Lernen von Thomas von Aquin
Für Hans Conrad Zander ist Thomas von Aquin (1224–1274) der "größte Theologe der katholischen Kirche" und "einer der offensten Geister der europäischen Geschichte". Von Thomas lernen, heißt denken lernen – und ein Christentum mit Verstand entwickeln.
"Dummheit ist Sünde" lautet daher der pointierte Titel des knapp hundertseitigen Büchleins. Er geht zurück auf einen Satz in Thomas’ "Summa contra Gentiles". Diese vierbändige "Summe gegen die Heiden" wendet sich an alle gebildeten Nichtchristen des 13. Jahrhunderts und gegen die Faulheit eines Denkens mit konfessionellen Scheuklappen.
Das Streben nach Wissen und Wahrheit beginnt mit dem Staunen. Staunen setzt Offenheit voraus – für die kleinen und großen Dinge der Welt. Es gibt in Zanders Augen jedoch "so etwas wie katholische Dummheit". Ein Schelm, wer an die jüngsten Vorgänge rund um den Vatikan denkt.
Zander denkt an den Umgang mit Schriften des Thomas von Aquin in katholischen Kreisen. "Zuerst schwören alle einmütig, dann schwören alle einmütig ab." Das erläutert der ehemalige Dominikaner ebenso süffisant wie pointiert in seiner gut dreißigseitigen Hinführung zu Leben, Werk und Wirkung des 1323 Heiliggesprochenen.
Vor 80 Jahren kam kein katholischer Theologiestudent an Thomas von Aquin vorbei. Papst Pius XI. ermahnte 1923 in einer Enzyklika die Professoren der Theologie und Philosophie, sie sollten ihren Unterricht in allen Punkten nach der Lehre, Methode und den Grundsätzen "des Engelgleichen Lehrers" gestalten und diese "heilig halten".
Vom päpstlich empfohlenen Thomismus fehlt heute jede Spur. Vorbei, so Zander, sei die Zuchtmeisterei "ideologischer Konformität im katholischen Ghetto". Selbst Dominikaner absolvieren heute Studienprüfungen, ohne je "ihren Thomas" studiert zu haben. Doch kippt man das Kind mit dem Bade aus. Daher dieses Büchlein!
In seiner "wilden dominikanischen Jugendzeit" hat Zander die Werke des Thomas von Aquin studiert. "Auf lateinisch." Verstanden habe er das Wenigste. Das ist gewiss untertrieben. Immerhin: Die Faszination am Menschenbild ist Zander geblieben. Und die spürt man auf jeder Seite des kleinen Bändchens.
Dessen Kern macht ein fiktives Interview aus. Auf gut 40 Seiten stellt Zander dem gelehrten Bettelmönch 100 "moderne Fragen". Menschsein, Selbstfindung und Sexualität sind ebenso Themen wie Glaube und Moral, Bibel und Kirche. Die Antworten, meist aus der "theologischen Summe" des Thomas von Aquin, sind mitunter provokant, bisweilen amüsant. Drei Beispiele:
Zander erfährt von Thomas, dass dieser die Sexualität sehr schätzt. Der Journalist bohrt nach, man könne Sünden des Fleisches doch nicht leugnen. Thomas kontert: Sünden des Geistes sind schlimmer!
Auf die Frage, warum der Mensch Unterhaltung und Spiel brauche, um gesund zu bleiben, zitiert der große Theologe einen Vergleich des Wüstenvaters Johannes. Schießt man pausenlos Pfeile mit einem Bogen, zerbricht der Bogen. Ebenso ist es mit dem Geist des Menschen. Auch der würde brechen, "wenn seine Spannung niemals nachließe".
Wenn Zander fordert: "Nenne uns eine Sünde des Geistes!" ist die lapidare Antwort des Heiligen nahezu kabarettreif: "Manche sind sogar auf ihre Demut stolz."
Wer am Ende der kurzweiligen und lehrreichen Lektüre auf den Geschmack gekommen ist, findet auf neun Schlussseiten kommentierte Lesetipps für den ersten kleinen Hunger. Sollte der wachsen, bietet das umfangreiche Werk des Kirchenlehrers genügend Nahrung für Geist und Verstand, Seele und Gemüt.
