Leiharbeit für Ingenieure

Corona-Krisenprogramm für Nachwuchskräfte

07:26 Minuten
Ein junger Mann steht am Laptop in einem Technologizentrum
Junge Ingenieure waren gesucht, bis die Coronakrise kam. © Imago / Monkey Business
Von Thomas Wagner · 13.04.2021
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Ein Ingenieursstudium ist ein Garant für eine gute Arbeit. Eigentlich. In Coronazeiten kassieren aber auch die Absolventen technischer Studiengänge jede Menge Jobabsagen: Eine Art Leiharbeiterprogramm soll nun beim Start ins Berufsleben helfen.
Maschinenbau studieren – und dann unter einer Handvoll guter Jobangebote auswählen können. So war das über Jahre hinweg, vor Corona. Und jetzt?
"Mit der Einstellung bin ich auch an das Studium herangetreten. Ich dachte, ich werde gar keine Probleme haben, einen Job zu finden. Das hat sich leider doch als Irrtum rausgestellt, wahrscheinlich aufgrund der Pandemie. Ich habe mich auf ganz, ganz viele Stellen beworben und nur Absagen bekommen."

Sarah Gewilli, 23 Jahre alt, hat im November vergangenen Jahres an der Uni Stuttgart ihren Bachelor in Maschinenbau gemacht. Danach: eine Bewerbung schreiben nach der anderen – vergebens. Und dieses Schicksal teilte sie mit vielen anderen.
"Ich habe dann auch im September nach einem Job gesucht, habe dann auch viele Bewerbungen geschrieben und habe durch die Bank nur Absagen gekommen", erzählt Fabio Sgroi. Er hat an der Uni Ulm sein Studium der Elektrotechnik mit dem Master abgeschlossen – in Normalzeiten ein Garant für gute Jobangebote.

Unternehmen halten sich mit Neueinstellungen zurück

Doch in Pandemiezeiten ist auch auf dem Arbeitsmarkt vieles nicht mehr normal: Gerade mit Neueinstellungen halten sich die Unternehmen wegen der anhaltenden Unsicherheiten zurück. Viele Hochschulabsolventinnen und -absolventen bleiben auf der Strecke – es sei denn, sie stoßen auf ein neues Angebot:
"Ich weiß gar nicht, wann die erste Mail zu diesem Brückenprogramm gekommen ist – Januar oder so? Und da habe ich beschlossen: Da melde ich mich dann einfach an."
Beim sogenannten Brückenprogramm Ingenieurwissenschaften, ein Sonderprogramm des Bildungswerkes der Baden-Württembergischen Wirtschaft, das das baden-württembergische Wissenschaftsministerium mit neun Millionen Euro unterstützt.
Weitere Gelder kommen von der Bundesagentur für Arbeit. Im Prinzip funktioniert das Programm so: Absolventinnen und Absolventen aus den Bereichen Ingenieurwissenschaften oder Informatik, die gerade ihren Abschluss gemacht haben, können sich dort bewerben, werden zeitlich befristet angestellt – und weiterverliehen.
"Wir nutzen das Instrument der Zeitarbeit. Über Zeitarbeit wird dann in interessierte Betriebe der Industrie hineinverliehen, wenn die ihren Bedarf signalisieren, diese Absolventen für einige Monate projektbezogen unter Vertrag zu nehmen", erläutert Stefan Küpper vom Bildungswerk der baden-württembergischen Wirtschaft, ein Tochterunternehmen des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall.

Leiharbeit, Kurzarbeitergeld und Weiterbildung

Einerseits werden die jungen Ingenieure und Informatiker projektbezogen für einen bestimmten Zeitraum in ein Unternehmen hineinverliehen. Für die Zeit, in der das nicht möglich ist, gibt es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Brückenprogramms ein umfangreiches Weiterbildungsangebot.
"Wir setzen ja im bedarfsorientierten und praxisnahen Angeboten dort an, wo die zum einen überfachlichen Bereich sehr stark verankert sind, Stichwort: Projektmanagement. Aber auch das eine oder andere Fachliche, dass man noch anbieten kann, zum Beispiel im Bereich Data-Analytics und Data Science, ist Bestandteil der Weiterbildung."

