Leselernhelferin Margret Schaaf

„Lesen ist die Grundvoraussetzung für jegliches Lernen“

34:13 Minuten
Porträt von Margret Schaaf, Vorsitzende des Bundesverbands Leselernhelfer. Sie hat braune, schulterlange Haare, trägt eine randlose Brille und lächelt in die Kamera.
Engagiert sich für Kinder und Jugendliche: Margret Schaaf, Vorsitzende des Bundesverbands Leselernhelfer. © MENTOR
Moderation: Marco Schreyl · 28.01.2022
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Tausende Schülerinnen und Schüler in Deutschland brauchen Hilfe beim Lesenlernen. Den Schulen fehlen oft die Kapazitäten, um die Freude am Lesen zu wecken. Ehrenamtliche Leselernhelfer springen ein – Margret Schaaf organisiert sie.
Erstklässlerinnen, die das Lesen nicht lernen oder Zweitklässler, die es wieder verlernen: Unterrichtsausfall und Distanzunterricht während der Coronapandemie haben ihren Tribut gefordert.
Doch schon in vorpandemischen Zeiten sei die Lage düster gewesen, sagt Margret Schaaf, Vorsitzende des Bundesverbands Leselernhelfer. Nur in 30 Prozent der Familien in Deutschland werde mit Kindern im Vorschulalter gelesen. Das habe gravierende Folgen.

Das Problem ist groß

„Jeder fünfte Viertklässler kann nicht sinnentnehmend lesen“, sagt die 64-Jährige. Das setze sich fort: Zwanzig Prozent der Fünfzehnjährigen könnten nur auf Grundschulniveau lesen. „Wenn das Lesen so viele Probleme macht, dann liest man auch nicht gerne.“
Margret Schaaf setzt sich als 1. Vorsitzende von MENTOR – Die Leselernhelfer Bundesverband dafür ein, den Kindern die Freude am Lesen näherzubringen: Mit tausenden Mentorinnen und Mentoren, die „von Kiel bis Rosenheim“ ehrenamtlich in die Schulen gehen und eine Stunde pro Woche mit je einem Grundschulkind gemeinsam lesen.

Kleiner Wortschatz, wenig Phantasie

Es gehe darum, Kinder früh für Geschichten zu interessieren. Mit Vorschulkindern Bilderbücher zu betrachten und darüber zu sprechen forme bereits den Wortschatz, sagt die studierte Romanistin und Sozialwissenschaftlerin. „Kinder, die das im Vorschulalter nicht haben, kommen mit einem ganz geringen Wortschatz und mit ganz wenig Phantasie in die Schule, und das fehlt ihnen dann als Basis.“
Lesen sei „die Grundvoraussetzung für jegliches Lernen“, ist Schaaf überzeugt. Um den Nachwuchs für das Lesen zu gewinnen, gehen die Mentorinnen und Mentoren auf die Interessen der Kinder ein, suchen gemeinsam Lesestoff aus und hätten auch keine Probleme damit, mal den "Kicker" zu lesen.
In ihrem Wohnort Hürth engagiert sich Schaaf bereits seit vielen Jahren in der Leselernhilfe, seit 2013 ist sie Vorsitzende des Bundesverbands. Damals hatte der Verband 28 Mitgliedsvereine, heute sind es 105.

Die Großmutter setzte den Impuls

Aufgewachsen in einem Dorf bei Düren, sei sie selbst von ihren Eltern – die Mutter Verkäuferin, der Vater Dreher – gefördert worden, doch „den Impuls hat die Großmutter gesetzt“. Für die Oma, die als zwölftes Kind einer Bauernfamilie in den 1920er-Jahren eine Berufsausbildung absolvierte, habe früh festgestanden, „dass ich aufs Gymnasium gehen würde“.
Den Erfolg der Lesementoren macht Schaaf einerseits an den Ergebnissen des Programms fest: Neun von zehn teilnehmenden Grundschülern verbesserten ihr Leseverständnis deutlich, berichtet sie. Die Kinder schätzten überdies sehr die Eins-zu-eins-Betreuung, die das Programm mit sich bringe.
„Ich messe den Erfolg aber auch daran, wie viele Menschen mitmachen“, sagt die Rheinländerin. Bei 12.000 ehrenamtlichen Lesehelferinnen bundesweit sei die „Weitergabe der Lesefreude an die jüngeren Menschen“ ganz offenbar ein großes Anliegen.
(era)
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