Leise Erfolgsmeldung
Irgendwie ist die Erfolgsmeldung im Medien- und Politikrauschen untergegangen: Mecklenburg-Vorpommern hat etwas geschafft, was Bayern und Sachsen gerne laut von sich verkünden, nämlich einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu haben. Das heißt nichts anderes als: keine neuen Schulden gemacht. Der Haushalt 2006 war ausgeglichen, Steuereinnahmen und Sparpolitik führten dazu.
"Also ich glaube, die Leute freut es, dass wir gerade mit Bayern und Sachsen auf dem Treppchen stehen, weil das sind doch Länder wo so gewisse Vorurteile auch von unserer Seite gibt, oder gewisse Konkurrenz, das wir jetzt auf einer Ebene stehen, das kommt glaub ich ganz gut an."
Elf Milliarden Euro Altschulden – oder warum der Jubel der Finanzministerin verhalten ist
Die Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern ist eine kunstsinnige Frau. In ihrem Büro hängt eine private Sammlung von Kunststücken, darunter auch die Radierung einer chilenischen Künstlerin – eine Figur, die mit ausgestreckten Armen an einer Klippe steht. Finanzministerin am Abgrund, witzelt Sigrid Keler, wohl wissend, dass ihr als Finanzchefin eine kleine Sensation gelungen ist. 2006 muss das Land keine neuen Schulden mehr aufnehmen, 2007 soll das genauso sein. Das ist sonst nur noch Sachsen und Bayern gelungen - aber abhängen will sie das Bild trotzdem nicht.
"Wir stehen nach wie vor am Abgrund."
Aber die Klippe bröckelt eben nicht mehr so stark
"Also wir haben ja gesagt, wir sind erst am Anfang wir sind ja nicht am Ende mit unserem Ergebnis. Die Entwicklung in den nächsten Jahren wird das ja zeigen, dass wir weiter konsolidieren müssen."
Trotzdem könnte man bei der Nachricht ein wenig mehr Euphorie erwarten. Immerhin fallen allein durch das Wegfallen neuer Schulden pro Jahr 15 Millionen Euro weniger Kreditzinsen an
"Ach nein, wir haben uns ja auch sehr gefreut darüber. Aber wir wissen natürlich, dass dieses Ergebnis jedes Jahr neu erkämpft werden muss. Das ist nicht etwas, was einem in den Schoß gefallen ist und wo man sagt, jetzt haben wir das und jetzt können wir da so weitermachen und da steht harte arbeit dahinter und es steht uns harte Arbeit bevor."
Ein Grund für das gute Ergebnis: 300 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen als geplant. Aber das hatten die anderen Bundesländer auch. Der zweite Grund – die Sparanstrengungen des Landes fangen an zu greifen. Weshalb Ministerpräsident Harald Ringstorff in diesen Tagen wesentlich forscher auftritt als sonst
"Na, ich denke, man kann schon selbstbewusster auftreten, wenn man deutlich macht, dass man das Geld, das wir dankenswerter Weise bekommen dass das vernünftig eingesetzt wird und das nicht mit vollen Händen ausgeben und vor allen Dingen hab ich ja immer einen Grundsatz, wir können uns das nicht leisten mit dem Geld anderer, was die anderen sich nicht leisten also es gibt ja auch durchaus auch den ein oder anderen Fall von Ländern mit großer Verschuldung sich vielleicht etwas mehr leisten als Geberländer."
Denn keine neuen Schulden, das weiß auch das normale Milchmädchen, heißt nicht, dass man gar keine Schulden mehr hat.
"Ja, ja. In den vier Legislaturperioden die wir jetzt haben, haben wir fast elf Milliarden Euro Schulden angehäuft, das ist eine Riesensumme."
Für deren Rückzahlung man ungefähr 100 Jahre brauchen wird. Deshalb bleibt die Ministerin auf dem Teppich und das Bild an der Wand.