Berufserfahrung sammeln

Für die Zeit der Teilnahme an solchen Coaching- und Weiterbildungsmaßnahmen erhalten diejenigen, die beim Brückenprogramm mitmachen, Kurzarbeitergeld. Und in der Phase ihrer befristeten Mitarbeit in einem Unternehmen als Leiharbeiter mit akademischen Weihen haben sie die Möglichkeit, praktische Berufserfahrungen zu sammeln, so Sarah Gewilli und Fabio Sgroi:
"Ja genau, das ist natürlich sehr wichtig, weil das der Berufseinstieg ist – und man so gut wie keine berufliche Erfahrung davor hatte. Und deswegen ist diese Praxis natürlich ganz wichtig!"
"Ich denke, das ist sehr hilfreich, wenn man sich bei einem weiteren Unternehmen neu bewirbt, dass man vorhalten kann: Ich habe in der Praxis schon mal gearbeitet, ich habe ein Projekt mitgestalten können. Da wird schon viel Wert darauf gelegt, habe ich in den Bewerbungsgespräche dann auch festgestellt."

Ein Krisen-Programm auf Zeit

Zunächst einmal bietet das Brückenprogramm nur eine zeitlich befristete Tätigkeit an – über die "Ausleihe" an ein interessiertes Unternehmen. Und: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden nach dem geltenden Tarif der Zeitarbeitsbranche bezahlt, der in der Regel deutlich unter den Entgelten für entsprechende festangestellte Beschäftigte liegt. Daran mag Stephan Küpper vom Bildungswerk der baden-württembergischen Wirtschaft aber nichts Anstößiges finden:
"Es ist ja klar befristet. Ende des Jahres ist Schluss! Also irgendwie die Angst zu haben, dass hier ein Nebenstrang aufgeht – unter dem Stichwort: Der billige Jakob –, das kann man gleich von der Hand weisen. Es ist ganz klar ein Kriseninstrument, dass keine Prolongierung erfahren wird."
Zwar stehe man jeglicher Form von Leiharbeit sehr kritisch gegenüber, erklärte ergänzend eine Sprecherin der IG Metall Baden-Württemberg. Allerdings: Sollte dieses Instrument im vorliegenden Fall tatsächlich zur Vermittlung Arbeit suchenden Studierenden in Jobs dienen, habe man dagegen nichts einzuwenden. Immerhin:
300 Nachwuchskräfte hätten sich bereits beworben, sagt Küpper. Maximal 500 Teilnehmer aus Baden-Württemberg können mitmachen und auf zeitlich befristete Jobs hoffen, zum Beispiel bei dem baden-württembergischen Anlagenbauer Hörbiger.
"Ich bin aber auch der Meinung, dass man als Unternehmen den Young Professionals eine Chance geben muss, dann Erfahrung zu sammeln. Und am Ende des Tages ist das für uns als Unternehmen auch eine günstige Variante, Leute kennenzulernen, die eine gute Motivation an den Tag legen", erklärt Hagen Donner, bei Hörbiger für Personalrekrutierung zuständig.

Hoffen auf eine festen Job

Dass das Unternehmen über das Brückenprogramm Absolventinnen und Absolventen einfach mal testen kann, ohne gleich weitergehende Verpflichtungen einzugehen, sei ein Vorteil.
"Jeder Kandidat, jeder Bewerber geht da natürlich ein Risiko ein, so einen kurzen Step drin zu haben und in Arbeitnehmerüberlassung so in Schleifen reinzukommen. Aber auf der anderen Seite gibt es auch den viel erwähnten Klebeeffekt: Wenn jemand da ist und einen guten Job macht, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, genommen zu werden."
Fabio Sgroi kann sich das auch vorstellen: Der Absolvent eines Studiums der Elektrotechnik hofft fest darauf, über seine Teilnahme an dem Brückenprogramm zu einem dauerhaften Job zu kommen.
"Ich fang jetzt im Mai an. Ich freue mich drauf. Das Ziel ist ja, dass man übernommen wird. Wenn alles passt, dann werde ich Ende des Jahres übernommen."
Doch auch erst Ende des Jahres wird Fabio Sgroi sicher wissen, ob sein Wunsch in Erfüllung geht. Den ersten Einstieg ins Arbeitsleben hat er durch das Brückenprogramm auf jeden Fall geschafft.
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