Leiter des Goethe-Instituts in Rangun

"Die Menschen in Myanmar stehen unter Schock"

09:24 Minuten
Einige Menschen stehen an einer Bushaltestelle in Rangun
Straßenszene in Rangun: Der Militärputsch sorgt in Myanmar für Angst und Verunsicherung. © Imago / Kyodo News
Martin Wälde im Gespräch mit Dieter Kassel · 02.02.2021
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Der Militärputsch sei in Myanmar eingeschlagen "wie eine Bombe", berichtet der Leiter des Goethe-Instituts in Rangun, Martin Wälde. Mit Massenprotesten gegen das Militär rechnet er dennoch nicht, die Menschen hätten zu viel Angst.
Myanmar im Ausnahmezustand: Nach der erneuten Machtergreifung durch das Militär stehen die Menschen unter Schock, berichtet Martin Wälde, Leiter des Goethe-Instituts in Rangun, der größten Stadt des Landes. Die Leute seien auch deshalb total frustriert, weil nach dem haushohen Wahlsieg von Aung San Suu Kyis Neuer Liga für Demokratie (NLD) im November eigentlich große Euphorie im Land geherrscht habe.
"Die Ignorierung der Stimme des Volkes hat hier eingeschlagen wie eine Bombe", so Wälde. "Die Leute haben Angst, sie wissen, was 50 Jahre Militärdiktatur bedeuten. Der Schatten der Militärzeit ist lang und geht bis in die Gegenwart."

Angst vor einem Blutbad

Wie es jetzt weitergehe, könne derzeit niemand sagen, sagt der Leiter des Goethe-Instituts. Zwar habe Aung San Suu Kyi offenbar zum öffentlichen Protest aufgerufen. Doch könne er nicht einschätzen, ob es die Menschen jetzt risikieren wollten, auf die Straße zu gehen, so Wälde:
"Denn in dem Moment, wo es große Massenproteste auf den Straßen gibt, weiß man ja aus der früheren Zeit, dass es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Militärs und auch zu Blutbädern kommen kann, und das will natürlich niemand."
Zusätzlich belastet wird die Situation in Myanmar durch die Coronapandemie. Die Infektionszahlen hätten sich ab September dramatisch entwickelt, und das Gesundheitswesen sei "restlos überfordert" gewesen, berichtet Wälde:
"Das ist ein Albtraum, weil die Leute eh schon gebeutelt sind, psychisch sehr belastet, viele haben keine Arbeit mehr. Wirtschaftlich sieht es nicht gut aus, vor allen Dingen für die ärmere Bevölkerung, wo es extreme Situationen geben wird oder schon gibt."

Nur noch Online-Sprachkurse sind möglich

Auch die Arbeit des Goethe-Instituts ist Wälde zufolge bereits seit März durch die Pandemie massiv eingeschränkt. Da es in Myanmar staatlicherseits überhaupt kein Geld für die Kulturszene gebe, habe man mit Hilfe eines Fonds vom Auswärtigen Amt eigentlich ein Programm aufgelegt, mit dem 40 Projekte gefördert werden sollten. Diese könnten jetzt nicht präsentiert werden. "Wir können im Moment gar nicht mehr agieren", sagt Wälde: "Das ist schlimm. Wir machen aber Sprachkurse – online."
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