Leidenschaft für die Freiheit

Von Katrin Hondl · 14.11.2011
Für 7 Millionen Euro kaufte Frankreich das Manuskript der Memoiren von Giacomo Casanova, dem berühmtesten Verführer aller Zeiten. Die Bibliothèque Nationale de France präsentiert diesen Schatz in der Ausstellung "La passion de la liberté".
"Indem ich mir die genossenen Freuden ins Gedächtnis zurückrufe, erneuere ich sie und genieße ihrer zum zweiten Mal", schreibt Casanova im Vorwort seiner Memoiren. Dazu passend ist das Zentrum der Pariser Ausstellung ein ovaler Festsaal, der die sinnlichen Freuden illustriert, die Casanova sein Leben lang zu genießen verstand. An den Wänden hängen Darstellungen von opulenten Feiern und eleganten Diners, Zeichnungen zeigen hübsche Schauspielerinnen, und in einer Vitrine liegt das Manuskript von Mozarts Oper Don Giovanni.

Don Giovannis "Viva la libertà" passt perfekt zu Giacomo Casanova. Er ähnelt Don Giovanni ein bisschen, sagt Ausstellungskurator Frédéric Manfrin:

"Aber Casanova ist ein freier und fröhlicher Don Giovanni. Er umarmt das Leben, er ist tatsächlich verliebt. Casanova liebt und respektiert die Frauen wirklich. Das unterscheidet ihn von Don Giovanni."

Die französische Nationalbibliothek hat Casanovas Leben inszeniert wie ein großes Theaterstück. Zehn Episoden werden da erzählt, entsprechend den zehn großen Kapiteln von Casanovas Autobiografie. Gemälde zeigen Ansichten von Venedig, Konstantinopel oder Paris, Holzstatuen verkörpern Commedia dell’Arte-Figuren, Kleiderpuppen führen die Damenmode des 18. Jahrhunderts vor – mit jedem Kapitel der abenteuerlichen Lebensgeschichte wechseln die Kulissen.

"Alles in seinem Leben ist theatralisch. Er stammt aus einer venezianischen Schauspielerfamilie. Seine Statur ist beeindruckend: 1,88 Meter – ein Koloss. Wenn er irgendwo auftaucht, steht er im Mittelpunkt, immer sehr gut angezogen, mit Schmuck und Spitzen. Er spielt damit, kreiert sich selbst als eine Art Bühnenfigur. So macht er es auch am Ende seines Lebens, als er 'Geschichte meines Lebens' schreibt. Er inszeniert sich und schafft einen literarischen Mythos."

Und dieser mythische literarische Text ist selbstverständlich der eigentliche Mittelpunkt der Ausstellung. Zum ersten Mal präsentiert Frankreichs Bibliothèque Nationale hier die kostbare Handschrift, die der französische Staat im vergangenen Jahr für mehr als sieben Millionen Euro gekauft hat. Casanova hat auf großen Blättern geschrieben – ein Format zwischen dem heute üblichen A4 und dem Zeichenblockformat A3 –, seine Schrift ist gut zu lesen, schnörkellos und klar. Und die ausgewählten Blätter in den Ausstellungsvitrinen machen deutlich: Casanova interessierte sich nicht nur für Frauen. Ob in Paris, Warschau oder Berlin – Casanova versuchte überall, in der höfischen Gesellschaft zu reüssieren, indem er sich den Mächtigen als brillanter Macher verkaufte.

"Er lässt nichts aus. Alles interessiert ihn, er hat zu allem eine Meinung. Für Friedrich den Großen schreibt er eine mathematische Abhandlung und hofft, in die Berliner Akademie aufgenommen zu werden. Das klappt zwar nicht, aber er hat ja auch Pläne für eine Seifenmanufaktur in Warschau und eine Seidenmanufaktur für Katharina die Große. Für Ludwig XV. will er einen Kanal bauen. Aber er hat auch Projekte, aus denen etwas wird: Er gründet zum Beispiel eine Lotterie, und zwar mit der Hilfe von d’Alembert und Diderot."

D’Alembert und Diderot, die Autoren der Enzyklopädie, waren nicht die einzigen großen Denker seiner Zeit, mit denen Casanova in Kontakt war. Er kannte sie alle: von Goethe über Rousseau bis zu Voltaire, den er ganz besonders schätzte. Doch so sehr Casanova Voltaire auch bewunderte, die Philosophie der Aufklärung war seine Sache nicht. Mit der aufklärerischen Ablehnung der Religion beispielsweise war er nicht einverstanden. Schließlich hatte Casanova in frühen Jahren selbst eine Karriere als kirchlicher Prediger begonnen und war überzeugt, dass die Menschen die Religion bräuchten. Auch der Französischen Revolution konnte Casanova so gar nichts abgewinnen.

"Die Französische Revolution ist für ihn eine Katastrophe. Sein ganzes Universum verschwindet da. Die Gesellschaft, in der er sich zu entwickeln versteht, wo er sich mit Geschick den Mächtigen annähert. Die Revolution zerstört all das."

Und so beginnt Casanova im Revolutionsjahr 1789 seine Memoiren zu schreiben, die jetzt in der Bibliothèque Nationale de France so effektvoll in Szene gesetzt sind. Die Ausstellung "La passion de la liberté" ist eine theatralische Zeitreise ins 18. Jahrhundert, das so genannte "Jahrhundert der Vernunft", das hier zum Jahrhundert der Verführungskunst wird.

Informationen der Bibliothèque nationale de France zur Ausstellung "La passion de la liberté"
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