sie über den Bildschirm wie auf einem Laufband am Flughafen.
Tableauartig zeigt die Fotografin in den aufgeklappten Koffern - jeweils 20 postkartengroße, farbige Fotos. Auch Nahaufnahmen vom Gesicht oder von den Händen ihrer Modelle hat sie zwischen die abgebildeten Dinge gesetzt. Keiner der Menschen ist berühmt, sondern steht beispielsweise für eine Generation. In einem zum Koffer gehörigen Buch kann der Besucher schließlich lesen, was die Dinge den Porträtierten bedeuten. Jochen, geboren 1945, hatte einen Aquarellpinsel, Laufschuhe, eine "Callas"-CD, einen Reisestein ausgesucht, um sein Leben zu beschreiben - und einen Ring. Der steht für:
" 27 Jahre Symbiose, aber auch loslassen können - keine Besitzansprüche auf den Partner - Raum für eigene Interessen und Interessen des Partners. "
Kurze Notizen oder auch ein paar ausführliche, persönliche Sätze lassen ein Bild der jeweiligen Menschen entstehen. Zu Britt, im Jahr 2000 50-jährig, gehört eine Lotusblüte - und eine geschliffene kleine Kristallkugel, die ihr Licht in die gelegentliche Finsternis bringt. Carl, geboren 1936, ist die tägliche Tageszeitung wichtig, und ein Kochbuch kann ihm so spannend sein wie ein Krimi, besonders, wenn es ein italienisches ist. Die älteste Teilnehmerin des Projektes ist Ingeborg, geboren 1922 in Berlin: Ein von der Mutter geschenkter Saphir-Ring ist in ihrem Koffer abgebildet und:
" die erste Gefangenenkarte von meinem Vater - weil wir nicht wussten, wo er abgeblieben war, hier in Berlin ist er in Gefangenschaft geraten - da haben wir nach einem Jahr 1946 die erste Rotkreuz-Karte bekommen - die Gefangenenkarte habe ich aufgehoben, dann hatte er - einmal einen geschnitzten Holzleuchter mitgebracht als Geschenk - es gab ja nichts mehr - der steht noch immer in der Wohnung rum. "
Fotos von den Eltern, Fundstücke vom Flohmarkt als Glücksbringer, eine Basttasche als Sinnbild für Sommerfrische - ein simples grünes Trinkglas aus der Klinik, in der der erste Sohn geboren wurde - die Botschaft der Dinge sind Mitteilungen über die Menschen. Elena, geboren 1971, braucht eine Wärmflasche nach wilden Parties, und das 500-Lire-Stück steht für ihre nicht ganz eindeutigen Wurzeln:
" … weil ich in Spanien geboren bin, nein in Buenos Aires, nein, die Mutter ist Deutsche, Vater Italiener; ja, spanisch und italienisch. "
Zu den jüngsten Befragten gehört Julia, die mit Jonglierbällen Stress abbaut. Bendte zeigt ihr "Lehreraustricksbuch", das sogar funktioniert, wie sie dazu erklärt. Und der 1992 geborene Lovis, der das Geschenk seiner Mutter - ein kleines Segelschiff mit roten Segeln - hergab, damit Sibylle Hoessner es fotografieren konnte: Ganz unscharf, wie manch andere der abgebildeten Dinge.
