Leuchtturm ohne Wissen?

Von Verena Herb · 18.11.2008
Die Wirtschaft in Hamburg boomt, nicht zuletzt aufgrund des Hafens. Aktuelles Beispiel: Mitten in der Stadt entsteht ein neuer Stadtteil. Die HafenCity. Schick, modern, imposant. Die Stadt ist im Wandel. Gilt das auch für die Wissenschaft? 16 Hochschulen, 300 Studiengänge, 29 Forschungseinrichtungen. Quantitativ hat die Hansestadt an Bildungseinrichtungen einiges zu bieten. Doch wie steht es um die Qualität? Stehen auch die "Leuchttürme der Wissenschaft" nah an der Küste, und sind wegweisend in Forschung und Lehre?
Der Weg zu DEM Fachbereich, der Hamburgs Uni in die erste Liga bringen soll, führt durch den Von-Melle-Park zum Allende-Platz, dem Zentrum des Universitätsviertels in Hamburg-Eimsbüttel. Vis-a-vis von Kino und Kaffees steht einer der Schwerpunkte der Exzellenz-Offensive der Hamburger Universität.

Gildemeister; "Das ist das Institut für Bodenkunde, von außen gerade wie von Christo verpackt ..."

... beschreibt Benjamin Gildemeister, der Vorsitzende des Hamburger AstA das Gebäude, dessen Fassade komplett hinter weißen Planen verschwindet. Ein Kunstwerk, könnte man meinen, würden nicht Stahlgerüste und Bauschutt vor dem Eingang stören:

Gildemeister: "Es wird gerade von außen ein bisschen saniert, weil die meisten Fenster von innen schon eingefallen waren, oder so dünn waren, dass sie kurz vorm Einfallen waren. Das Problem ist nur, dadurch, dass man nun dickere Fenster einbaut, ist wiederum innen die Lüftung nicht mehr gegeben.. weil die Fenster vorher so schön dünn und kaputt waren, dass das Gebäude gut durchgelüftet wurde. Also ein Problem jagt das nächste. Aber was von außen noch nett und witzig aussieht, ist von innen kaum noch zu ertragen."

Lautes Brummen empfängt den Besucher. Woher es kommt, ist schwer zu sagen. Der Studentenvertreter führt durch das Gebäude, über vergilbtes Linoleum vorbei an wasserfleckigen Decken und verschrammten Schulbänken aus Holz.

Gildemeister: "In diesem Gang, in dem nicht nur Gerümpel steht sondern auch irgendwelche Maschinen bollern, sind tatsächlich die Spitzenforscher zugange und untersuchen Bodenproben auf C-Isotope wie hier in diesem Labor."

Ein Blick durchs Sichtfenster in der Tür: Glaskolben und Pipetten liegen auf altertümlich anmutenden Tischen, Monitore und Rechner erinnern eher an einen schlechten Science-Fiction Film der 60er Jahre, als an Hochtechnologie und Spitzenklasse.

Gildemeister: "Ist natürlich schwierig, wenn die Uni sich jetzt um renommierte Forscher bewirbt, und die dann hierher kommen und ihren zukünftigen Arbeitsplatz sehen wollen, dann müssen die die hier durchführen. Das ist schwierig."

Schwierig ist noch diplomatisch ausgedrückt. Die Universitätspräsidentin Monika Auweter-Kurtz findet da deutlichere Worte. Sie schämt sich gar, wenn sie internationale Gäste durch die Gebäude führen muss. Denn das Institut für Bodenkunde ist nicht das einzige, für das man sich schämen könnte.

Auweter-Kurtz: "Ein Teil der Gebäude ist abrissreif, kann man ganz klar sagen. Andere Gebäude sind nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügend und müssen grundsaniert werden. Das fängt bei der Fassade an, wir haben Gebäude, da fällt ihnen buchstäblich die Fassade auf den Kopf. Und geht über die Inneneinrichtung weiter, beispielsweise unser sogenannter WiWi-Bunker für die Wirtschaftswissenschaftlen."

Gundelach: "Ja sicher sagt das auch etwas darüber aus, welchen Stellenwert eine Hochschule in einer Stadt hat, wenn der Zustand der Gebäude nicht so ist, wie er tatsächlich sein sollte. Das bedeutet letztendlich, dass in den letzten Jahren zu wenig investiert worden ist."

