Liane Bednarz zum Streit um "Loser-Stadt" Gera

"Ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich engagieren"

06:06 Minuten
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz
Der Publizistin Liane Bednarz zufolge solle man, anstatt Gera-Bashing zu betreiben, lieber die unterstützen, die sich dort gegen rechts engagieren. © picture alliance / dpa / Horst Galuschka
Moderation: Axel Rahmlow · 01.06.2019
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Ist Gera eine Loser-Stadt, aus der man als junger Mensch am besten wegziehen sollte? Das findet jedenfalls der Journalist Sergej Lochthofen angesichts des Wahlsiegs der AfD bei den Kommunalwahlen. "Unfassbar arrogant", meint die Publizistin Liane Bednarz.
"Gehen Sie aus Gera weg! Was wollen Sie in einer Stadt, die so regiert wird und die sich so weiterentwickelt?! Das ist eine Loser-Stadt!" Die heftige Reaktion des ehemaligen Chefredakteurs der "Thüringer Allgemeinen" Sergej Lochthofen auf den Wahlsieg der AfD bei den Kommunalwahlen in Gera hat viel Widerspruch hervorgerufen. Auch bei der Publizistin Liane Bednarz: "Was Herr Lochthofen da gesagt hat, wirkt unfassbar arrogant", sagte sie im Deutschlandfunk Kultur.
Vor allem, weil Lochthofen damit völlig die 70 Prozent ausblende, die in Gera nicht die AfD gewählt hätten: "Es ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich dort engagieren." Und das seien viele, betont Bednarz, die selbst im Rahmen einer Lesereise vor gut zwei Monaten Gera besucht hat. "Ich kenne viele Leute, die sich gegen rechts engagieren, ich habe selbst im evangelischen Gemeindehaus in Gera mein Buch über rechte Christen, also Christen mit Rechtsdrall, vorgestellt."
Sie verstehe Lochthofens Empörung über den Wahlsieg der AfD, so Bednarz weiter. Aber was solle das eigentlich heißen: "Stadt der Loser" und: "Zieht alle weg"?
"Ich meine, es gibt x Städte, da hat die AfD vielleicht nicht 30, aber 25 und mehr Prozent – sollen die jetzt alle verwaisen und alle ziehen da weg? Also, es ist schon eine gleichermaßen lebensfremde wie überhebliche Äußerung."
Sergej Lochthofen, sitzend am Mikrofon im Tonstudio
Journalist und Buchautor Sergej Lochthofen hat sich mit seinen öffentlichen Äußerungen zu Gera bei der lokalen Politik wenig Freunde gemacht.© Deutschlandradio / Guido Schiefer
Es müsse vielmehr darum gehen, die Kräfte vor Ort zu ermutigen, die sich gegen diesen Rechtsruck stemmen: "Es gibt nicht DIE Lösung gegen den Rechtsruck, und irgendwelche Reden werden daran auch nicht so viel ändern", sagt Bednarz. "Also, man kann im Grunde nur die Zivilgesellschaft vor Ort stärken und ermutigen, und dass die sich dann auch ganz konkret darum kümmern. Und das machen die Leute ja auch."
(uko)

Liane Bednarz, Jahrgang 1974, ist Juristin und Publizistin. Zahlreiche Veröffentlichungen in der "Tagespost", im "Tagesspiegel", in "Christ & Welt"/DIE ZEIT, im "European" und auf den Autoren-Blogs "Starke Meinungen" und "CARTA". 2014 wurde sie mit dem Feuilletonpreis "Goldener Maulwurf" ausgezeichnet. Sie lebt in Hamburg.

Die gesamte Sendung "Der Tag mit Liane Bednarz" hier zum Nachhören: Audio Player
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