"Leviathan" in Rot
Die Pariser Ausstellungsreihe "Monumenta" trägt ihren Titel nicht ohne Grund. Ein beeindruckendes Baudenkmal ist hier Rahmen für die Kunst: der Grand Palais. Jedes Jahr darf ein Künstler allein diesen Raum für die "Monumenta" bespielen. Nach Anselm Kiefer, Richard Serra und Christian Boltanski hat nun der indisch-britische Bildhauer Anish Kapoor die Herausforderung angenommen und seinen "Leviathan" erschaffen.
"Antiautoritäre Monstren" hat einmal jemand sehr treffend die Werke von Anish Kapoor genannt. Seine neue Plastik im Grand Palais hat er selbst nach einem Monster benannt, nach dem biblisch-mythologischen Seeungeheuer "Leviathan". Das Monster ist rot-violett, und es ist riesig. 37 Meter hoch, 100 Meter lang – ein Volumen von 72 000 Kubikmetern. Geformt aus einer PVC-Membran, die wie ein überdimensionaler Kaugummi prall aufgeblasen wurde, füllen drei gigantische lila-rote Kugeln den Raum unter dem Glasdach fast vollständig aus. Als sei Anish Kapoors Plastik ein Organ im Bauch des Grand Palais.
"Dieses Gebäude ist ein kegelstumpfartiges Kreuz. Die Form des 'Leviathan' ist eine runde Version davon. Drei kreisrunde Formen, die aus der Form des Gebäudes entstanden sind. So wollte ich einerseits das Gebäude verdunkeln und ich wollte es sozusagen umkrempeln. Das Innere nach außen kehren."
Den Ausstellungsbesuchern allerdings wird sich die äußere Form dieses Monsters nur allmählich erschließen. Sie werden nämlich erst einmal im riesigen Leib des "Leviathan" verschwinden. Denn der Eingang zur Ausstellung führt direkt hinein ins Innere des Objekts, wie Anish Kapoor sein Werk nennt. Wie Schiffbrüchige landen wir im Bauch des Wals, in einer dunkelroten Höhle, deren Dimensionen sich nur erahnen lassen.
Dass sich dieser mysteriöse Riesenuterus tatsächlich im Grand Palais befindet, darauf deuten nur die Schatten der Metallkonstruktion des Glasdaches hin, die sich – je nach Wetterlage und Lichteinfall – unterschiedlich klar an den roten Wänden abzeichnen.
"Dann musst Du erst mal raus aus dem Gebäude, um durch einen anderen Eingang wieder in die Ausstellungshalle zu kommen, in den Raum zwischen dem Objekt und dem Gebäude. Das sind zwei völlig unterschiedliche Erfahrungen. Du musst dir eine Art mentales Bild machen, um beides zusammenzubringen. Das ist überhaupt nicht offensichtlich. Innen und Außen unterscheiden sich so sehr. Da muss man sich anstrengen, um beides miteinander zu verbinden."
Anish Kapoors "Leviathan" zu besuchen, ist eine faszinierende fast schon mystische Erfahrung. Dieses Objekt ist ein überraschendes und verstörendes Monster, ein gigantisches Gebilde, das uns erst verschlingt und dann, von außen betrachtet, durch seine für den Einzelnen unübersehbare Größe fast erschlägt – und: es ist rot – rot wie unsere Eingeweide, wie das Blut Christi, wie das Feuer, wie die Liebe, wie die Gefahr… Wie der "Leviathan" in der politischen Philosophie von Thomas Hobbes symbolisiert dieses Monster aber auch einen allmächtigen Staat, in dem die individuelle Freiheit dem Streben nach Sicherheit geopfert wird.