Herlind Gundelach ist seit Mai dieses Jahres Senatorin für Wissenschaft und Forschung in Hamburg. Die Christdemokratin ist politisch zuständig für die 17 Hochschulen (davon sind 8 in der Trägerschaft des Stadtstaates) und 29 Forschungseinrichtungen, die sich in der Hansestadt angesiedelt haben. Dass die Universität Hamburg, die immerhin 70 Prozent des Hochschulstandortes Hamburgs - gemessen an der Studentenzahl ausmacht - in solch einem desaströsen Zustand ist, führt sie auf die Geschichte der Hansestadt zurück. Hamburg sei nun mal eine Kaufmannsstadt. Ganz so einfach sieht Dieter Läpple, emeritierter Professor für Stadt- und Regionalökonomie an der HafenCity Universität, dies nicht:

Läpple: "Die Uni war immer ein wenig geliebtes Kind, das man immer stiefmütterlich behandelt hat. Die notwendigen Investitionen wurden selten getätigt. Und das hat auf Dauer verhängnisvolle Folgen."

Seit Jahren beschäftigt er sich mit diesem Thema: In Hamburg habe nie ein Klima existiert, in dem die Wissenschaft als wichtiger Bereich wahr genommen wurde.

Läpple: "Wenn wir zurückschauen: Die Handelskammer hat jahrhundertelang die Gründung einer Universität abgelehnt... Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Initiativen zur Gründung einer Universität. Die Handelskammer war der Meinung: Hamburg braucht keine Universität. Hamburg hat andere ökonomische Perspektiven."

Die Handelskammer steht hier stellvertretend für die damalige Hamburger Kaufmannschaft. Und in der Tat: Lange stand die Vorstellung, die Freie und Hansestadt Hamburg solle Sitz einer Universität sein, außerhalb der Diskussion. Zum Lernen war die Schule da, anschließend das Kontor einer Handelsfirma. Man wurde Kaufmann, mehr Sozialprestige war in Hamburg nicht denkbar. Gleichwohl gab es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts weitsichtige Kaufleute, die der Auffassung waren: Die Hansestadt brauche eine Universität. Und in der ersten demokratisch gewählten Bürgerschaft nach dem 1. Weltkrieg wurde am 28. März 1919 die Gründung der Hamburger Universität beschlossen. Am 10. Mai desselben Jahres wurde sie mit vier Fakultäten eröffnet.

Zu einem systematischen Ausbau kam es jedoch erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Einer der Rektoren war Ende der 50er Jahre der Nationalökonom Karl Schiller, ein Sozialdemokrat. Von ihm stammt der Grundsatz, der – so hört man, nichts von seiner Berechtigung und Aktualität verloren hat.

"Man muss den Hamburgern immer wieder zeigen, dass sie eine Universität haben."

Fast ein halbes Nachkriegsjahrhundert regierte die SPD: In dieser langen Zeit gelang es nicht, die Universität Hamburg in der Spitzengruppe der deutschen Hochschulen zu positionieren. Trotz hervorragender Leistungen in Teilbereichen langte es im besten Fall nur bis zum Mittelfeld. Das war nicht nur, aber auch eine Folge der sozialdemokratischen Hochschulpolitik, die den Begriff Elite als Anforderungsprofil für Forschung und Lehre stets mit einem negativen Vorzeichen versah.

Schmidt-Trenz: "Nun, das war eine spezielle Zeit eines speziellen Zeitgeistes – aus den 68er Unruhen hinaus... Wir hatten einen starken Linksdrall, möchte ich mal sagen."

... analysiert Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer der Hamburger Handelskammer, die Gemengelage jener Zeit.

Schmidt-Trenz: "Und die Wirtschaft ist hier eher als Feind, nicht als Freund betrachtet worden. Und das hat zu einer Entfernung voneinander geführt. Und wir müssen diese Distanzen heute wieder zusammenführen."

Schmidt-Trenz hat es sich zum Ziel gesetzt, die Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft zu verbessern.

Schmidt-Trenz: "Bei dieser Zusammenarbeit ist die Hamburger Universität von ganz besonderer Bedeutung. Denn wenn man alle Hochschulen und ihre Forschungskapazitäten und Professorenkapazitäten zusammenzieht, dann erkennt man dass die Hamburger Universität 70 Prozent des gesamten Hochschulstandortes Hamburg ausmacht. Das heißt, das Thema ist es vor allen Dingen, diesen Saurier auf die Beine zu bringen und aufzuschließen für die Zusammenarbeit."

Dass es Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft geben soll unterstützt Dieter Läpple und verweist da auf bereits existierende Beispiele der Technischen Universität Hamburg-Harburg oder der HafenCity Universität.