Sibylle Hoessner: " Ich hab das mit Absicht gemacht, weil das ein sehr intimes Porträt ist - von der jeweiligen Person, das verstärkt wird durch das geschriebene Wort, was jeder mitgeliefert hat, und habe diese Form der Fotografie gewählt, um einen bestimmten Abstand herzustellen - zu dem Betrachter und um etwas offen zu lassen. "
So ganz überzeugt das Argument der zu bewahrenden Intimität nicht. Immerhin haben sich die Menschen geöffnet, um die Signale der Dinge selbst zu entschlüsseln. Aber gelegentliche Unschärfe und gewollte Abstraktion gehören schließlich zu den ästhetischen Begleiterscheinungen der zeitgenössischen Fotografie vor fünf Jahren. Damals begann Sibylle Hoessner ihr Projekt - und reiste im Jahr 2002 - für zehn Monate mit den Koffern durch Europa; um danach zu fragen, ob Menschen in anderen Städten ähnliche Dinge aussuchen würden, die ihr Leben beschreiben. Eine Station hieß Sarajewo:
" Die Koffer wurden sehr gut angenommen, wobei sie danach ausgesucht wurden, welcher der praktischste ist - es ist ein Koffer dabei, wo'ne Bierflasche und Kampfübungen und'ne gewisse Art des Überlebenstrainings drin sind, das war der Lieblingskoffer in Sarajewo. "
Ein Videofilm, die 16-minütige Zusammenfassung von Interviews in neun europäischen Städten, ist nun der 15. Koffer. Erstaunlicherweise tauchte in ihm zum ersten Mal das Mobiltelefon auf, mit all den gespeicherten Telefonnummern von Freunden beispielsweise: fast liebevoll streicht ein junges Mädchen über die Tasten seines Telefons:
" All my friends numbers are in there - people call me - like all the time, i call people. "
Um den 15. Koffer zu packen, ist Sibylle Hoessner etwa 60.000 Kilometer gereist - für die Recherche zunächst allein am Steuer und natürlich mit ihrem eigenen Gepäck:
" Was auf jeden Fall drin ist, ist eine Kamera, ein Auto, und ein chinesischer Glücksbringer. "
Service:
Die Ausstellung "Luggage. Ein Fotoprojekt von Sibylle Hoessler" ist vom 7. Juli bis 14. August 2005 im Museum für Kommunikation, Berlin: "Luggage" in Berlin zu sehen.
Die Fotografien der kleinen - oder größeren, lieb gewonnenen Dinge von Deutschen zwischen acht und 78 Jahren präsentiert Sibylle Hoessner in 14 Holzkoffern. Sie stehen jetzt auf Handkarren im Museum für Kommunikation. Auch im Internet kann man einige Koffer betrachten. Dort ziehen sie über den Bildschirm wie auf einem Laufband am Flughafen.
Tableauartig zeigt die Fotografin in den aufgeklappten Koffern - jeweils 20 postkartengroße, farbige Fotos. Auch Nahaufnahmen vom Gesicht oder von den Händen ihrer Modelle hat sie zwischen die abgebildeten Dinge gesetzt. Keiner der Menschen ist berühmt, sondern steht beispielsweise für eine Generation. In einem zum Koffer gehörigen Buch kann der Besucher schließlich lesen, was die Dinge den Porträtierten bedeuten. Jochen, geboren 1945, hatte einen Aquarellpinsel, Laufschuhe, eine "Callas"-CD, einen Reisestein ausgesucht, um sein Leben zu beschreiben - und einen Ring. Der steht für:
" 27 Jahre Symbiose, aber auch loslassen können - keine Besitzansprüche auf den Partner - Raum für eigene Interessen und Interessen des Partners. "
Kurze Notizen oder auch ein paar ausführliche, persönliche Sätze lassen ein Bild der jeweiligen Menschen entstehen. Zu Britt, im Jahr 2000 50-jährig, gehört eine Lotusblüte - und eine geschliffene kleine Kristallkugel, die ihr Licht in die gelegentliche Finsternis bringt. Carl, geboren 1936, ist die tägliche Tageszeitung wichtig, und ein Kochbuch kann ihm so spannend sein wie ein Krimi, besonders, wenn es ein italienisches ist. Die älteste Teilnehmerin des Projektes ist Ingeborg, geboren 1922 in Berlin: Ein von der Mutter geschenkter Saphir-Ring ist in ihrem Koffer abgebildet und:
