Lernender und Lehrender
Matthias Kirschnereit hat zwei Berufungen: das Klavierspiel und die Lehre. Immer wieder verneigt sich die professionelle Musikkritik vor ihm, spendet Lob in Superlativen. Seit Ende der 90er Jahre ist der Pianist auch Professor an der Hochschule für Musik und Theater in Rostock.
"Ich konzertiere sehr viel, reise sehr viel, bin immer sehr viel unterwegs. Und ich habe eben im Grunde diese beiden Berufe – das Unterrichten und das Konzertieren. Und ich glaube, dass das – wenn man beides sehr ernst nimmt -natürlich immer eine schwierige Balance ist – dass sich das aber trotzdem sehr gut gegenseitig befruchtet."
Matthias Kirschnereit, ist nicht nur gefragter Konzertpianist, sondern auch einer der seine Begeisterung für die Musik weiter geben will: Seit bald zehn Jahren als Professor der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, die im aufwändig restaurierten und modernisierten Franziskaner-Kloster residiert.
"Ich leite hier die Klavierabteilung, habe eine ganz wundervolle Klasse mit wundervollen Studenten, sehr international, sehr viele internationale Preisträger auch darunter."
Wenn er spricht, unterstreichen die Hände gestenreich das Gesagte. Mit seinen großen dunklen Augen wirkt er vertrauenserweckend, ein einfühlsamer Intellektueller, man ahnt, warum so viele angehende Pianisten sich nur unter seiner "Obhut" ans Klavier setzen wollen. Auf vier Studienplätze kommen jedes Jahr rund 100 Bewerber. Da bleiben oft für die zehn/fünfzehn Minuten Vorspiel dem Lehrenden nur sein Instinkt für das ganz große Talent und den Bewerbern die Hoffnung, wenigstens auf die Warteliste gesetzt zu werden.
"Ich bin an einer sehr offenen, lernbereiten, neugierigen Persönlichkeit interessiert, die auch Lust hat, sich diesem steinigen Weg hinzugeben. Und ich muss diese ganz tiefe Liebe zur Musik und diese Hingabe spüren. Wenn man die nicht hat und dieses innere Feuer nicht hat, sollte man diesen Weg nicht einschlagen."
Matthias Kirschnereit, geboren 1962 im westfälischen Dorsten, hat selbst einen "steinigen Weg" zurückgelegt, der ihn buchstäblich in die Wüste führte. Denn als Kind war der Pastorensohn mit seiner Familie in den 70er Jahren nach Namibia gegangen - in die ehemalige Kolonie Deutsch Südwest-, wo sein Vater bald zum Bischof gewählt wurde. Oft begleitete er ihn auf Visitationsreisen und lernte dabei sowohl Natur und weite Landschaften lieben als auch die Apartheid der südafrikanischen Gesellschaft und Deutschtümelei seiner Klassenkameraden hassen.
Mit elf entdeckt er seine Liebe zur Musik. Rockmusiker will er zunächst werden. Erst mit der Pubertät keimt der Pianistenwunsch. Schnell begreift er, dass er im Wüstenland Namibia auch in der kulturellen Wüste lebt. Also kehrt er mit 14 allein zurück nach Deutschland. An der Musikhochschule Detmold bekommt er einen Platz – und dazu gleich noch eine Klavierlehrerin, die sich um ihn wie eine Mutter kümmert. Als er die Doppelbelastung Schule/Musikhochschule nicht "stemmt", verlässt er mit 16 die Schule, um sich nur noch der Musik zu widmen. Und er kapiert, wie hoch die internationale Messlatte für junge Pianisten liegt, die es zu überspringen gilt – und er spring! Der Preis, den er zu bezahlen hat, heißt – wie er selbst einmal schrieb - "Mühselig viele, viele Steine klopfen". Und vereinsamen.!
"Gerade wir Pianisten: Immer allein im stillen Kämmerlein! Wir haben die meisten Töne von allen Instrumenten zu spielen. Wir haben mit Abstand das größte Repertoire. Und wir sind natürlich am autarksten; wir sind ein Instrument, was wirklich alleine vollwertig existiert. Das Klavier kann alleine existieren. Und man muss auch von seiner Persönlichkeitsstruktur ... man soll zwar kein Eremit sein und nicht im Elfenbeinturm leben, aber man muss die Fähigkeit haben als Pianist, sich wirklich stundenlang am Tag zurückzuziehen, um sich mit der Musik auseinander setzen zu können."