Läpple: "Aber in der Handelskammer muss erst noch ein Geist entstehen, der begreift, wie wichtig und bedeutsam überhaupt der Ausbau der Uni ist, und dass man sich auch dazu bekennen muss, dass man bestehende Prioritäten neu bestimmen und relativieren muss."

Bestehende Priorität – das ist in der Hansestadt der Hafen. Dessen ist sich Wissenschaftssenatorin Gundelach im Klaren:

Gundelach: "Hamburg hat sich ganz klar auf den Hafen und seine Entwicklung konzentriert, was auch nachvollziehbar ist. Denn der Hafen Hamburg hat ja in den letzten Jahren massiv geboomt. Aber es kommt eben zunehmend die Erkenntnis, dass neben dem Hafen auch andere Bereiche wichtig sind für die Zukunftsfähigkeit der Stadt."

Genau so sieht es auch die Rektorin der Uni, Monika Auweter-Kurz:

Auweter-Kurtz: "Hamburg ist sehr stark auf seinen Hafen fokussiert. Das ist auch richtig, der Hafen gehört zur Stadt. Aber auch die Uni gehört zur Stadt und auch zum Hafen. Andererseits ist die Metropole Hamburg auch so groß, dass man sich im Klaren sein muss, dass der Hafen alleine die Metropole Hamburg nicht ernährt und nicht genügend Arbeitsplätze bietet."

Dieter Läpple geht noch weiter:

Läpple: "Der Hafen kann die Zukunft Hamburgs nicht sichern. Die Beschäftigungspotentiale, die Wertschöpfungspotentiale des Hafens sind deutlich zurückgegangen. Die Umschlagszahlen sind explodiert. Und gleichzeitig sind die Beschäftigungsanteile deutlich gefallen. Man ist hinter einer irrsinnigen Konkurrenz her, Rotterdam einholen zu wollen; wo Rotterdam längst dabei ist, die Abhängigkeit der Stadt vom Hafen zu reduzieren, um in Wissenschaft und Ausbildung zu reduzieren."

Man müsse sich mit anderen Stadtregionen vergleichen – und da, so der Professor, falle Hamburg weit ab. Ein Beispiel, an dem sich dies messen ließe, sei der Anteil der akademischen Ausbildung an der Beschäftigung:

Läpple: "Der liegt in Hamburg bei ungefähr zwölf Prozent. In München und Stuttgart liegt er bei 24 Prozent: Wenn wir die Städte nehmen, mit denen sich Hamburg immer gerne misst, wie Helsinki, Amsterdam, Dublin: dann liegt er dort zwischen 30 und 40 Prozent. Und da wird deutlich, dass wir inzwischen eine ganz große Schwäche haben."

Bisher habe man versucht, dieser Schwäche dadurch zu begegnen, dass man Leute "importiert" habe, so Läpple. Doch das würde auf Dauer nicht mehr funktionieren. Handelskammer-Geschäftsführer Schmidt-Trenz stimmt harmonischere Töne an:

Schmidt-Trenz: "Eine Stadt wie Hamburg, die weltweites Renommee als Hafenstadt genießt, die allerdings auch darauf angewiesen ist, exzellenter Wissenschaftsstandort zu sein, die muss natürlich mindestens zwei Eisen im Feuer haben, die sie schmiedet. Und insofern kann es hier nicht um ein "entweder oder" sondern muss es um ein "sowie als auch" gehen. Und eine Weltstadt, die zweitgrößte Stadt der drittgrößten Industrienation der Welt muss dies auch leisten können. Darüber kann es gar keinen Zweifel geben."

Doch um das Ziel zu erreichen, den Stellenwert der Universität innerhalb des Stadtgefüges zu heben, müsse ein neues Bewusstsein geschürt werden, so Dieter Läpple.

Läpple: "Erst wenn die Stadtgesellschaft begriffen hat, wie wichtig die Ausbildung ist, wie wichtig Wissenschaft ist, auch für die einzelnen Menschen aber auch für die Ökonomie Hamburgs, dann denke ich, dass es dann auch eine Veränderung geben wird."

Er bekommt Unterstützung von der Handelskammer:

Schmidt-Trenz: "Wenn dieses öffentliche Bewusstsein entsteht, und das muss vorgelebt werden, dann glaube ich auch erst, werden wir hier einen nachhaltigen Durchbruch erreichen bei der Unterstützung unserer Hochschuleinrichtungen. Die Politik muss das Thema Forschung und Technologie auf die politische Tagesordnung rücken und oben belassen. Das muss infolge dessen thematisiert werden."

