Lichtdurchflutete letzte Ruhestätte

Von Ulrike Greim |
Das lateinische Wort Kolumbarium heißt eigentlich Taubenschlag. Und wie Taubenschläge sehen sie auch häufig aus, diese Urnenfächer auf Friedhöfen oder in Katakomben. Aber diese Art der Beisetzung ist unüblich geworden. Platz und Geld sind nicht so knapp, dass man darauf zurückgreifen muss. In Erfurt aber hat gerade ein Kolumbarium neu eröffnet. Es wurde neu in eine katholische Kirche gebaut. Das Besondere daran ist, dass hier auch Protestanten und Nichtchristen ihre letzte Ruhe buchen können.
„Da ich unter anderem auch der Meinung bin, dass man dieses Thema Sterben und Tod wieder ein bisschen in die Stadt hinein bringen muss, da es ja doch auch für den Menschen wichtig ist, an so etwas denken zu können, war es mir eigentlich auch irgendwo ein Anliegen, in dieser Stadt wieder eine Begräbnisstätte einzurichten.“

Der Erfurter Weihbischof Reinhard Hauke ist immer für eine unkonventionelle Idee gut. Mit seiner Feier zur Lebenswende, einem kirchlichen Angebot für nichtchristliche Jugendliche, mit dem regelmäßigen Totengedenken auch für Kirchenfernstehende lehnte er sich schon weit aus dem kirchlichen Fenster. Nun hatte er wieder eine Idee, mit der er neben seinen Gemeindegliedern auch explizit Nichtchristen anspricht: eine Begräbnisstätte in einer Innenstadtkirche.

„Uns ist dann vor allem das neue Thüringer Bestattungsgesetz zu Hilfe gekommen, 2004 verabschiedet, indem ganz lapidar geschrieben steht: Urnenbestattungen sind in Kirchen grundsätzlich möglich. Punkt.“

Und da er für die Allerheiligenkirche, zwischen Fischmarkt und Domplatz gelegen, eh eine neue Nutzung suchte, traf es sich gut. Die Frage war nun: wie macht man das, Urnen würdig zu verwahren. Künstler haben im Rahmen eines Wettbewerbs Vorschläge eingereicht.

„Mein erster Gedanke war: Das darf nicht aussehen wie Schließfächer.“

Die Erfurter Künstlerin Evelyn Körber, setzte sich mit ihrem Entwurf von hellen Stelen durch. Sie setzte auf sandgestrahltes Glas. Denn der optische Eindruck soll Leichtigkeit vermitteln und Transparenz:

„Ich bin der Auffassung, dass es an dieser Stelle nicht unbedingt das Sinnvollste ist, mit viel Symbolik oder bildhaften Darstellungen zu arbeiten, sondern ganz praktisch die Lichtsituation und die räumliche Situation so zu schaffen, dass derjenige, der da rein tritt, einfach sich wohl fühlt, und diesen Gedanken erleben kann.“

Zwei Jahre wurde die Allerheiligenkirche saniert, und nun wirkt sie tatsächlich hell und freundlich. Wenn man hereinkommt, öffnen sich zwei Kirchenschiffe. Das rechte war und bleibt Gottesdienstraum mit Altar und Kirchenbänken. Im linken Schiff stehen die hellen Stelen. Beide Teile sind durch eine Glaswand abgetrennt, auf die dezent Bibelverse gedruckt sind.

„Die Stelen sollten auch bewusst sichtbar gehalten werden, weil Tod und Auferstehung zusammengehören. Und das soll hier auch dokumentiert werden.“

Christel Zschiegner hat im Auftrag des Bistums Erfurt den Bau des Kolumbariums organisiert. Es ist ihr interessantestes Projekt, sagt sie. Denn es gibt keine Vorbilder. Alles musste neu erdacht und gestaltet werden. Die 15 mannshohen Stelen zum Beispiel sind so konzipiert, dass auf jeder Etage Platz ist für 42 Urnen, das macht insgesamt 630 Stellplätze. Sie sind durchdacht bis in den Grundriss.

„Die Stelen habe alle eine Art Kreuzform. Und hier sieht man auch sehr schön, dass selbst die oberste Glasabdeckung durchsichtig ist. Sandgestrahlte, lichtdurchflutete Stelen sind möglich.“

Auf jedem Glasfenster stehen nur Namen und Daten der Verstorbenen. Die Kirche ist geöffnet, zumindest der Eingangsbereich. Touristen sind willkommen. Randalierer nicht. Eine Glaswand versperrt den Weg, aber nicht die Optik.

„Mit einer Magnetchipkarte, die programmiert ist, kann also der Angehörige hier rein gehen. Das ist aber nur für die, die hier ihre Angehörigen bestattet haben.“

Das Bistum lädt nun alle ein, sich hier die letzte Ruhestätte zu suchen. Katholiken wie Protestanten, sogar Nichtchristen. Für 1000 Euro ist es möglich. Weihbischof Reinhard Hauke sagt dazu kurz und knapp: das Heil Gottes schade den Nichtchristen nicht.

„Wir als Christen, die noch wissen, dass es diese Botschaft der Auferstehung gibt, versuchen durch einen Kirchenraum, in dem dieser Glaube auch Gestalt angenommen hat, Menschen für dieses Thema zu interessieren, oder zumindest zu konfrontieren und zum Nachdenken anzuregen, in wieweit das vielleicht auch mit ihrem eigenen Leben etwas zu tun haben könnte.“
„Es ist eine gewisse Geborgenheit. So ein Gefühl habe ich. Weil die Kirche eben so drumrum ist, dann. Das finde ich toll.“

Sieglinde Nüsslein hat schon gebucht. Sie ist 68 und vor vielen Jahren mit ihrem Mann aus der Kirche ausgetreten. Aber für das Kolumbarium haben sie sich angemeldet. Ihnen geht es um die Aussicht, mitten in der Stadt einen würdigen letzten Ort zu haben, der nicht mühsam gepflegt werden muss. Sie findet die Einladung des Bistums eine großzügige Geste. Auch ihr Mann Bernd war schnell einverstanden.

„Ja, ich war sehr angenehm überrascht, weil wir ursprünglich unter dem grünen Rasen bestattet werden wollten. Und nun haben wir eine Ruhestätte, wo wir nicht absolut anonym liegen.“

Bereits rund 170 der 630 Urnenplätze sind vergeben. Auch Projektleiterin Zschiegner hat sich und ihrer Familie Plätze reservieren lassen. Die 15. Stele ist meine, sagt sie.

„Es ist immer ein gepflegter Ort. Es ist ein würdiger und gepflegter Ort. Und man muss sich da keine Gedanken machen. Und man fühlt sich da heimisch. So geht's mir jedenfalls.“