Die Tradition der Roten Laterne, oder warum erst kaum jemand die gute Nachricht registriert hat
"MV ist ja nun das Bundesland, was 1990 die schlechtesten Ausgangsdaten hatte. Wir sind auch das Bundesland, was von Anfang an immer mit die höchste Arbeitslosigkeit hatte und wir haben es in einigen Bereichen auch wirklich schwer, zum Beispiel was innovative Bereiche angeht, das war auch zu DDR-Zeiten schon so. Der Norden war nicht das Gebiet, wo Forschungskapazitäten installiert wurden."
Und weil fast jeder das Gefühl hatte, dass es sich der Nordosten unter dem schummrigen Licht der roten Laterne auf Dauer gemütlich gemacht hatte, war es für den Pressesprecher von Deutschlands dienstältester Finanzministerin, Stephan Bliemel, nicht gerade leicht, die bemerkenswerte Nachricht zu verkaufen
"Na, das Ganze hat ja zwei Aspekte, sagen wir zwei Probleme, erstens ist es eine positive Nachricht, die verkaufen sich nicht ganz so gut. Und das zweite ist sicherlich, dass Mecklenburg Vorpommern um es positiv auszudrücken nicht der Nabel Deutschlands ist, wir stellen zwei Prozent der Bevölkerung, da muss man gucken, welche Themen sind überregional bekannt und wie kann man da einen Anhaltspunkt finden, dass man auch das Thema interessant macht."
Denn ein Wunder hat das Land trotz der unerwartet guten Nachricht nicht vollbracht. Das Wirtschaftswachstum liegt nach wie vor weit unter dem Durchschnitt, die Arbeitslosenquote nach wie vor weit darüber und auch die Pro-Kopf Verschuldung ist bundesweit Spitze.
"Es hat sich dann tröpfchenweise rumgesprochen, in ein zwei Monaten sind wir dann überall gekommen mit der Meldung und es hat ja auch so schöne Schlagzeilen gegeben in der TAZ, Aufstand des Nordzwergs, oder Vorbildliches MV oder die FAZ selbst hat geschrieben uns sei die Überraschung des Jahres gelungen."
Hausaufgaben gemacht – oder warum selbst die Lehrer nicht nörgeln
"Als wir im Jahr 2003 doch ziemlich deprimiert hier zusammen gesessen haben, weil unser gesamtes Konzept nicht mehr aufging, haben wir gesagt, was müssen wir machen. Dann haben wir tatsächlich rückwärts gerechnet, wir haben gesagt, 2020 haben wir weniger Einwohner, 2020 sind die Mittel vom Bund, die Solidarpaktmittel ausgelaufen, wir haben schon ab 2014 keine erhöhten Mittel mehr von der EU, also müssen wir uns überlegen, wie wir die Ausgaben den Einnahmen anpassen. Und daraufhin haben wir hier im Verwaltungsbereich dieses Personalkonzept entwickelt, wo wir innerhalb von sechs Jahren 25 Prozent unserer Stellen abbauen werden - das ist eine Riesenzahl von knapp 42.000 beschäftigten auf 32.000 Beschäftigte herunterzugehen."
Und das ohne Kündigungen, versichert Keler. Aber, und das will sie noch mal klarstellen, im Bereich Bildung und Kultur wird nicht gespart. Im Gegenteil. Das sei ganz wichtig. Auch, um den Bevölkerungsverlust aufzuhalten. Denn weil das Land schrumpft, schrumpfen auch die Einnahmen – aus dem Länderfinanzausgleich zum Beispiel. Ein Einwohner weniger macht gleich Minus 2400 Euro. Seit der Wende musste Mecklenburg Vorpommern auf 330 Millionen Euro verzichten, weil über 200.000 Menschen ihre Heimat verlassen haben.
"Und wir haben auch unpopuläre Entscheidungen getragen,"
ergänzt der Ministerpräsident.
"Es ist nicht einfach im ländlichen Raum eine Schule dicht zu machen und das ist ja nicht nur eine gewesen das sind ja viele gewesen, wenn die Schülerzahlen zurückgehen muss man darauf reagieren und das ist nicht populär. Das wissen die Sachsen auch ein Lied von zu singen."