Da sind sich der Wirtschaftler und der Wissenschaftler also einig. Das Image der Uni verbessern – das steht auch bei der Hochschulpräsidentin ganz oben auf der Agenda:

Auweter-Kurtz: "Wir haben Ziel und Ehrgeiz, unser Image zu verbessern. Es ist klar, dass es hier durchaus noch Verbesserungsbedarf gibt. Andererseits hat man uns durchgehend bescheinigt, dass wir hanseatisch sind. Das bedeutet für mich, dass man den Eindruck hat, dass unsere Uni in unsere Stadt passt. Und das finde ich doch schon einen hervorragenden Standpunkt."

Standpunkt – das ist das Stichwort für die Diskussion, die in den letzten Wochen das Thema "Hochschullandschaft in Hamburg" dominiert. Oder vielmehr: Standort. Denn aufgrund des maroden Zustands vieler Universitätsgebäude auf dem Campus, wird nun auch die Möglichkeit einer Umsiedlung in den Hafen diskutiert. Neben der Möglichkeit von Neubau und Komplettsanierung bereits bestehender Gebäude, lässt Wissenschaftssenatorin Gundelach auch dies prüfen.

Gundelach: "Ich favorisiere gar nichts. Für mich steht am Schluss das Modell zur Entscheidung an, dass mir aus den Parametern, die wir untersuchen, zusichern, dass die Funktionsfähigkeit und Zukunftsfähigkeit der Hochschule sicherstellt. Ich bin da überhaupt nicht festgelegt."

Auweter-Kurtz indes spricht sich beherzt für die Umzugspläne aus, was bei der Wirtschaft nicht so gut ankommt. Denn mit ihr habe die Universität noch nicht das Gespräch gesucht, so der Handelskammer-Geschäftsführer:

Schmidt-Trenz: "Ich glaube, die derzeitige Hochschulleitung, der wir natürlich alles gute wünschen, ist noch nicht richtig in HH angekommen im Sinne von: Wir sind eine Weltstadt, aber letztendlich doch sitzen wir hier alle in einem Kessel zusammen. Hier muss miteinander gesprochen werden. Und wir haben hier auch ganz klare Wirtschaftsinteressen, die für das Wohl der Stadt von elementarer Bedeutung sind, über 160.000 Arbeitsplätze hängen vom Hafen ab. Da kann man nicht so leichtfertig drüber hinweggehen. Und sozusagen durch Nichtkommunikation meinen, Dinge bewegen zu können. So geht es leider nicht."

Ist man sich auch einig, dass die Universität in Hamburg gestärkt und mehr in den Fokus des öffentlichen und politischen Interesses gerückt werden muss – der Widerstreit zwischen Hafen und Hochschule, hier wird er deutlich. Zwar zeigt sich auch Dieter Läpple skeptisch, was einen Umzug in den Hafen angeht, auch wenn diese Vorstellung verlockend sei:

Läpple: "Hier wäre Voraussetzung wirklich, dass Hamburg sich ganz eindeutig zur Universität, zur Wissenschaft und Forschung bekennt. Und damit auch eine neue Universitäts- und Wissenschaftslandschaft aufbaut. Die Voraussetzungen wären natürlich sehr gut: Wir hätten dann im Süden die technische Universität in Harburg, wir hätten dann im jetzigen Überseezentrum Teile der Universität, die HafenCity Uni in der HafenCity, und dann noch Teile der Uni im Von-Melle-Park... wir hätten dann eine Wissenschaftsachse gewissermaßen im Zentrum von Hamburg."

Zurück auf dem Uni Campus am Von-Melle-Park. Benjamin Gildemeister glaubt nicht, dass es zu einem Komplettumzug der Uni kommen wird:

Gildemeister: "Ich denke, die einzig realistische Lösung ist eine Neugestaltung des Campus hier in Eimsbüttel. Ich halte zwar den Umzug auch für ne charmante Idee in gewisser Hinsicht – glaube aber einfach, dass es unrealistisch ist und wenig zielführend, da viel drauf zu investieren. Weil die Situation am Hafen einfach noch gar nicht so weit ist, dass man da ne Uni hinbauen kann. Weil hier in Eimsbüttel unglaublich viel noch im Umfeld dranhängt an der Universität, was mitgenommen werden müsste. Und man da extrem gewachsene Strukturen wirklich zerstören müsste."

