Leichtes Hörspiel mit schweren Themen

Von Tobi Müller · 23.09.2011
Im ehemaligen DDR-Funkhaus in der Berliner Nalepastraße bringt Regisseurin Sabrina Hölzer ein Hörspiel von Samuel Beckett mit einer Partitur des amerikanischen Avantgardisten Morton Feldman zusammen. Und lässt die Zuschauer dabei - ganz wortwörtlich - im Dunkeln sitzen.
"Words and Music" ist ein Hörspiel, das Samuel Beckett 1962 für die BBC gemacht hat, damals noch mit anderer Musik. Die Partitur des amerikanischen Avantgardisten Morton Feldman wurde erst 1987 realisiert. In der guten halben Stunde geht es um klassische Beckett-Themen wie die Flüchtigkeit des Augenblicks, die Tücken der Erinnerung und die Aufgabe der Kunst. In Berlin, im ehemaligen Funkhaus des DDR-Radios, zeigt die Regisseurin Sabrina Hölzer dieses leichte Hörspiel im englischen Original mit den schweren Themen ganz im Dunkeln.

Das Publikum sieht nichts mehr, obwohl es viel zu sehen gäbe. Den schönen kleinen Sendesaal zum Beispiel. Sechs Lautsprecher hängen im Raum, oben in der Kommandozentrale sind wahrscheinlich die im Programmheft erwähnten Infrarotkameras postiert, die auch im Dunkeln den Durchblick haben und ein Sicherheitsgefühl vermitteln sollen. Nebenan, im großen Sendesaal, spielt das Solistenensemble Kaleidoskop live Morton Feldmans Musik – Vibrafon, Querflöte, Streichquartett. Und die Stimmen von Shaun Lawton und des berühmten Filmschauspielers Hans Zischler wandern bei uns durch den Raum. Es gibt auch Zuschauer, Pardon: Zuhörer, die darob nervös werden.

Die Konstruktion ist bekannt von Beckett, und einfacher, als man meint: Es gibt den alten Tyrannen (Shaun Lawton), der über zwei Diener befiehlt: Joe/Words (Hans Zischler) und Bob/Music (Solistenensemble). Es geht also um den Widerstreit von Wort und Musik, über deren Fähigkeit, alleine oder kurzzeitig auch zusammen Erfahrungen zu wiederholen, auszudrücken, zu bannen vielleicht. Der Tyrann ist wohl der Künstler selbst, er tritt auf und mahnt seine zankenden Diener zu Vernunft. Zu drei Themen, die eng verbunden sind, müssen Joe/Words und Bob/Music sich etwas einfallen lassen: Love, Age, The Face.

Schön, wie sich etwa im Abschnitt über das Altern allmählich Arien aus tastenden, unsicheren Sprech-, bei Zischler Sprechgesangsweisen ergeben, während die Musik zugleich leichtfüßige, aber doch deutlich fallende Tonfolgen dazu beisteuert. The Face beschreibt dann eine erotische Erinnerung des alternden Croak. Joe/Words wählt dafür eine fast chirurgische Distanz, während Bob/Music deutlich näher an das Verlustgefühl der Erinnerung kommt. Je präsenter die zugleich abstrakte wie sinnfällige Musik, je mehr verschwindet Croak, der Künstler, wenn man will: der Autor im Nichts. In der Dunkelheit. Mit einem leisen Seufzen.