Lehrer Dieter Bachmann

"Ich mache Fehler, aber ich bin nicht der Fehler"

34:20 Minuten
Dieter Bachmann steht in lockerer Haltung an einem Stehtisch
Dieter Bachmann bei einer Aufführung des Dokumentarfilms "Herr Bachmann und seine Klasse" im Rio Filmpalast in München. © imago / Future Image / Steffi Adam
Moderation: Britta Bürger · 23.09.2021
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Musiker, Steinmetz, Aussteiger – und dann auch noch Lehrer. Jetzt ist Dieter Bachmann im Kino zu sehen. "Herr Bachmann und seine Klasse" heißt die bewegende Langzeitdoku über ihn und seine Schüler. Bachmanns Rezept: miteinander reden und sich zuhören.
Als der Entschluss feststeht, es ernsthaft mit dem Lehrerberuf zu versuchen, hat Dieter Bachmann seine eigene Schulzeit in ziemlich dunkler Erinnerung: "Ich wollte nicht noch mal in die Schule gehen und das erleben, was ich selber als Schüler erlebt hatte, nämlich in der Volksschule noch geschlagen werden und dann vor Langeweile fast zu sterben, das wollte ich einfach nicht."
Er ist schon über vierzig, als er zurück in die Schule kommt und muss erst mal herausfinden, wie das am besten funktioniert, ein guter Lehrer zu sein. "Ich habe mit der Zeit gelernt, dass es das Beste ist, wenn ich auf die Schüler höre, wenn ich da reinhöre, was die sich wünschen, das war ja auch immer ganz unterschiedlich." So ließen sich manche Klassen über den Sport, manche über das Malen und manche über die Musik erreichen. Dabei sei es immer wichtig neben dem Unterricht auch zu wissen, wie die Lebenssituation der Schüler und Schülerinnen aussieht, sie zu verstehen, sie zu ermutigen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, ohne dabei die Distanz zu verlieren: "Diese Distanz ist einfach notwendig, um über Jahre so einen Job machen zu können."

Schule im Kino

Über seine Arbeit hat die Regisseurin Maria Speth eine Langzeitdokumentation gedreht: "Herr Bachmann und seine Klasse". Der Vorschlag, einen Film über seine Klasse zu machen, aber auch über das hessische Stadtallendorf, ein bunter "Multikulti-Ort wie Kreuzberg nur eben in klein und auf dem Land", kam von Bachmann selbst. Von 240 Stunden gedrehtem Material sind immerhin dreieinhalb Stunden für die Kinofassung übrig geblieben.
Vom Ergebnis ist Bachmann sehr angetan, er hofft, dass es auch anderen Lehrern Mut macht, unkonventionellere Wege zu gehen, dass die "die schon Ansätze haben, die Schule als einen nestwarmen Lebensort zu gestalten, dann mutiger werden". Eine warme Atmosphäre sei schon deshalb wichtig, weil wir so viel Zeit in der Schule verbringen: "Das ist ja neben der Familie ein wahnsinnig wichtiger Sozialisationsort." Dazu gehöre, dass man die Kinder anerkennt, ihre Fortschritte sieht und sie nicht auf ihre Mängel reduziert, dass man ihnen klarmacht: "Ich mache Fehler, aber ich bin nicht der Fehler."

Steine klopfen und Pferde führen

Bei seinem ersten Versuch, als Lehrer zu arbeiten, kurz nach Studium und Referendariat, warf Bachmann nach einem Jahr das Handtuch: "Ich gehe lieber ein Jahr in den Knast als das ich hierbleibe", sagte er dem Direktor der Berufsschule, an der er angestellt war. Er sei einfach noch nicht so weit gewesen, die Führungsstärke habe gefehlt. "Wenn Sie bei einem Pferd nicht aufpassen und nicht in einer guten Position ein Pferd führen, dann dreht sich das schnell um, und weiß schnell, dass man nicht der Chef ist und dann kämpft man um sein Leben, und das ist bei Schülern nicht viel anders", erklärt Bachmann, der selbst zwei Islandpferde hat und früher viel geritten ist.
Seine "Lebensrettung", wie er sagt, war in jener Zeit eine Ausbildung zum Steinmetz, etwas ganz anderes und wesentlich Ruhigeres. Irgendwann wurde ihm der "Steinbruch" aber doch zu einsam. So hatte er ein offenes Ohr, als eine Kundin, deren Gartenteich er mit Steinen umrandete, ihm einen Vorschlag machte: "So jemanden wie sie, den könnten wir hier an der Gesamtschule gebrauchen, um ein bisschen mit unseren schlimmen Jungen mal Steine zu klopfen." Eine Woche später klopfte er mit eben diesen Jungen Steine: "Das war der Beginn. Da fing die eigentliche Liebe an." Dass diese Liebe mit der Pensionierung – 2018 war es so weit - irgendwann ein Ende finden musste, war für Bachmann gar nicht leicht: "Ich habe ja auch zwei Jahre verlängert. Ich war wohl der erste Lehrer an dieser Schule, der das gemacht hat."
(mah)
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