Dass etwas passiert – ob nun Grundsanierung, Teil- oder Komplettumzug – dessen ist sich der Germanistikstudent sicher. Zumindest hofft er ...

Gildemeister: "Wir können bemerken, dass es sowohl von der Politik im einen, ob die bereit sind Geld reinzustecken und zu investieren, als aber auch an den internen Hochschulstrukturen liegt, ob man da wirklich bereit ist, auch neue Wege zu gehen, Strukturen mal aufzubrechen, neu zu investieren und neu umzudenken. Wenn das passiert, hat Hamburg auch ne Chance da auf nem guten Weg zu sein. Und ich glaube, dass wir da gerade an so einer Weichenstellung sind."

Gundelach: "Ich habe schon den Eindruck, dass eine Trendwende im Denken eingesetzt hat. Und die Diskussion, die wir jetzt gerade über die Gebäude führen, zeigt mir auch ganz deutlich, dass die Hamburger über die Bedeutung einer Hochschule in der Stadt nachdenken."

Bis zum April 2009 will die Wissenschaftsbehörde prüfen, welche Möglichkeiten für die Universität Hamburg in Frage kommen.


Uni Rostock
Von Almuth Knigge

Leuchtturm ohne Wissen? Verena Herb berichtete aus der Hansestadt Hamburg. Etwa 180 Autobahnkilometer liegen sie auseinander, Hamburg und Rostock, die beiden Hansestädte. Und wie weit sind sie als Universitätsstädte voneinander entfernt? In Kilometern lässt es sich schwer ausdrücken, dies legt jedenfalls der Beitrag von Almuth Knigge nahe.

"Wir wollen also fröhlich sein" - das berühmteste Trinklied der Studenten gibt es schon seit dem Mittelalter. Ungefähr genauso lange gibt es auch die Uni Rostock, die Alma Mater Rostochiensis, die älteste Universität im Ostseeraum, Nordeuropas.

Krüger: "1419 wird die Universität Rostock gegründet weil bürgerliche Oberschichten ihren Söhnen eine akademische Ausbildung zukommen lassen wollen, einmal im Recht, weil man das im Handel braucht aber auch für nachgeborene Söhne in der Theologie, damit die gute Geistliche werden."

Für das Uni-Jubliäum in elf Jahren forscht der Historiker Kersten Krüger in den Archiven, und sein Gesicht hat schon fast die Farbe der alten Folianten angenommen. Ulrich von Hutten, Tycho Brahe, Heinrich Schliemann, Uwe Johnson, Joachim Gauck - alle haben sie in Rostock studiert. In der letzten Zeit ist die Liste der berühmten Absolventen ziemlich klein geworden, auch wenn die Zahl der Studierenden mit 14.000 in diesem Semester ein Rekordhoch erreicht hat. Zahl verdoppelt seit der Wende.

Es lebe die Akademie, es leben die Professoren, sie sollen immer in Blüte stehen. Ein frommer Wunsch, in Rostock kaum zu erfüllen. Ausgerechnet die Juristen, die nach der Wende in einen alten Plattenbau abgeschoben wurden, mussten dran glauben. Die Gründungsfakultät – dicht gemacht. Allerdings - Transport und Seerecht, die Spezialität in Rostock, kann man immer noch studieren. Aber - man braucht und will keine 100 Volljuristen mit der Befähigung zum Richteramt, wenn im Land selber pro Jahr nur zehn eine Stelle finden können. Frivol – fand das vor zwei Jahren der damalige Rektor Hans Jürgen Wendel – und prophezeite, wenn das Land nicht mehr in Bildung investiere …

Wendel: "Dann sind wir in 20 Jahren ein Kartoffelacker mit Strand."

Er ging – im Streit - und nicht freiwillig

Es lebe auch der Staat, und wer ihn regiert, es lebe die Fürsorge der Mäzene, die uns hier beschützt. Die vorletzte Strophe des Studentenliedes klingt fast ein wenig zynisch angesichts der Rostocker Situation. Die Uni sucht nach Profil – nach Einzigartigkeit – und bekommt demnächst erstmal eine Corporate Identity. Die erste Interdisziplinäre Fakultät Deutschlands hat sie schon. Schwerpunkte, jetzt mal grob gesagt und vielleicht auch ein wenig verkürzt: Alles mit Wasser - und das Altern. In Rostock gibt es auch das Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Wasser und Alte Menschen - das passt super zu Mecklenburg-Vorpommern.