Lichtspiele auf der Leinwand

07.08.2009
Wenn Richard Blank das Buch "Film & Licht" vor 30 Jahren geschrieben hätte, dann sähen einige seiner eigenen Filme anders aus. Der studierte Philosoph, der als Autor und Regisseur unter anderen mit Bernhard Wicki, UlrichWildgruber und Hannelore Schroth gearbeitet hat, gesteht am Ende seines neuen Buches ein, viel zu lange den klassischen Hollywoodregeln für möglichst natürliches Licht gefolgt zu sein. Aber was ist schon natürlich, was ist realistisch in einer so technischen Kunst wie dem Film? Welcher Reichtum tut sich auf, wenn man die Regelverstöße genießt und sich von den Lichtspielen der couragierten Hollywood-Außenseiter und Autorenfilmer bezaubern lässt!
Bei Nachtszenen muss das Licht von einer Feuerstelle, einer Lampe oder vom Mond herüberstrahlen, alle anderen Inszenierungsideen machen Kameraleute und Beleuchter nervös. Richard Blank erzählt am Beispiel seines Films "Matthäuspassion", wie er mit der weit verbreiteten Logik des Filmhandwerks zusammenstieß. Immer noch wird alles daran gesetzt, jungen Filmemachern beizubringen, wie sie die Effekte von natürlichen Lichtquellen simulieren können, um vergessen zu machen, dass man sich im Kino in einer vollkommen stilisierten Welt befindet. Dass das Kino von Beginn an mit Licht experimentierte, Figuren beispielsweise mit individuellen Lichtdramaturgien charakterisierte, ist durch den vorherrschenden realistischen Stil verloren gegangen.

Richard Blank lehrt auch an Filmhochschulen und kennt deren zumeist dürftige Handbibliotheken zum Thema Licht. Sein Buch verhehlt nicht, die Praktiker auf seine Seite ziehen zu wollen. Es ist in einem anschaulichen, persönlich gefärbten Duktus geschrieben und vor allem erklärt es Filmbeispiele nicht nur, es bietet sie als visuelles Anschauungsmaterial auf einer beigelegten DVD an. Der Autor arbeitet sich an den Lehrbüchern und Selbstäußerungen großer Kameraleute wie zum Beispiel Vilmos Zsigmond oder James Crabe ab und zieht die Berufsgeheimnisse von Beleuchtern wie Richmond Aguilar ("Easy Rider" u. a.) heran, um ein Bild davon zu vermitteln, wie Hollywood bis in die jüngste Filmgeschichte mit dem Erbe umgeht, das ihnen einst die Studiobosse als Regelwerk vorgaben. Der klassische "natürliche" Stil ist ein Kind des Kalküls, mit dem die großen Filmstudios vor 80 Jahren visuelle Experimente minimieren wollten – aus ökonomischen und künstlerischen Rationalisierungsgründen, wie Richard Blank darlegt.

Den Hauptteil seines Buches nehmen jedoch Kapitel zu exemplarischen Regisseuren ein, die die Faustregeln der Bosse über Bord warfen und eigene aufstellten. Robert Siodmak, Fritz Lang, F. W. Murnau und Max Ophüls werden anhand einiger ausgewählter Filme als die kreativen Hollywood-Mavericks erklärt, die sie waren. Es folgen ähnlich aufgebaute Untersuchungen zu Regisseuren der letzten 50 Jahre von Roberto Rossellini, Luis Buňuel, Robert Altman, Orson Welles und Martin Scorsese bis zu Lars von Trier und Wong Kar-Wei. Als Gegenentwurf zu den üblichen Lehrbüchern ist Blanks engagiertes Plädoyer für die Wahrnehmung des Filmlichts auch eine präzise Einführung in die Filmkunde.

Besprochen von Claudia Lenssen

Richard Blank: Film & Licht – Die Geschichte des Filmlichts ist die Geschichte des Films
Alexander Verlag Berlin, Berlin 2009
264 Seiten, DVD mit Filmbeispielen, 34,90 Euro