Seit der Wende hat sich im Land die Schülerzahl halbiert. Da ist selbst den sonst so streitlustigen Lehrern klar, dass man die Lehrerzahl nicht konstant halten kann. Auch in der Verwaltung hat Mecklenburg-Vorpommern jahrelang über seine Verhältnisse gelebt. Auf 1000 Bewohner kamen bis vor kurzem 25 Landesbedienstete, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 19. Zu viel Personal für zu wenig Menschen. Ein Viertel des Haushaltes hatte der Nordosten für Verwaltung ausgegeben – das fehlte, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das hat Rot-Rot ab 2002 sukzessive geändert – und Rot-Schwarz erntet nun erste Früchte
Reizwort Sonderbedarfszuweisung – oder warum manch Finanzminister neidisch in den Osten blickt
"Mein sächsischer Kollege Herr Doktor Metz der, hat mich persönlich angerufen und hat sich gefreut und sein Ministerpräsident hat mir sogar einen handgeschriebenen Brief geschickt. Und es haben andere Kollegen zumindest das mit Erstaunen wahrgenommen. Ich bin mir aber auch bewusst, wir sind ein kleines Land und wir haben einen kleinen Etat, da ist es einfacher hinzubekommen als in einem großen Land mit einem großen Etat."
Sieben Milliarden Euro umfasst der Haushalt von Mecklenburg-Vorpommern. Wenn man alle Verbindlichkeiten zusammenzählt, dann bleiben gerade mal 500 Millionen oder acht Prozent, über die das Land relativ frei verfügen kann. Versteinert, sagen die Experten dazu, erklärt die Finanzministerin. Versteinert hat wohl auch der Kollege aus dem benachbarten Schleswig-Holstein ausgeschaut. Angesichts der Höhe der Solidarpaktgelder müsse man sich fragen, warum die Ost-Länder überhaupt erst Schulden gemacht hätten, fragte Rainer Wiegard leicht gereizt, als die Lübecker Nachrichten ihn aufforderten, es dem neuen Musterland Mecklenburg-Vorpommern nachzutun.
"Ich hab aber mit ihm dann persönlich gesprochen und Herr Wiegard hat mir auch gratuliert und gesagt, dass er diese Leitung anerkennt und er froh wäre, wenn er ein Stück weiter wäre."
Gleichzeitig versichert die Ministerin, dass aufgrund dieser guten Haushaltslage das Land nun in der Lage sei, künftig 90 Prozent der Solidarpaktgelder zweckgerichtet zu verwenden. Und das geht eben nur, wenn im Zuge der Föderalismusreform II. Länderfinanzausgleich und Solidarpakt unangetastet bleiben. Die Sparbemühungen des Landes wollen der Ministerpräsident und seine Finanzchefin auch eher als Dankeschön und Zeichen an den Westen verstanden wissen.
"Wir wollen uns nicht aufs hohe Ross setzen, aber ich denke, das ist doch ein bemerkenswertes Zeichen und verbessert unsere Ausgangsposition bei der Föderalismusreform II, wenn wir deutlich machen, auch ostdeutsche Länder brauchen kein fass ohne Boden sein."
Man gehe, entgegen aller Vorurteile, schließlich sorgsam mit den Aufbauhilfen um. Und das sollten die anderen Ost-Länder auch gefälligst tun, meint Sigrid Keler.
"Natürlich kann man mit so einem Ergebnis, wie wir es jetzt haben, auch sagen, wir sind für ein Verschuldungsverbot, für die ostdeutschen Länder müsste es so sein, weil alles andere falsch, denn mit dem derzeitigen Schuldenstand und den Möglichkeiten, immer wieder neue Schulden zu machen, werden wir unserer Haushalte auf Dauer nicht mehr weiterfahren können, davon bin ich seit mehr als zehn Jahren überzeugt."
1,1 Milliarden Euro Solidarmittel bekommt Mecklenburg-Vorpommern zurzeit, von 2008 an sinkt die Summe um 80 Millionen pro Jahr bis es 2019 ganz ausläuft. Bis dahin muss der Osten den Anschluss am den Westen geschafft haben. Die Landeshaushalte der neuen Länder werden dann um ein Drittel kleiner sein als heute. Kein Solidarpakt mehr - und das Geld von der EU läuft schon vorher aus. Bis dahin muss also die Landschaft zum blühen gebracht werden.
