Letzter Urwald Europas in Gefahr

Dieser Wald ist "unser Diamant und unsere Perle"

Eine Gruppe von Öko-Aktivisten hockt verteilt über eine abgeholzte Fläche des Bialowieza-Waldes. Im Hintergrund stehen noch Bäume.
Naturschützer protestieren gegen die Abholzung im Naturschutzgebiet Bialowieza. © dpa / Jan A. Nicolas
Von Margarete Wohlan · 10.08.2017
Polen lässt Teile des Urwalds in Bialowieza abholzen - trotz eines Verbots der EU. Die Bevölkerung vor Ort ist empört - auch darüber, dass der Streit zwischen Brüssel und Warschau über ihre Köpfe hinweg ausgetragen wird.
Miroslaw Romaniuk ist Landrat in dem Landkreis, über den in letzter Zeit so viel berichtet wird. Hier liegt der Urwald Białowieża mit seinen drei Bestandteilen: dem UNESCO-Weltnaturerbe, dem Nationalpark und dem Nutzwald. Förster, Umweltschützer, der polnische Umweltminister und die EU streiten erbittert. Das bereitet dem 50-jährigen Landrat Sorgen – und deshalb hat er an die Berater der UNESCO einen Brief geschrieben:
"Ich würde mir wünschen, dass man diesen Urwald von außen schützt, d.h. Einheiten innerhalb der EU sollten sich hier engagieren. Und damit könnten wir ein Vorbild sein dafür, wie man die Umwelt und die Menschen zusammenbringen und gleichzeitig den Urwald schützen kann. Denn er ist unser Schatz, unser Diamant und unsere Perle!"

Niemand spricht mit der Bevölkerung

Miroslaw Romaniuk spricht aus, was sich jeder hier in Białowieża wünscht – was aber bei dem Streit vergessen wird: dass man mit der Lokalbevölkerung sprechen sollte und nicht nur über sie.
"Der Urwald Białowieża– das sind vor allem die Menschen hier", sagt Andrzej Skiepko, Vize-Bürgermeister der Stadt Hajnówka, 20 Kilometer vom Nationalpark Białowieża entfernt. "Sie haben diesen Urwald immer schon geliebt und gepflegt, um ihn zu erhalten- und Ihnen sollte man zuhören!"
Der Wald von Białowieża ist etwa 150.000 Hektar groß und liegt zu einem Drittel in Polen, zu zwei Dritteln in Weißrussland. Nur etwa ein Drittel des polnischen Teils steht unter strengem Naturschutz nach polnischem Recht und ist vor menschlicher Nutzung geschützt – das ist das bekannte Herzstück des Nationalparks "Białowieża". In der Berichterstattung wird jedoch alles in einen Topf geworfen.

Umweltschützerin im Wald von Białowieża:

Piotr Banaszuk, lokaler Umweltschützer und Vorsitzender des Regionalrates für Umweltschutz, wird dennoch nicht müde, diesen Unterschied zu betonen:
"Im Grunde ist der größte Teil von Białowieża Nutzwald! Er wurde vor etwa 100 Jahren mit Setzlingen bepflanzt, mit dem Ziel, dass diese Bäume irgendwann gefällt werden. Das Problem ist: Die lokalen Förster wollen immer noch in diese Richtung marschieren – aber in der Zwischenzeit ist etwas sehr Wichtiges passiert: Der Urwald von Białowieża wurde UNESCO-Weltnaturerbe, nicht wahr?! Und das verändert die Perspektive total! Ich wäre sehr dafür, dass das gesamte Gebiet den Nationalpark-Status erhält und damit bestimmte Sachen verboten werden – wie Bäume fällen. Aber darüber müssen wir reden – damit dieser Wald im größeren Masse geschützt wird als bisher."

"Wir brauchen einen Runden Tisch"

Maciej Zywno wäre schon zufrieden, wenn wenigstens die Betroffenen miteinander reden würden. Der 40-Jährige stammt aus einer Förster-Familie, war im Umweltschutz aktiv – und ist als Marszal der betroffenen Wojewodschaft Podlasie der zweitwichtigste Mann der Region.
"Wir müssen sofort aufhören mit dem Bäumefällen und uns mit allen Beteiligten an einen Runden Tisch setzen – damit ist Polen schon einmal gut gefahren! Unser Umweltminister Szyszko hat die Ursünde begangen, die Ökologen und Experten nicht nach Białowieża reinzulassen – dadurch hat er auch die Chance verpasst, mit ihnen gemeinsam zu entscheiden, ob der Kampf gegen die Borkenkäfer, so wie er jetzt geführt wird, effizient ist oder nicht! Und dadurch wird ein ökologischer Konflikt zu einem gesellschaftlich-politischen – das aber ist das Schlimmste, was uns passieren kann."
Landrat Mirek Romaniuk hat die Berater der UNECSO nach Białowieża eingeladen. Sie sollten sich den Schaden durch den Borkenkäfer anschauen und mit allen beteiligten Seiten darüber reden. Noch wartet er auf eine Antwort aus Brüssel.
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