" die erste Gefangenenkarte von meinem Vater - weil wir nicht wussten, wo er abgeblieben war, hier in Berlin ist er in Gefangenschaft geraten - da haben wir nach einem Jahr 1946 die erste Rotkreuz-Karte bekommen - die Gefangenenkarte habe ich aufgehoben, dann hatte er - einmal einen geschnitzten Holzleuchter mitgebracht als Geschenk - es gab ja nichts mehr - der steht noch immer in der Wohnung rum. "
Fotos von den Eltern, Fundstücke vom Flohmarkt als Glücksbringer, eine Basttasche als Sinnbild für Sommerfrische - ein simples grünes Trinkglas aus der Klinik, in der der erste Sohn geboren wurde - die Botschaft der Dinge sind Mitteilungen über die Menschen. Elena, geboren 1971, braucht eine Wärmflasche nach wilden Parties, und das 500-Lire-Stück steht für ihre nicht ganz eindeutigen Wurzeln:
" … weil ich in Spanien geboren bin, nein in Buenos Aires, nein, die Mutter ist Deutsche, Vater Italiener; ja, spanisch und italienisch. "
Zu den jüngsten Befragten gehört Julia, die mit Jonglierbällen Stress abbaut. Bendte zeigt ihr "Lehreraustricksbuch", das sogar funktioniert, wie sie dazu erklärt. Und der 1992 geborene Lovis, der das Geschenk seiner Mutter - ein kleines Segelschiff mit roten Segeln - hergab, damit Sibylle Hoessner es fotografieren konnte: Ganz unscharf, wie manch andere der abgebildeten Dinge.
Sibylle Hoessner: " Ich hab das mit Absicht gemacht, weil das ein sehr intimes Porträt ist - von der jeweiligen Person, das verstärkt wird durch das geschriebene Wort, was jeder mitgeliefert hat, und habe diese Form der Fotografie gewählt, um einen bestimmten Abstand herzustellen - zu dem Betrachter und um etwas offen zu lassen. "
So ganz überzeugt das Argument der zu bewahrenden Intimität nicht. Immerhin haben sich die Menschen geöffnet, um die Signale der Dinge selbst zu entschlüsseln. Aber gelegentliche Unschärfe und gewollte Abstraktion gehören schließlich zu den ästhetischen Begleiterscheinungen der zeitgenössischen Fotografie vor fünf Jahren. Damals begann Sibylle Hoessner ihr Projekt - und reiste im Jahr 2002 - für zehn Monate mit den Koffern durch Europa; um danach zu fragen, ob Menschen in anderen Städten ähnliche Dinge aussuchen würden, die ihr Leben beschreiben. Eine Station hieß Sarajewo:
" Die Koffer wurden sehr gut angenommen, wobei sie danach ausgesucht wurden, welcher der praktischste ist - es ist ein Koffer dabei, wo'ne Bierflasche und Kampfübungen und'ne gewisse Art des Überlebenstrainings drin sind, das war der Lieblingskoffer in Sarajewo. "
Ein Videofilm, die 16-minütige Zusammenfassung von Interviews in neun europäischen Städten, ist nun der 15. Koffer. Erstaunlicherweise tauchte in ihm zum ersten Mal das Mobiltelefon auf, mit all den gespeicherten Telefonnummern von Freunden beispielsweise: fast liebevoll streicht ein junges Mädchen über die Tasten seines Telefons:
" All my friends numbers are in there - people call me - like all the time, i call people. "
Um den 15. Koffer zu packen, ist Sibylle Hoessner etwa 60.000 Kilometer gereist - für die Recherche zunächst allein am Steuer und natürlich mit ihrem eigenen Gepäck:
" Was auf jeden Fall drin ist, ist eine Kamera, ein Auto, und ein chinesischer Glücksbringer. "
Service:
Die Ausstellung "Luggage. Ein Fotoprojekt von Sibylle Hoessler" ist vom 7. Juli bis 14. August 2005 im Museum für Kommunikation, Berlin: "Luggage" in Berlin zu sehen.