"Wenn man dann hier sich das Land genauer ansieht, dann stellt man ja fest, es ist gar nicht so... und wir holen gut auf, und wir haben jetzt ne ganze Reihe von Daten, wo wir uns an den Durchschnitt der westlichen Länder zumindest angleichen und deshalb lassen sie uns noch mal 15 Jahre und dann wird man merken, dass wir gar nicht so schlecht sind."
Das haben mittlerweile auch die anderen Ost-Länder registriert. Erzählte ihr letztens ihr Bruder, der noch im heimatlichen Thüringen lebt, am Telefon.
"Und dann sagt der, du was denkst du, bei uns lese ich jetzt alle 14 Tage in der Zeitung, wenn das Mecklenburg-Vorpommern schafft, warum dann Thüringen nicht. Das wird auch hier in Thüringen wahrgenommen, dass ihr das geschafft habt und da ist so auch bei den Journalisten ein Zeichen ‚Hallo, da bewegt sich was’."
Das neue Selbstbewusstsein – oder warum die Finanzministerin trotzdem keine Tipps geben will
Mecklenburg-Vorpommern geht seit diesem Jahr also Seit an Seit mit Sachsen und Bayern – das ewig klamme Nehmerland mausert sich zum Vorzeigeland. Mit guten Ratschlägen hält sich Finanzministerin Keler trotzdem zurück.
"Ich mag da keine Tipps geben, ich weiß, dass mir das auch nicht gefallen würde."
Und sie weiß auch, dass der Erfolg bitter erkauft wurde. Die gute Laune und Zufriedenheit über die positiven Entwicklungen ist bei den Menschen im Land noch nicht angekommen. Die Zahl der Privat-Insolvenzen steigt – leben mit Schulden, das ist für viele im Land bitterer Alltag. Kann da das Vorbild der Politik trösten?
"Also ich bin von vielen angesprochen worden, die sich mitgefreut haben. Also gleich, als wir die Zahlen bekannt gegeben haben, haben mich Leute angerufen oder ich bin von Leuten angesprochen worden, ich hab mit jemanden telefoniert, der sagte, ach wissen sie Frau Keler, ich hab das auf der Autobahn im Radio gehört, ich hab mich so gefreut, ich will ihnen das schnell mal sagen und gratuliere, also, es ist wahrgenommen worden und es ist auch so ein Signal wir sind nicht überall schlecht, und wenn wir wollen, dann können wir auch weiter vorn mitmischen."
Elf Milliarden Euro Altschulden – oder warum der Jubel der Finanzministerin verhalten ist
Die Finanzministerin von Mecklenburg-Vorpommern ist eine kunstsinnige Frau. In ihrem Büro hängt eine private Sammlung von Kunststücken, darunter auch die Radierung einer chilenischen Künstlerin – eine Figur, die mit ausgestreckten Armen an einer Klippe steht. Finanzministerin am Abgrund, witzelt Sigrid Keler, wohl wissend, dass ihr als Finanzchefin eine kleine Sensation gelungen ist. 2006 muss das Land keine neuen Schulden mehr aufnehmen, 2007 soll das genauso sein. Das ist sonst nur noch Sachsen und Bayern gelungen - aber abhängen will sie das Bild trotzdem nicht.
"Wir stehen nach wie vor am Abgrund."
Aber die Klippe bröckelt eben nicht mehr so stark
"Also wir haben ja gesagt, wir sind erst am Anfang wir sind ja nicht am Ende mit unserem Ergebnis. Die Entwicklung in den nächsten Jahren wird das ja zeigen, dass wir weiter konsolidieren müssen."
Trotzdem könnte man bei der Nachricht ein wenig mehr Euphorie erwarten. Immerhin fallen allein durch das Wegfallen neuer Schulden pro Jahr 15 Millionen Euro weniger Kreditzinsen an
"Ach nein, wir haben uns ja auch sehr gefreut darüber. Aber wir wissen natürlich, dass dieses Ergebnis jedes Jahr neu erkämpft werden muss. Das ist nicht etwas, was einem in den Schoß gefallen ist und wo man sagt, jetzt haben wir das und jetzt können wir da so weitermachen und da steht harte arbeit dahinter und es steht uns harte Arbeit bevor."
