Leitlicht und Irrlicht

Von Maria Riederer |
2008 brachte eine kleine Gruppe junger kreativer Christen im Kölner Stadtteil Ehrenfeld eine Zeitschrift heraus. Eigentlich sollte es bei einem Heft bleiben, aber dann hat sich "FROH!" entwickelt.
"Es war vor allem das Foyer des Palastes, und alle andern Räume waren auch derart mit Lampen überladen, da herrschte eine Helligkeit und somit ein Stromverbrauch, den sich die übrige DDR einfach nicht leisten konnte. Und da war Licht, in der sonst so grauen DDR."

Was hat Erichs Lampenladen – also der üppig beleuchtete Palast der Republik – mit einem Astronauten gemeinsam? Was verbindet Pilzpaté oder Hühnchenleber mit einer umgebauten Kamera? Und was hat all das mit dem nahenden Weihnachtsfest zu tun?

"Also, die Idee, das über Licht zu machen, hatten wir schon Anfang des Jahres, (...) man muss natürlich sagen, man kann über das Licht nichts Neues mehr schreiben, der Mensch denkt über das Licht wahrscheinlich schon nach, seit er das Feuer an die Wohnhöhle getragen hat, und wir leben in einer Gesellschaft, in der es eigentlich zu viel Licht gibt, das Licht stört uns, hält uns wach, macht aggressiv, gibt uns Zivilisationskrankheiten, man spricht von Lichtverschmutzung ..."

Wie seine Vorgänger liegt auch das neue Heft der Reihe "FROH!" schwer und dick und ein bisschen rau in der Hand. Auf den ersten Blick ist es schwarz wie die Nacht. Der Titel der Ausgabe - "Licht" – muss sich erstmal erschließen. Sebastian Pranz ist Chefredakteur und einer der vier Verantwortlichen für das Magazin "FROH!":

"Wir hatten irgendwann das Gefühl, das Heft muss leuchten, aber es ist zu hell, und ganz am Schluss haben wir es wirklich sehr dunkel gemacht, wir haben Doppelseiten, die dunkle, blaue Hintergründe haben, und wir haben nur ganz wenig Licht gelassen und in dem Moment witzigerweise begann das Heft wirklich zu leuchten und war irgendwie auch ein Weihnachtsheft geworden."

Weihnachten ist für Christen kein Wohnzimmerstück. Weihnachten hat kosmische Ausmaße und handelt vom "Licht der Welt". Sein Ursprung ist älter als das Universum, sagt Johannes, als es noch überhaupt nichts gab in der leblosen Stille des Weltalls, außer Gott allein.

"Licht" ist ein Weihnachtsheft, das statt Werbung erst einmal 10 Seiten schwach erleuchteter Dunkelheit in allen Facetten verschenkt. Einfach so, zum Anschauen und darin Versinken, zur Erholung für die Augen. Dann erst kommen die Inhalte:

"Warum können wir ohne Licht nicht leben? Warum wollen wir eigentlich immer zum Licht und was machen wir, wenn das Licht mal ausgeht? Das sind so paar Grundaspekte, die wir rausgenommen haben, das Licht als Leitlicht, als Orientierungshilfe, auch als Irrlicht... Es ist natürlich ein Undercover-Weihnachtsheft, die Frage stellt sich schon beim Cover, da haben wir ein Bild des amerikanischen Fotografen Trevor Paglen, das auf den ersten Blick so aussieht wie eine weihnachtliche Sternschnuppe, aber tatsächlich handelt es sich um einen Aufklärungssatelliten des CIA, und da fängt das Spiel schon an. Das ist ein Spiel mit den Bedeutungen, das der Leser, glaub ich, mitspielen muss."

Überraschungen und Bedeutungs-Brüche machen die Lektüre von "FROH!" zu einem Vergnügen. Immer besteht der Titel nur aus einem Wort: "Finale" oder "Wende", "Ernte" oder "Stille". Der Bezug ergibt sich aus besonderen Tagen im Jahr, aber die Inhalte bleiben nicht daran kleben. So ist auf dem Heft "Wende" – das sich auf den Mauerfall bezieht - ein fallendes Marmeladenbrot zu sehen, das gerade, an den Knöcheln seines Besitzers vorbei, in Richtung Boden segelt. Die Frage, auf welcher Seite das Brot aufschlagen wird, bleibt offen. Unwillkürlich wendet man das Heft, um auf der Rückseite die Auflösung zu finden.

