Lehrermangel in Deutschland

"Es sind auch hausgemachte Probleme"

Eine leere Schultafel und eine Schultasche.
Der Lehrermangel ist auch hausgemacht, sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. © imago / Ute Grabowsky
Heinz-Peter Meidinger im Gespräch mit André Hatting · 10.09.2018
Etwa 10.000 Lehrerstellen werden in diesem Jahr nicht besetzt werden, schätzt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Das hätte die Politik aber voraussehen können, und zum Beispiel für mehr Studienplätze sorgen können.
Vertretungen, Ausfälle, Unterbesetzungen – es gibt zu wenig Lehrkräfte in Deutschland.
"Nach dem, was bereits bekannt ist, rechnen wir damit, dass etwa 10.000 Lehrerstellen überhaupt nicht besetzt werden konnten und etwa 30.000 weitere besetzt werden durch Personen, die eigentlich keine Lehrerausbildung haben", sagt Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.
Besonders dramatisch sei die Situation in Berlin, u.a. "weil Berlin das einzige Bundesland ist, das seine Lehrer nicht verbeamtet", sagt Meidinger.
Auch in den neuen Bundesländer gebe es einen großen Lehrermangel, aber auch in Flächenländern wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg seien mehrere Tausend Lehrerstellen nicht besetzt.

Nicht auf Geburtenanstieg reagiert

Besonders schlimm ist die Lage an Grundschulen. "Das ist ein hausgemachtes Versäumnis der Schulministerien", so Meidinger. "Man hat auf den Geburtenanstieg, den es seit 2012 gibt, nicht reagiert, man hätte wissen können, dass mehrere hunderttausend Kinder zusätzlich zur bisherigen Statistik geboren werden. Dass das dann Auswirkungen hat, darauf hat man nicht reagiert".
Zum anderen seien die Studienplätze für das Grundschullehramt massiv abgebaut worden, berichtet Meidinger. Und im Zuge der großen Flüchtlingswellen seien auch etwa 200.000 Kinder im Grundschulalter nach Deutschland gekommen.
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, aufgenommen am 15.04.2016 in seinem B
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes© dpa/picture-alliance/Gregor Fischer
Damit nicht zu viel Unterricht ausfällt, setzen deshalb einige Länder auf Quereinsteiger. Das führe aber dazu, dass beispielsweise in Berlin "zwei von drei neu eingestellten Grundschullehrkräften keine ausgebildeten Grundschullehrkräfte sind, die teilweise noch nie etwas von Pädagogik gehört haben. Da kann man bei allem subjektiven Bemühen dieser Personen, dass sie guten Unterricht machen, eben nicht erwarten, dass dieser ähnlich effektiv und erfolgreich ist wie eine Unterricht von ausgebildeten Lehrkräften."

Numerus Clausus fürs Grundschulstudium?

Nichtsdestotrotz sei der Lehrerberuf für viele junge Menschen nach wie vor attraktiv, ist Meidinger überzeugt. Aber:
"Ich glaube trotzdem, dass nach wie vor sehr viele junge Leute Lehramt studieren würden, wenn sie die Gelegenheit hätten. In Berlin gab es im vorletzten Jahr nur noch 180 Studienplätze für Grundschullehramt und erheblich mehr Bewerber. Also es sind auch hausgemachte Probleme, dass man Leute, die das studieren wollten, nicht gelassen hat, es gab einen hohen Numerus clausus, um Grundschullehramt zu studieren. Bei dem jetzigen Lehrermangel kann man sich diesen Skandal kaum vorstellen."
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