Leptin-Babykost

Eine britische Forschergruppe um Michael Cawthorne (University of Buckingham) will Muttermilchersatz, Babynahrung und Hundefutter mit dem Hormon Leptin anreichern, um so bei Kindern und Haustieren Übergewicht zu vermeiden. Nach seinen Worten sollen diese Produkte "bald" im Supermarkt erhältlich sein – zumindest hofft er das.
Hintergrund: Leptin ist ja schon länger bekannt und soll das Hungergefühl unterdrücken. Die Gruppe verabreichte trächtigen Ratten sowie dem Nachwuchs während der Säugeperiode das Leptin und siehe da, der Nachwuchs blieb schlank, ein ganzes Leben lang – auch dann, wenn er richtig fettes Futter bekam und mehr fraß. Die Tiere wandelten die Nahrungsenergie in Körperwärme um und legten sie nicht in Form von Fettreserven an. Zudem war die Blutzuckerkontrolle beim weiblichen Nachwuchs verbessert. Die Forscher sind überzeugt, dass es sich hier um den gleichen Effekt handelt wie beim Menschen: Auch da gibt es zahlreiche schlanke, groß gewachsene Menschen, denen man hoch dosiert die Kalorien reinstopfen kann – und sie nehmen einfach nicht zu. Dürre Menschen essen erfahrungsgemäß mehr als dicke, weil sie nicht über die nötigen isolierenden Fettschichten verfügen, um den Körper vor Wärmeverlusten zu bewahren.

Leptin ist ein alter Bekannter, er gehört zu den großen Enttäuschungen der Pharmaindustrie. Seine Entdeckung wurde erst als wissenschaftlicher Durchbruch gefeiert. Doch die anfängliche Hoffnung, den ersehnten Schalter am Gewichtsregler gefunden zu haben, machte Ernüchterung Platz. Denn außer ein paar ganz wenigen Dicken, die einen Erbschaden im Leptin-Gen haben (und denen man, ähnlich wie Diabetikern, die Insulin spritzen, mit Leptingaben helfen kann), bringt es den allermeisten Übergewichtigen rein gar nichts. Bitter enttäuscht waren vor allem die Aktionäre der Biotechnikfirma "Amgen". Sie hatte einer Universität schon mal 20 Millionen Dollar für die Rechte an dem Wundermittel gezahlt. Leptin reihte sich alsbald in die lange Liste von wertlosen "Schlankheitshormonen" ein, einfach deshalb, weil das Gewicht vom Körper genau und zur Sicherheit mit mehreren Systemen kontrolliert wird.

Warum ist die Hoffnung diesmal größer? Weil man glaubt, den "Trick" gefunden zu haben. Nicht die stete Einnahme wirkt, sondern der richtige Zeitpunkt. Er liegt entweder in der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt. In den nächsten Schritten wird man wohl mit anderen Versuchstieren arbeiten und versuchen, den Zeitpunkt der "hormonellen Verdrahtung" etwas genauer zu bestimmen. Ob es dann allerdings beim Menschen wirkt, ist nach wie vor offen. Die Hoffnung ist verständlich.

Merkwürdigerweise spricht in diesem Zusammenhang niemand von potenziellen Nebenwirkungen, davon, ob es richtig ist, den Körper von Kindern mit Hormonen zu designen. Dann folgen vermutlich auch Bodybuilder-Drogen im Kindergarten, um den Jugendlichen Schönheitsoperationen zu ersparen. Wie sieht es mit der Lebenserwartung aus? Im Alter leben dickere Menschen bekanntlich länger als schlanke, einfach deshalb weil sie im Falle eines Falles, zum Beispiel bei einem längeren Krankenhausaufenthalt, mehr zuzusetzen haben. Aber hier lockt die Hoffnung auf das ganz große Geld. Und die macht bekanntlich blind.

Außer Spesen nix gewesen? Nicht ganz. Da gibt es ein Ergebnis, das sicherlich wert ist, stärker in der Diskussion um die so genannten "dicken Kinder" beachtet zu werden: Denn es gab in dem Versuch nicht nur behandelte und unbehandelte Jungtiere, sondern jeweils auch zwei Gruppen, entweder fettreiche oder fettarme Kost bekamen. Doch das Gewicht der Tiere war – egal ob fette oder fettarme Kost – das gleiche. Gerade so wie beim Menschen.

Quellen und weiterführende Literatur:
Melton L: New formula for fit future. Chemistry & Industry 23. April 2007/S.6
Stocker CJ et al: Prevention of diet-induced obesity and impaired glucose tolerance in rats following administration of leptin to their mothers. American Journal of Physiology Regulatory, Integrative and Comparative Physiology 2007, epub 18. Jan.
Pollmer U: Esst endlich normal! Das Anti-Diät-Buch. Piper, München 2007