Ein Grund für das gute Ergebnis: 300 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen als geplant. Aber das hatten die anderen Bundesländer auch. Der zweite Grund – die Sparanstrengungen des Landes fangen an zu greifen. Weshalb Ministerpräsident Harald Ringstorff in diesen Tagen wesentlich forscher auftritt als sonst
"Na, ich denke, man kann schon selbstbewusster auftreten, wenn man deutlich macht, dass man das Geld, das wir dankenswerter Weise bekommen dass das vernünftig eingesetzt wird und das nicht mit vollen Händen ausgeben und vor allen Dingen hab ich ja immer einen Grundsatz, wir können uns das nicht leisten mit dem Geld anderer, was die anderen sich nicht leisten also es gibt ja auch durchaus auch den ein oder anderen Fall von Ländern mit großer Verschuldung sich vielleicht etwas mehr leisten als Geberländer."
Denn keine neuen Schulden, das weiß auch das normale Milchmädchen, heißt nicht, dass man gar keine Schulden mehr hat.
"Ja, ja. In den vier Legislaturperioden die wir jetzt haben, haben wir fast elf Milliarden Euro Schulden angehäuft, das ist eine Riesensumme."
Für deren Rückzahlung man ungefähr 100 Jahre brauchen wird. Deshalb bleibt die Ministerin auf dem Teppich und das Bild an der Wand.
Die Tradition der Roten Laterne, oder warum erst kaum jemand die gute Nachricht registriert hat
"MV ist ja nun das Bundesland, was 1990 die schlechtesten Ausgangsdaten hatte. Wir sind auch das Bundesland, was von Anfang an immer mit die höchste Arbeitslosigkeit hatte und wir haben es in einigen Bereichen auch wirklich schwer, zum Beispiel was innovative Bereiche angeht, das war auch zu DDR-Zeiten schon so. Der Norden war nicht das Gebiet, wo Forschungskapazitäten installiert wurden."
Und weil fast jeder das Gefühl hatte, dass es sich der Nordosten unter dem schummrigen Licht der roten Laterne auf Dauer gemütlich gemacht hatte, war es für den Pressesprecher von Deutschlands dienstältester Finanzministerin, Stephan Bliemel, nicht gerade leicht, die bemerkenswerte Nachricht zu verkaufen
"Na, das Ganze hat ja zwei Aspekte, sagen wir zwei Probleme, erstens ist es eine positive Nachricht, die verkaufen sich nicht ganz so gut. Und das zweite ist sicherlich, dass Mecklenburg Vorpommern um es positiv auszudrücken nicht der Nabel Deutschlands ist, wir stellen zwei Prozent der Bevölkerung, da muss man gucken, welche Themen sind überregional bekannt und wie kann man da einen Anhaltspunkt finden, dass man auch das Thema interessant macht."
Denn ein Wunder hat das Land trotz der unerwartet guten Nachricht nicht vollbracht. Das Wirtschaftswachstum liegt nach wie vor weit unter dem Durchschnitt, die Arbeitslosenquote nach wie vor weit darüber und auch die Pro-Kopf Verschuldung ist bundesweit Spitze.
"Es hat sich dann tröpfchenweise rumgesprochen, in ein zwei Monaten sind wir dann überall gekommen mit der Meldung und es hat ja auch so schöne Schlagzeilen gegeben in der TAZ, Aufstand des Nordzwergs, oder Vorbildliches MV oder die FAZ selbst hat geschrieben uns sei die Überraschung des Jahres gelungen."
Hausaufgaben gemacht – oder warum selbst die Lehrer nicht nörgeln
"Als wir im Jahr 2003 doch ziemlich deprimiert hier zusammen gesessen haben, weil unser gesamtes Konzept nicht mehr aufging, haben wir gesagt, was müssen wir machen. Dann haben wir tatsächlich rückwärts gerechnet, wir haben gesagt, 2020 haben wir weniger Einwohner, 2020 sind die Mittel vom Bund, die Solidarpaktmittel ausgelaufen, wir haben schon ab 2014 keine erhöhten Mittel mehr von der EU, also müssen wir uns überlegen, wie wir die Ausgaben den Einnahmen anpassen. Und daraufhin haben wir hier im Verwaltungsbereich dieses Personalkonzept entwickelt, wo wir innerhalb von sechs Jahren 25 Prozent unserer Stellen abbauen werden - das ist eine Riesenzahl von knapp 42.000 beschäftigten auf 32.000 Beschäftigte herunterzugehen."