Nach mehr als 20 Jahren harter Arbeit gilt er in seiner Pianisten-Generation als einer der Besten. Nicht zufällig ist er es gewesen, der mit den Bamberger Symphonikern zum Mozartjahr alle Klavierkonzerte Mozarts eingespielt hat. Aber auch als Interpret von Rachmaninow oder Mendelssohn hat er auf allen fünf Kontinenten von sich reden gemacht. Und wie schätzt er sich selbst ein?
"Es gibt bestimmt Pianisten, die schneller und lauter spielen können als ich. Es gibt Pianisten, die bestimmte Komponisten vielleicht verrückter spielen können als ich. Man kann nur versuchen, sich treu zu bleiben. ... Und bei bestimmten Komponisten bin ich inzwischen sehr überzeugt, dass das, was ich mache, seine Berechtigung hat im absoluten internationalen Topvergleich. ... Aber es wird immer Leute geben, die sagen ‚Das gefällt mir nicht’. Dafür wird es aber auch Leute geben, die sagen ‚Genau dein Mozart, dein Schumann, dein Brahms – so muss es gespielt werden’. ... Sie müssen überzeugend und authentisch sein und aufregend natürlich. Kunst muss vital sein ... Und man muss es mit innerem Leben füllen."
Matthias Kirschnereit sagt von sich, er sei kein Intellektueller. Sein Zugang zur Klaviermusik ebenso wie seine Arbeit als Hochschullehrer seien rein intuitiv. Aber jeder, der ihm begegnet, merkt schnell: Dieser Mann will gerne über Musik reden. Nicht auf eine belehrende oder analytische Art, sondern über die menschlichen Aspekte. Die menschlichen Aspekte von beidem: dem Konzertieren, aber mehr noch dem Unterrichten.
"... das innere Feuer! Das ist Grundvoraussetzung. Das können sie auch als innere Message bezeichnen."
Und er betont den Willen zum gemeinsamen lebenslangen Lernen für sich und seine Studierenden als Voraussetzung seiner pädagogischen Arbeit.
"Ich selbst betrachte mich als Lernenden und werde das hoffentlich noch mein Leben lang tun. Denn das Schöne an der Auseinandersetzung mit Musik ist ja auch, dass das ein nie abgeschlossener Prozess ist. Wenn ich heute ein Konzert habe und in der kommenden Woche dasselbe Stück wieder spiele, bin ich vielleicht nicht auf dramatische Weise ein anderer Mensch. Aber es ist doch ein anderer Umstand, ein anderer Saal, vielleicht ein andres Orchester ... und man gewinnt den Werken immer noch neue Facetten ab."
""Insofern sehe ich mich auf dem Wege genau wie ich die Studenten auf dem Wege sehe. Ich bin ein paar Jährchen älter und sehe mich sozusagen als freundschaftlichen Berater und Hilfesteller. Oder sagen wir mal so: ‚als Gärtner’."
Matthias Kirschnereit, ist nicht nur gefragter Konzertpianist, sondern auch einer der seine Begeisterung für die Musik weiter geben will: Seit bald zehn Jahren als Professor der Hochschule für Musik und Theater in Rostock, die im aufwändig restaurierten und modernisierten Franziskaner-Kloster residiert.
"Ich leite hier die Klavierabteilung, habe eine ganz wundervolle Klasse mit wundervollen Studenten, sehr international, sehr viele internationale Preisträger auch darunter."
Wenn er spricht, unterstreichen die Hände gestenreich das Gesagte. Mit seinen großen dunklen Augen wirkt er vertrauenserweckend, ein einfühlsamer Intellektueller, man ahnt, warum so viele angehende Pianisten sich nur unter seiner "Obhut" ans Klavier setzen wollen. Auf vier Studienplätze kommen jedes Jahr rund 100 Bewerber. Da bleiben oft für die zehn/fünfzehn Minuten Vorspiel dem Lehrenden nur sein Instinkt für das ganz große Talent und den Bewerbern die Hoffnung, wenigstens auf die Warteliste gesetzt zu werden.
"Ich bin an einer sehr offenen, lernbereiten, neugierigen Persönlichkeit interessiert, die auch Lust hat, sich diesem steinigen Weg hinzugeben. Und ich muss diese ganz tiefe Liebe zur Musik und diese Hingabe spüren. Wenn man die nicht hat und dieses innere Feuer nicht hat, sollte man diesen Weg nicht einschlagen."
Matthias Kirschnereit, geboren 1962 im westfälischen Dorsten, hat selbst einen "steinigen Weg" zurückgelegt, der ihn buchstäblich in die Wüste führte. Denn als Kind war der Pastorensohn mit seiner Familie in den 70er Jahren nach Namibia gegangen - in die ehemalige Kolonie Deutsch Südwest-, wo sein Vater bald zum Bischof gewählt wurde. Oft begleitete er ihn auf Visitationsreisen und lernte dabei sowohl Natur und weite Landschaften lieben als auch die Apartheid der südafrikanischen Gesellschaft und Deutschtümelei seiner Klassenkameraden hassen.