Und schon hat auch der Leser eine Wende vorgenommen und wird somit Teil des Heftes:

"Wir sind im besten Sinne ein altes Medium, also tatsächlich ein reines Printmagazin, witzigerweise die Leute riechen immer sofort am Magazin oder sie streichen darüber, es gibt so ein leichtes zischendes Geräusch... "

Aber das Magazin "FROH!", das dreimal im Jahr erscheint, ist nicht nur ein Spiel, das sich schön anfühlt und Spaß macht, sondern es transportiert ernste und weitreichende Gedanken zur Nachhaltigkeit, zur Gestaltung des Lebens, zur Spiritualität und Kultur. Das Blatt versteht sich als Gesellschaftsmagazin, die Beitragenden sind Journalisten, Autoren, Gestalter, Fotografen, Menschen, die ihre Geschichte erzählen oder die Geschichten anderer aufschreiben. Und das ohne Bezahlung. Zum Dank gibt es zum Erscheinen jeder Folge eine Release-Party in den Räumen der Redaktion:

"Herzlich Willkommen zu unserer Party zu unserem neuen Winterheft "Licht". Unser Winter-Weihnachtsheft ist aber auch ein ganz besonderes Heft, weil mit dem 'FROH!' Weihnachten 2008 die ganze Reise ja begonnen hat und uns anschließend dazu veranlasst hat, weiterzumachen. und so dass hier heute wirklich froh gefeiert werden kann.
- "Mein Name ist Jens Tönnesmann und ich hab in dem aktuellen Froh-Heft einen Blinden portraitiert, also jemanden, der vor zwei Jahren erblindet ist und eigentlich nichts mehr sehen kann, er nimmt die Umgebung nur noch durch einen kleinen Lichtkanal wahr...
- Mein Name ist Christian Fahrenbach, ich habe für das 'FROH!'-Heft einen Artikel geschrieben darüber, wie Privatleute und der Staat sich darauf vorbereiten, wenn der Strom ausfällt. Ich bin freier Journalist in Stuttgart und bin an das Magazin gekommen über Twitter, hab dort von dem Heft gelesen, und hatte selber mir dann zwei Hefte bestellt, hab darüber selber was getwittert und am nächsten Tag hatte ich vom Chefredakteur ne mail, ob ich nicht auch mal was mitarbeiten möchte. Das ist auch nicht so ne typische Zeitung, weil es keine Werbung gibt und so, es sieht eigentlich eher aus wie was, was in so einem Kunstmuseum liegt ..."

"FROH!" finanziert sich neben dem Verkauf durch Spenden. Die Beitragenden können noch nicht bezahlt werden, aber die Herausgeber haben trotzdem keine Probleme, Profis für Artikel, Interviews, Fotos oder Grafiken zu finden. So sieht zum Beispiel die Illustratorin der Rezeptseite, Frauke Neuburg, ihre Mitarbeit als Geschenk:

"Also, ich steh halt wirklich so hinter dem Heft und das gefällt mir einfach so gut, das ist so ne Herzenssache, ich schenk das dem Projekt. Ich hab ja schon viele Hefte in den Händen gehalten, aber sowas hab ich einfach noch nie erlebt, da ist einfach was Besonderes."

Herausgeber Dirk Brall ist zufrieden mit der Entwicklung von "FROH!", mit dem neuen Licht-Heft und der Release-Party. Gerade kaut er an einem Brot mit Pilz-Paté. Selbst kulinarisch wird das aktuelle Thema mit bedacht:

"Es gibt immer ein Rezept oder ein Rezept-Menü für jedes Thema, es gab bei Wenden Pfannenkuchengerichte, es gab bei Finale Desserts, es gab bei Ernte die schönsten Picknickrezepte, und dann darf natürlich auch bei Licht ein Rezept nicht fehlen, wir hatten erst überlegt, ob wir ein Weihnachtsmenu auf light machen, so eine Art Diät-Menü mit dem Thema Light, und sind dann aber darauf gekommen, dass Vitamin D bei viel Sonnenlicht der Körper selber herstellt, und im Winter fehlt das Licht, also mussten wir ein Menü mit viel Vitamin D machen, und hier gibt es heute keine Geflügelleber und keinen Fisch, wie es sonst in den Rezepten noch in dem Heft drin ist, sondern eine hervorragende Pilz-Paté."

Homepage des Magazins "FROH!"
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