Und das ohne Kündigungen, versichert Keler. Aber, und das will sie noch mal klarstellen, im Bereich Bildung und Kultur wird nicht gespart. Im Gegenteil. Das sei ganz wichtig. Auch, um den Bevölkerungsverlust aufzuhalten. Denn weil das Land schrumpft, schrumpfen auch die Einnahmen – aus dem Länderfinanzausgleich zum Beispiel. Ein Einwohner weniger macht gleich Minus 2400 Euro. Seit der Wende musste Mecklenburg Vorpommern auf 330 Millionen Euro verzichten, weil über 200.000 Menschen ihre Heimat verlassen haben.
"Und wir haben auch unpopuläre Entscheidungen getragen,"
ergänzt der Ministerpräsident.
"Es ist nicht einfach im ländlichen Raum eine Schule dicht zu machen und das ist ja nicht nur eine gewesen das sind ja viele gewesen, wenn die Schülerzahlen zurückgehen muss man darauf reagieren und das ist nicht populär. Das wissen die Sachsen auch ein Lied von zu singen."
Seit der Wende hat sich im Land die Schülerzahl halbiert. Da ist selbst den sonst so streitlustigen Lehrern klar, dass man die Lehrerzahl nicht konstant halten kann. Auch in der Verwaltung hat Mecklenburg-Vorpommern jahrelang über seine Verhältnisse gelebt. Auf 1000 Bewohner kamen bis vor kurzem 25 Landesbedienstete, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 19. Zu viel Personal für zu wenig Menschen. Ein Viertel des Haushaltes hatte der Nordosten für Verwaltung ausgegeben – das fehlte, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das hat Rot-Rot ab 2002 sukzessive geändert – und Rot-Schwarz erntet nun erste Früchte
Reizwort Sonderbedarfszuweisung – oder warum manch Finanzminister neidisch in den Osten blickt
"Mein sächsischer Kollege Herr Doktor Metz der, hat mich persönlich angerufen und hat sich gefreut und sein Ministerpräsident hat mir sogar einen handgeschriebenen Brief geschickt. Und es haben andere Kollegen zumindest das mit Erstaunen wahrgenommen. Ich bin mir aber auch bewusst, wir sind ein kleines Land und wir haben einen kleinen Etat, da ist es einfacher hinzubekommen als in einem großen Land mit einem großen Etat."
Sieben Milliarden Euro umfasst der Haushalt von Mecklenburg-Vorpommern. Wenn man alle Verbindlichkeiten zusammenzählt, dann bleiben gerade mal 500 Millionen oder acht Prozent, über die das Land relativ frei verfügen kann. Versteinert, sagen die Experten dazu, erklärt die Finanzministerin. Versteinert hat wohl auch der Kollege aus dem benachbarten Schleswig-Holstein ausgeschaut. Angesichts der Höhe der Solidarpaktgelder müsse man sich fragen, warum die Ost-Länder überhaupt erst Schulden gemacht hätten, fragte Rainer Wiegard leicht gereizt, als die Lübecker Nachrichten ihn aufforderten, es dem neuen Musterland Mecklenburg-Vorpommern nachzutun.
"Ich hab aber mit ihm dann persönlich gesprochen und Herr Wiegard hat mir auch gratuliert und gesagt, dass er diese Leitung anerkennt und er froh wäre, wenn er ein Stück weiter wäre."
Gleichzeitig versichert die Ministerin, dass aufgrund dieser guten Haushaltslage das Land nun in der Lage sei, künftig 90 Prozent der Solidarpaktgelder zweckgerichtet zu verwenden. Und das geht eben nur, wenn im Zuge der Föderalismusreform II. Länderfinanzausgleich und Solidarpakt unangetastet bleiben. Die Sparbemühungen des Landes wollen der Ministerpräsident und seine Finanzchefin auch eher als Dankeschön und Zeichen an den Westen verstanden wissen.
