Leichtathletin Caster Semenya

Die pragmatische Frage nach dem Testosteron-Limit

05:31 Minuten
Die Leichtathletin Mokgadi Caster Semenya im Profil.
Die Leichtathletin Mokgadi Caster Semenya. © picture alliance/Petr Sznapka/CTK/dpa
Catherine Newmark im Gespräch mit Gabi Wuttke · 01.05.2019
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Der Internationale Sportgerichtshof hat entschieden, dass die Läuferin Caster Semenya nur noch gegen andere Frauen antreten darf, wenn sie ihre männlichen Hormone mit Medikamenten absenkt. Catherine Newmark plädiert für neue Kategorien im Sport.
Die 800-Meter-Läuferin Caster Semenya aus Südafrika gewann zweimal Gold bei den Olympischen Spielen und war zweimal Weltmeisterin. Heute hat der Internationale Sportgerichtshof CAS ihr endgültig untersagt, zu laufen, so wie sie ist. Weil sie in ihrem Körper zu viel Testosteron hat, darf sich Caster Semenya auf ihrer Stammstrecke nur noch gegen andere Läuferinnen behaupten, wenn sie ihre männlichen Hormone mit Medikamenten absenkt.
Die auf Kultur- und Genderfragen spezialisierte Journalistin Catherine Newmark ruft im Deutschlandfunk Kultur die im Sport seit Jahrzehnten laufende Debatte über die Frage, wann eine Frau eine Frau ist, in Erinnerung. Das Interessante an diesem sicher kritikwürdigen historischen Verlauf sei, dass heute nicht mehr die Frage diskutiert werde, ob Semenya eine Frau ist.

Steigert Testosteron die Leistung?

"Es wird lediglich das Urteil gefällt, dass Frauenwettkämpfe im Leistungssport mit einem Testosteron-Limit einhergehen müssen, dass das sozusagen das Kriterium ist." Doch in gewisser Weise sei die Testosteronfrage umstritten, berichtet Newmark.
Einerseits gebe es Wissenschaftler, die klar das männliche Hormon für die höhere Leistungsfähigkeit verantwortlich machten, während es andererseits auch Forscher gebe, die nachgewiesen hätten, dass besonders leistungsfähige Männer oft ein niedriges Testosteronlevel haben. Das könne aber auch wieder mit Doping zusammenhängen, da Steroide das Hormonlevel auch senken können, erklärt Newmark.

Zweigeschlechtlichkeit aufbrechen

Im Moment arbeite die Gesellschaft an Inklusion, gibt Newmark zu bedenken. Das wiederum bedeute, "dass wir uns anders definieren können als Geschlecht, Zweigeschlechtigkeit aufbrechen können, sozusagen non-binary sein können, nicht nur trans-, sondern auch intersexuell und uns nicht mehr festlegen müssen".
Im Sport werde sehr aufgeregt darüber diskutiert, ob Transfrauen, die Sport betreiben, körperlich einen Vorteil haben. Hieran erkenne man die sehr engen Kategorien des Männlichen und Weiblichen, die im Sport noch bestünden, aber "angesichts unserer Realität nicht mehr halten".

Arbiträre Kategorien im Sport

Irritierend an der Diskussion sei aber, dass man beide Seiten verstehen könne: einerseits den Wunsch, als Transfrau nicht diskriminiert zu werden, und andererseits die Befürchtung der Cis-Frauen, aufgrund des unterschiedlichen Testosteronniveaus einen Nachteil zu haben. Aber Sportwettkämpfe seien letztlich nach arbiträren Kategorien organisiert. Von daher sei es fraglich, ob der Gang zum Menschenrechtsgerichtshof in Den Haag wirklich Sinn mache. Bei der Organisation der Wettkämpfe handle es sich vor allem um eine pragmatische Frage.
Newmark prophezeit, dass es Jahre bis zu einer gerechten Lösung dauern werde, so lange nämlich, "bis wir alle Geschlechtergrenzen aufgehoben haben. Dann haben wir vielleicht 50 verschiedene Leistungskategorien. Dann wird es spannend!"
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