Rezensiert von Thomas Kroll
Hans Conrad Zander: "Dummheit ist Sünde". Thomas von Aquin im Interview mit Hans Conrad Zander
Patmos Verlag, Düsseldorf 2009
95 Seiten, 9,90 Euro
Das Streben nach Wissen und Wahrheit beginnt mit dem Staunen. Staunen setzt Offenheit voraus – für die kleinen und großen Dinge der Welt. Es gibt in Zanders Augen jedoch "so etwas wie katholische Dummheit". Ein Schelm, wer an die jüngsten Vorgänge rund um den Vatikan denkt.
Zander denkt an den Umgang mit Schriften des Thomas von Aquin in katholischen Kreisen. "Zuerst schwören alle einmütig, dann schwören alle einmütig ab." Das erläutert der ehemalige Dominikaner ebenso süffisant wie pointiert in seiner gut dreißigseitigen Hinführung zu Leben, Werk und Wirkung des 1323 Heiliggesprochenen.
Vor 80 Jahren kam kein katholischer Theologiestudent an Thomas von Aquin vorbei. Papst Pius XI. ermahnte 1923 in einer Enzyklika die Professoren der Theologie und Philosophie, sie sollten ihren Unterricht in allen Punkten nach der Lehre, Methode und den Grundsätzen "des Engelgleichen Lehrers" gestalten und diese "heilig halten".
Vom päpstlich empfohlenen Thomismus fehlt heute jede Spur. Vorbei, so Zander, sei die Zuchtmeisterei "ideologischer Konformität im katholischen Ghetto". Selbst Dominikaner absolvieren heute Studienprüfungen, ohne je "ihren Thomas" studiert zu haben. Doch kippt man das Kind mit dem Bade aus. Daher dieses Büchlein!
In seiner "wilden dominikanischen Jugendzeit" hat Zander die Werke des Thomas von Aquin studiert. "Auf lateinisch." Verstanden habe er das Wenigste. Das ist gewiss untertrieben. Immerhin: Die Faszination am Menschenbild ist Zander geblieben. Und die spürt man auf jeder Seite des kleinen Bändchens.
Dessen Kern macht ein fiktives Interview aus. Auf gut 40 Seiten stellt Zander dem gelehrten Bettelmönch 100 "moderne Fragen". Menschsein, Selbstfindung und Sexualität sind ebenso Themen wie Glaube und Moral, Bibel und Kirche. Die Antworten, meist aus der "theologischen Summe" des Thomas von Aquin, sind mitunter provokant, bisweilen amüsant. Drei Beispiele:
Zander erfährt von Thomas, dass dieser die Sexualität sehr schätzt. Der Journalist bohrt nach, man könne Sünden des Fleisches doch nicht leugnen. Thomas kontert: Sünden des Geistes sind schlimmer!
Auf die Frage, warum der Mensch Unterhaltung und Spiel brauche, um gesund zu bleiben, zitiert der große Theologe einen Vergleich des Wüstenvaters Johannes. Schießt man pausenlos Pfeile mit einem Bogen, zerbricht der Bogen. Ebenso ist es mit dem Geist des Menschen. Auch der würde brechen, "wenn seine Spannung niemals nachließe".
Wenn Zander fordert: "Nenne uns eine Sünde des Geistes!" ist die lapidare Antwort des Heiligen nahezu kabarettreif: "Manche sind sogar auf ihre Demut stolz."
Wer am Ende der kurzweiligen und lehrreichen Lektüre auf den Geschmack gekommen ist, findet auf neun Schlussseiten kommentierte Lesetipps für den ersten kleinen Hunger. Sollte der wachsen, bietet das umfangreiche Werk des Kirchenlehrers genügend Nahrung für Geist und Verstand, Seele und Gemüt.
Rezensiert von Thomas Kroll
Hans Conrad Zander: "Dummheit ist Sünde". Thomas von Aquin im Interview mit Hans Conrad Zander
Patmos Verlag, Düsseldorf 2009
95 Seiten, 9,90 Euro