"Wir wollen uns nicht aufs hohe Ross setzen, aber ich denke, das ist doch ein bemerkenswertes Zeichen und verbessert unsere Ausgangsposition bei der Föderalismusreform II, wenn wir deutlich machen, auch ostdeutsche Länder brauchen kein fass ohne Boden sein."
Man gehe, entgegen aller Vorurteile, schließlich sorgsam mit den Aufbauhilfen um. Und das sollten die anderen Ost-Länder auch gefälligst tun, meint Sigrid Keler.
"Natürlich kann man mit so einem Ergebnis, wie wir es jetzt haben, auch sagen, wir sind für ein Verschuldungsverbot, für die ostdeutschen Länder müsste es so sein, weil alles andere falsch, denn mit dem derzeitigen Schuldenstand und den Möglichkeiten, immer wieder neue Schulden zu machen, werden wir unserer Haushalte auf Dauer nicht mehr weiterfahren können, davon bin ich seit mehr als zehn Jahren überzeugt."
1,1 Milliarden Euro Solidarmittel bekommt Mecklenburg-Vorpommern zurzeit, von 2008 an sinkt die Summe um 80 Millionen pro Jahr bis es 2019 ganz ausläuft. Bis dahin muss der Osten den Anschluss am den Westen geschafft haben. Die Landeshaushalte der neuen Länder werden dann um ein Drittel kleiner sein als heute. Kein Solidarpakt mehr - und das Geld von der EU läuft schon vorher aus. Bis dahin muss also die Landschaft zum blühen gebracht werden.
"Wenn man dann hier sich das Land genauer ansieht, dann stellt man ja fest, es ist gar nicht so... und wir holen gut auf, und wir haben jetzt ne ganze Reihe von Daten, wo wir uns an den Durchschnitt der westlichen Länder zumindest angleichen und deshalb lassen sie uns noch mal 15 Jahre und dann wird man merken, dass wir gar nicht so schlecht sind."
Das haben mittlerweile auch die anderen Ost-Länder registriert. Erzählte ihr letztens ihr Bruder, der noch im heimatlichen Thüringen lebt, am Telefon.
"Und dann sagt der, du was denkst du, bei uns lese ich jetzt alle 14 Tage in der Zeitung, wenn das Mecklenburg-Vorpommern schafft, warum dann Thüringen nicht. Das wird auch hier in Thüringen wahrgenommen, dass ihr das geschafft habt und da ist so auch bei den Journalisten ein Zeichen ‚Hallo, da bewegt sich was’."
Das neue Selbstbewusstsein – oder warum die Finanzministerin trotzdem keine Tipps geben will
Mecklenburg-Vorpommern geht seit diesem Jahr also Seit an Seit mit Sachsen und Bayern – das ewig klamme Nehmerland mausert sich zum Vorzeigeland. Mit guten Ratschlägen hält sich Finanzministerin Keler trotzdem zurück.
"Ich mag da keine Tipps geben, ich weiß, dass mir das auch nicht gefallen würde."
Und sie weiß auch, dass der Erfolg bitter erkauft wurde. Die gute Laune und Zufriedenheit über die positiven Entwicklungen ist bei den Menschen im Land noch nicht angekommen. Die Zahl der Privat-Insolvenzen steigt – leben mit Schulden, das ist für viele im Land bitterer Alltag. Kann da das Vorbild der Politik trösten?
"Also ich bin von vielen angesprochen worden, die sich mitgefreut haben. Also gleich, als wir die Zahlen bekannt gegeben haben, haben mich Leute angerufen oder ich bin von Leuten angesprochen worden, ich hab mit jemanden telefoniert, der sagte, ach wissen sie Frau Keler, ich hab das auf der Autobahn im Radio gehört, ich hab mich so gefreut, ich will ihnen das schnell mal sagen und gratuliere, also, es ist wahrgenommen worden und es ist auch so ein Signal wir sind nicht überall schlecht, und wenn wir wollen, dann können wir auch weiter vorn mitmischen."