Mit elf entdeckt er seine Liebe zur Musik. Rockmusiker will er zunächst werden. Erst mit der Pubertät keimt der Pianistenwunsch. Schnell begreift er, dass er im Wüstenland Namibia auch in der kulturellen Wüste lebt. Also kehrt er mit 14 allein zurück nach Deutschland. An der Musikhochschule Detmold bekommt er einen Platz – und dazu gleich noch eine Klavierlehrerin, die sich um ihn wie eine Mutter kümmert. Als er die Doppelbelastung Schule/Musikhochschule nicht "stemmt", verlässt er mit 16 die Schule, um sich nur noch der Musik zu widmen. Und er kapiert, wie hoch die internationale Messlatte für junge Pianisten liegt, die es zu überspringen gilt – und er spring! Der Preis, den er zu bezahlen hat, heißt – wie er selbst einmal schrieb - "Mühselig viele, viele Steine klopfen". Und vereinsamen.!
"Gerade wir Pianisten: Immer allein im stillen Kämmerlein! Wir haben die meisten Töne von allen Instrumenten zu spielen. Wir haben mit Abstand das größte Repertoire. Und wir sind natürlich am autarksten; wir sind ein Instrument, was wirklich alleine vollwertig existiert. Das Klavier kann alleine existieren. Und man muss auch von seiner Persönlichkeitsstruktur ... man soll zwar kein Eremit sein und nicht im Elfenbeinturm leben, aber man muss die Fähigkeit haben als Pianist, sich wirklich stundenlang am Tag zurückzuziehen, um sich mit der Musik auseinander setzen zu können."
Nach mehr als 20 Jahren harter Arbeit gilt er in seiner Pianisten-Generation als einer der Besten. Nicht zufällig ist er es gewesen, der mit den Bamberger Symphonikern zum Mozartjahr alle Klavierkonzerte Mozarts eingespielt hat. Aber auch als Interpret von Rachmaninow oder Mendelssohn hat er auf allen fünf Kontinenten von sich reden gemacht. Und wie schätzt er sich selbst ein?
"Es gibt bestimmt Pianisten, die schneller und lauter spielen können als ich. Es gibt Pianisten, die bestimmte Komponisten vielleicht verrückter spielen können als ich. Man kann nur versuchen, sich treu zu bleiben. ... Und bei bestimmten Komponisten bin ich inzwischen sehr überzeugt, dass das, was ich mache, seine Berechtigung hat im absoluten internationalen Topvergleich. ... Aber es wird immer Leute geben, die sagen ‚Das gefällt mir nicht’. Dafür wird es aber auch Leute geben, die sagen ‚Genau dein Mozart, dein Schumann, dein Brahms – so muss es gespielt werden’. ... Sie müssen überzeugend und authentisch sein und aufregend natürlich. Kunst muss vital sein ... Und man muss es mit innerem Leben füllen."
Matthias Kirschnereit sagt von sich, er sei kein Intellektueller. Sein Zugang zur Klaviermusik ebenso wie seine Arbeit als Hochschullehrer seien rein intuitiv. Aber jeder, der ihm begegnet, merkt schnell: Dieser Mann will gerne über Musik reden. Nicht auf eine belehrende oder analytische Art, sondern über die menschlichen Aspekte. Die menschlichen Aspekte von beidem: dem Konzertieren, aber mehr noch dem Unterrichten.
"... das innere Feuer! Das ist Grundvoraussetzung. Das können sie auch als innere Message bezeichnen."
Und er betont den Willen zum gemeinsamen lebenslangen Lernen für sich und seine Studierenden als Voraussetzung seiner pädagogischen Arbeit.
"Ich selbst betrachte mich als Lernenden und werde das hoffentlich noch mein Leben lang tun. Denn das Schöne an der Auseinandersetzung mit Musik ist ja auch, dass das ein nie abgeschlossener Prozess ist. Wenn ich heute ein Konzert habe und in der kommenden Woche dasselbe Stück wieder spiele, bin ich vielleicht nicht auf dramatische Weise ein anderer Mensch. Aber es ist doch ein anderer Umstand, ein anderer Saal, vielleicht ein andres Orchester ... und man gewinnt den Werken immer noch neue Facetten ab."
""Insofern sehe ich mich auf dem Wege genau wie ich die Studenten auf dem Wege sehe. Ich bin ein paar Jährchen älter und sehe mich sozusagen als freundschaftlichen Berater und Hilfesteller. Oder sagen wir mal so: ‚als Gärtner’."