Anish Kapoor hat seine Arbeit dem chinesischen Künstler Ai Wei Wei gewidmet, der Anfang April in Peking festgenommen wurde und seither verschwunden ist:
"Die Vorstellung, dass der Staat kritische Stimmen einfach verstummen lassen kann, die kritische Stimme eines Künstlers wie Ai Wei Wei – das ist entsetzlich. Ihn verschwinden zu lassen, wortlos, isoliert, ohne Anklageschrift – schrecklich ist das. Ich fühle mich deshalb sehr niedergeschlagen und denke, dass gerade ich dazu etwas sagen muss. Mein Land ist unmittelbarer Nachbar von China. Bald wird auch Indien so etwas tun. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir Künstler zusammenhalten, nicht nachgeben und uns lautstark füreinander einsetzen."
Service:
"Leviathan" von Anish Kapoor ist bis zum 23.6.2011 im Grand Palais in Paris zu sehen.
"Dieses Gebäude ist ein kegelstumpfartiges Kreuz. Die Form des 'Leviathan' ist eine runde Version davon. Drei kreisrunde Formen, die aus der Form des Gebäudes entstanden sind. So wollte ich einerseits das Gebäude verdunkeln und ich wollte es sozusagen umkrempeln. Das Innere nach außen kehren."
Den Ausstellungsbesuchern allerdings wird sich die äußere Form dieses Monsters nur allmählich erschließen. Sie werden nämlich erst einmal im riesigen Leib des "Leviathan" verschwinden. Denn der Eingang zur Ausstellung führt direkt hinein ins Innere des Objekts, wie Anish Kapoor sein Werk nennt. Wie Schiffbrüchige landen wir im Bauch des Wals, in einer dunkelroten Höhle, deren Dimensionen sich nur erahnen lassen.
Dass sich dieser mysteriöse Riesenuterus tatsächlich im Grand Palais befindet, darauf deuten nur die Schatten der Metallkonstruktion des Glasdaches hin, die sich – je nach Wetterlage und Lichteinfall – unterschiedlich klar an den roten Wänden abzeichnen.
"Dann musst Du erst mal raus aus dem Gebäude, um durch einen anderen Eingang wieder in die Ausstellungshalle zu kommen, in den Raum zwischen dem Objekt und dem Gebäude. Das sind zwei völlig unterschiedliche Erfahrungen. Du musst dir eine Art mentales Bild machen, um beides zusammenzubringen. Das ist überhaupt nicht offensichtlich. Innen und Außen unterscheiden sich so sehr. Da muss man sich anstrengen, um beides miteinander zu verbinden."
Anish Kapoors "Leviathan" zu besuchen, ist eine faszinierende fast schon mystische Erfahrung. Dieses Objekt ist ein überraschendes und verstörendes Monster, ein gigantisches Gebilde, das uns erst verschlingt und dann, von außen betrachtet, durch seine für den Einzelnen unübersehbare Größe fast erschlägt – und: es ist rot – rot wie unsere Eingeweide, wie das Blut Christi, wie das Feuer, wie die Liebe, wie die Gefahr… Wie der "Leviathan" in der politischen Philosophie von Thomas Hobbes symbolisiert dieses Monster aber auch einen allmächtigen Staat, in dem die individuelle Freiheit dem Streben nach Sicherheit geopfert wird.
Anish Kapoor hat seine Arbeit dem chinesischen Künstler Ai Wei Wei gewidmet, der Anfang April in Peking festgenommen wurde und seither verschwunden ist:
"Die Vorstellung, dass der Staat kritische Stimmen einfach verstummen lassen kann, die kritische Stimme eines Künstlers wie Ai Wei Wei – das ist entsetzlich. Ihn verschwinden zu lassen, wortlos, isoliert, ohne Anklageschrift – schrecklich ist das. Ich fühle mich deshalb sehr niedergeschlagen und denke, dass gerade ich dazu etwas sagen muss. Mein Land ist unmittelbarer Nachbar von China. Bald wird auch Indien so etwas tun. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir Künstler zusammenhalten, nicht nachgeben und uns lautstark füreinander einsetzen."
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"Leviathan" von Anish Kapoor ist bis zum 23.6.2011 im Grand Palais in Paris zu sehen.