Leo/Steinbeis/Zorn: "Mit Rechten reden. Ein Leitfaden"

Ein Streitangebot an alle Rechten

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"Mit Rechten reden" ist ein Plädoyer für einen ehrlichen Streit mit Rechten. © Foto: picture alliance / dpa, Coverabbildung: Verlag Klett-Cotta
Von Simone Rosa Miller · 16.10.2017
Die Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten folgt meist einem üblichen Ablauf: Auf deren Provokationen reagiert eine inhaltlich implodierte Linke mit nervöser Empörung. Die Autoren von "Mit Rechten reden" rufen dazu auf, diesen Kreislauf konstruktiv zu durchbrechen.
Die beiderseitige Missgunst zweier Menschen, die sich nicht ausstehen und trotzdem nicht voneinander ablassen können, kann regelrecht abstoßen. Um den ewigen Loop von überspannter Empörung, selbstgerechten Überlegenheitsgesten und zersetzender Verachtung zu durchbrechen, muss man einen Schritt zurücktreten und verstehen, weshalb sich die beiden Parteien überhaupt in diese ungesunde Dynamik verheddern. Diesen Schritt zurück vollziehen die drei Autoren Per Leo, Max Steinbeis und Daniel Pascal Zorn in ihrem Buch "Mit Rechten reden" und nehmen dabei die überreizte Diskussionslandschaft rund um die erstarkte Neue Rechte in den Blick.

Das reaktive Sprachspiel der Rechten

Man kann ihren "Leitfaden" dabei als kleine Analyse politischer Identitäten lesen, an dessen Anfang eine interessante Prämisse steht: als "rechts" wird eine bestimmte Art des Redens begriffen. Das Autorentrio identifiziert keine bestimmbare Gruppe, nicht eingrenzbare Inhalte als Problem, sondern ein reaktives Sprachspiel, dem die "Nichtrechten" immer wieder auf den Leim gehen. Die rechte Position kapert dabei das Spiel, indem sie die nervöse Empörungsreaktion der Gegenseite zum Kapital ihrer Selbstbestätigung macht. Sie schöpfe ihre Kraft und Identität dabei aus einer zentralen Setzung: ihrer unlauteren Bedrohung durch alle Nichtrechten. Abwehr, Zensur und Verleumdung der Gegenseite würden so zum Treibstoff der rechten Identitätsmaschinerie.
Daniel-Pascal Zorn live auf der Frankfurter Buchmesse
Einer der Autoren, Daniel-Pascal Zorn, beim Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur auf der Frankfurter Buchmesse© Deutschlandradio / David Kohlruss
Ihren gegenwärtigen Erfolg verdankten die Rechten einer inhaltlich implodierten Linken, die ihre emanzipatorische Programmatik in den letzten Jahrzehnten gegen eine schwarzweiß-malerische Selbstinszenierung als Verteidigerin der Unschuldigen und Schwachen eingetauscht habe. Resultat dieser aufgeblasenen Defensivhaltung sei einerseits eine andauernde Selbstumkreisung der Linken und andererseits ein selbstgerechter Moralismus, der sich vor allem aufs Maßregeln und Pädagogisieren verstünde.

Rechte Rhetorik stiehlt sich erfolgreich aus der Verantwortung

Weil die Autoren die derzeitige Linke wie Rechte vor allem als auf Erzählungen angewiesene Inszenierungspraktiken verstehen, wählen sie unterschiedliche Textgenres: Der Leser folgt nicht nur einer entlarvenden Analyse rechter Rhetorik im Duktus eines Sachbuchs, sondern findet sich auch in literarisch verfassten Bühnengeschichten und Traumwelten wieder, die mit überzeichneten Figuren und skurrilen Details nicht geizen.

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Der analytische Gewinn des Buches liegt dabei vor allem im überzeugenden Nachweis darüber, wie sich die rechte Rhetorik erfolgreich aus der eigenen Verantwortung stiehlt. Die Leserin vollzieht verschiedene, thematisch einschlägig gewählte Gesprächsangebote an Rechte nach – Flüchtlinge, Ungleichheit, Islam, Nationalsozialismus – und wird Zeugin eines immer wiederkehrenden Begründungsdefizits von rechts: Inhaltliche Setzungen werden argumentativ nicht ausreichend gestützt.
Wo die Überzeugungskraft fehlt, flüchtet man sich ins Mythische und Gefühlige, ohne allerdings seinen Absolutheitsanspruch aufzugeben. Überzeugend ist dieser Vorstoß in den hohlen Kern rechter Identität nicht zuletzt, weil er auch das geistige Fundament rechter Vordenker wie Carl Schmitt und Armin Mohler betritt und als instabil offenbart.

Wegducken vor dem Vernunftprinzip

Doch es ist eben diese analytische Stärke des schlanken Werks, das seine eigenen Schlussfolgerungen herausfordert: Wenn Rechte die Begründungsbedürftigkeit ihrer Behauptungen nicht akzeptieren – sich vor dem Vernunftprinzip also bewusst wegducken, um ihre Position nicht zu gefährden – , gleichzeitig aber in Kauf nehmen, dass die Effekte ihrer Rhetorik andere Menschen teils in reale Bedrängnis bringen, dann stellt sich am Ende des Buches die Frage nach seiner Ausgangsprämisse: Haben wir es wirklich in erster Linie mit einem problematischen Sprachspiel zu tun? Oder vielmehr mit einer Position, die den Boden der vernünftigen Auseinandersetzung verlassen muss, um nicht zu kollabieren; einem Standpunkt, die sich der Pluralität unserer Gesellschaft bewusst verschließt?
Man muss den Optimismus der drei Autoren nicht teilen, um ihre Einladung an alle Rechten und Nichtrechten zu einem anderen Sprachspiel, einem konstruktiven Dialog nachdrücklich zu begrüßen. It’s on!

Per Leo, Maximilian Steinbeis, Daniel Pascal Zorn: "mit Rechten reden. Ein Leitfaden"
Verlag Klett-Cotta
183 Seiten, 14 Euro.

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