Lesbischer Liebesroman mit Happy End

Rezensent: Tilman Krause · 20.06.2005
Die Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt, hat Oscar Wilde einmal die gleichgeschlechtliche Liebe genannt, und auch in Patricia Highsmith' erstaunlich offenem Roman über eine Liebe zwischen Frauen, der 1952 erschien, kommt das Wort "lesbisch" nicht vor.
Die Autorin, zur Zeit der Niederschrift gerade durch ihr Debüt "Zwei Fremde im Zug" als Verfasserin einer klassischen "suspense novel" bekannt geworden, wollte ihren frisch erworbenen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen und veröffentlichte diesen ihren zweiten Roman denn auch unter dem Pseudonym Claire Morgan. Dennoch wurde "Salz und sein Preis" mindestens so bekannt wie der von Alfred Hitchcock verfilmte Vorgänger und erfuhr alsbald eine Auflage in Millionenhöhe.

Als die Highsmith 1984 das Geheimnis lüftete und den Roman nun unter ihrem richtigen Namen erschienen ließ, bekannte sie in ihrem Vorwort, bis auf den heutigen Tag erhalte sie noch wöchentlich Briefe von dankbaren Leserinnen. Offenbar hat die Lektüre von "Salz und sein Preis" Tausenden lesbischer Frauen die Zunge gelöst und Mut gemacht, dem eigenen Eros gemäß zu leben.

Der Roman erzählt in der von Patricia Highsmith gewohnten Eingängigkeit und Schlackenlosigkeit die Geschichte von Therese und Carol. Letztere, eine verheiratete Frau und Mutter einer kleinen Tochter, lernt in den Weihnachtstagen 1948 die 21-jährige Landpomeranze Therese kennen, die eigentlich Bühnenbildnerin werden will, aber jetzt vorübergehend in der Spielwarenabteilung eines großen New Yorker Warenhauses arbeitet. Für die noch sehr unsichere Therese ist es die Liebe auf den ersten Blick. Bei Carol dauert es etwas länger.

Ohnehin ist die ältere kein besonders warmherziger Mensch, und in dem Zusammenprall dieser denkbar unterschiedlichen Naturen, der lebenserfahrenen, kühlen Älteren und der liebebedürftigen, anschmiegsamen Jüngeren, liegt denn auch nicht zuletzt der Reiz dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Es ist im Übrigen eine Geschichte mit Hindernissen. Erst ganz allmählich kann sich Carol, die zu diesem Zwecke eine längere Reise durch die Staaten mit Therese unternimmt, aus ihren emotionalen Bindungen lösen und sich Therese öffnen.

Auch Therese muss ihr Leben ändern und zum Beispiel Richard, einen etwas tumben Sohn russischer Einwanderer, abschütteln, der sie heiraten will. Nach mancherlei Hindernissen, die vor allem durch Carols Mann vor den beiden liebenden Frauen aufgetürmt werden, finden Carol und Therese aber dann doch zusammen – der erste lesbische Roman der Weltliteratur (!), der gut ausgeht. Sehr zurückhaltend und gar nicht sensationshascherisch erzählt, ist er jetzt im Rahmen der vorzüglich kommentierten Patricia-Highmsith-Werkausgabe des Diogenes-Verlages in einer Neuübersetzung von Melanie Walz wieder verfügbar.

Patricia Highsmith: Salz und sein Preis
Roman, Übersetzt von Melanie Walz
Diogenes 2005