Lesestoff für Cineasten

Der Regisseur Volker Schlöndorff ist einer der Väter des neuen deutschen Films, er hat 35 Filme gemacht und ist mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt worden. In seinen Memoiren "Licht, Schatten und Bewegung" wirft er mit viel Humor einen Blick auf sein Schaffen zurück.
Wir haben es geahnt: Hinter den Bildern eines Films verbergen sich immer die persönlichen Dinge des Lebens, die Lehrmeister, Freunde und Herausforderer eines Regisseurs, die Reibereien mit seinen Stars und dem Tross, der das Filmgeschäft erst möglich macht. Volker Schlöndorffs Memoiren "Licht, Schatten und Bewegung" handeln von der Leidenschaft, am schönen Schein des Kinos zu arbeiten, hinter dessen Oberfläche immer die Obsessionen aller Beteiligten mitarbeiten. Im Rückblick gesehen, können sich solche Hintergrundgeschichten, wenn sie gut erzählt sind, zu Fundstücken voller Zeitkolorit verdichten. Volker Schlöndorff beherrscht diese Kunst mit koketter Ironie.

Kurz vor seinem bevorstehenden siebzigsten Geburtstag nutzte er eine Pause, in die ihn der Rauswurf seines Produzenten aus dem lange vorbereiteten Filmprojekt "Die Päpstin" zwang, um seine Tagebücher, Privatfotos und Produktionsnotizen, vor allem die Anekdotenschätze seiner Erinnerung zu sortieren. Gelassen und stilsicher lässt Volker Schlöndorff seine prägenden Lebensstationen Revue passieren.

35 Filme, zumeist internationalen Produktionen, drehte er, zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Goldene Palme für die Robert-Musil-Verfilmung "Die Verwirrungen des Zöglings Törless" und den Oscar für die Günter-Grass-Adaption "Die Blechtrommel" gewann er. Volker Schlöndorff ist einer der Väter des neuen deutschen Films, das in den sechziger Jahren das restaurative Kino der Nachkriegszeit ablöste. Man hielt ihm jedoch immer vor, keine persönliche Handschrift zu haben, weil er das Drehbuchschreiben anderen überließ und oft auf literarische Vorlagen zurückgriff. Kritik und Publikum reagierten kühl, wenn er im Lauf der Jahre angestrengtes Kunstkino machte wie beispielsweise in "Homo Faber" nach Max Frisch, "Eine Liebe von Swann" nach Marcel Proust oder "Tod eines Handlungsreisenden" nach Arthur Miller. Auch die historisch-politischen Filme "Der neunte Tag" und "Straijk" und der jüngste Film, das kasachisch-französische Psychomärchen "Ulzahn" blieben kleine Arthaus-Erfolge. Umstritten auch Volker Schlöndorffs Engagement als Manager der ehemaligen Defa-Studios in Potsdam-Babelsberg, die nach der Wende an einen französischen Konzern verkauft worden waren.

Die Memoiren folgen dem Auf und Ab der Karriere wie einem Lebensfaden, der ohne innere Kontinuität und persönliche Integrität nicht zu denken wäre. Seine Jugend als Sohn eines hessischen Landarztes und wildes Halbwaisenkind im Chaos der unmittelbaren Nachkriegszeit, seine Schuljahre in einem französischen Jesuiteninternat und im Pariser Elite-Gymnasium Henri IV, das Eintauchen des ehrgeizigen, wenn auch gehemmten Jungintellektuellen in die Pariser Bohème, vor allem seine Lehrjahre bei Alain Resnais, Louis Malle und Jean-Pierre Melville sind ihm als amüsante Charakterporträts gelungen. Niederlagen in seiner künstlerischen Arbeit, seinen Freundschafts- und Liebesbeziehungen vermag Volker Schlöndorff selbstbewusst, melancholisch, nie larmoyant zu schildern.

Mit mokanten Schlaglichtern auf die Talente, Marotten und Tricks seiner Schauspieler und Regiekollegen hält er nicht hinter dem Berg.

Man muss kein Fan von Volker Schlöndorffs Filmen sein, um Lesevergnügen mit seinem Buch zu finden. Man hätte ihm wegen einiger Irrtümer in den Daten und Fakten ein Lektorat gewünscht, doch sein klarer Blick auf die alles andere als glamourösen Entstehungsbedingungen von Filmen sind ein angenehmes Beispiel Cineasten-Literatur.

Rezensiert von Claudia Lenssen

Volker Schlöndorff: Licht, Schatten und Bewegung - Mein Leben und meine Filme
Hanser Verlag, München 2008
472 Seiten, 22,10 Euro