Leidensdruck und die richtigen Leute

Was politische Bewegungen erfolgreich macht

Dieter Rucht im Gespräch mit Ute Welty · 16.02.2019
Aufrufe zum Aktionstag "Bunte Westen" gibt es bundesweit. Die linke Sammlungsbewegung "Aufstehen" ruft die Menschen auf die Straße. Der Soziologe Dieter Rucht glaubt nicht an einen Erfolg, denn er sieht erhebliche Geburtsfehler dieser Bewegung.
Die linke Sammlungsbewegung "Aufstehen" hat heute bundesweit zum Aktionstag "Bunte Westen" aufgerufen. Die Demonstranten sind aufgerufen, nach dem Vorbild der französischen Gelbwesten in bunten Warnwesten zu erscheinen. Angekündigt sind Kundgebungen in mindestens 14 deutschen Städten.
Das Echo früherer Aktionen der im September 2018 auf Initiative der Linken-Politikerin Sarah Wagenknecht gegründeten Sammlungsbewegung sei immer äußerst mager gewesen, sagte dazu der Berliner Soziologe Dieter Rucht.
Rucht bezeichnete "Aufstehen" als "eine etwas unglückliche Gründung", die von oben und damit möglicherweise durch das falsche Personal ins Leben gerufen worden sei. Zwar seien etwa 170.000 Menschen Teil der Bewegung geworden, aber nicht alle seien engagierte Anhänger.

Fehlende Rückmeldung aus dem Führungszirkel

Viele Interessenten seien frustriert, so Rucht, weil sie nicht so genau wüssten, was sie tun sollen. Sie erwarteten Kontakt zum engeren Zirkel, suchten nach Anleitungen oder würden gerne Hinweise geben. "Und da kommt oft keine Rückmeldung."
Als Erfolg einer politischen Bewegung könne aber durchaus gewertet werden, wenn das Anliegen in der Öffentlichkeit aufgegriffen und breit diskutiert werden, sagte der Soziologe.
Als weitere allgemeine Kriterien für den Erfolg politischer Bewegungen nannte er:
- einen erheblichen Leidensdruck oder einen vorherrschender Eindruck von Ungerechtigkeit,
- Führungsfiguren, die die Bewegung steuern und die das Vertrauen der Mitglieder haben,
- den richtigen Zeitpunkt ("die Uhr steht fünf vor zwölf")
- und eine akzeptable Form, die das Gefühl vermittelt, dass etwas bewirkt wird.
(huc)
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