Legende unter den Maskenbildnern
Wolfgang Utzt arbeitete mit Regisseuren wie Benno Besson, Heiner Müller und Robert Wilson vor allem am Deutschen Theater Berlin zusammen. Seine Masken haben Theatergeschichte geschrieben. Sie werden erstmals im Schloss Neuhardenberg gezeigt.
Porträtfotografen oder Kamerateams, die einen Termin mit Schauspiel-Stars oder anderen Prominenten ergattern, werden immer häufiger aufgefordert: "Die Maske ist mitzubringen!" Sie sollen also selbst für den Schmink-Virtuosen sorgen, der das jeweilige Gesicht vorteilhaft in Szene setzt. Wolfgang Utzt hat diesen Trend vorhergesehen, Goethe sei Dank:
Wolfgang Utzt: "Wir hatten im 'Faust II' ein Bild in der Mummenschanz, das nannten wir den "Schönheitssalon": Da wollten alle Damen der Gesellschaft aussehen wie die schöne Helena. Da habe ich dann Masken aus Plastikfolie gepresst. Immer eine nach der anderen wie Plastikeimer von der Industrie."
Soweit zur Ironie, die in Utzts erster Werk-Ausstellung im Schloss Neuhardenberg nicht allzu bitter ausfällt: Figurinen mit dem Antlitz von Cäsar und Churchill, Stalin oder Hitler verweisen auf die immer schon zur Schau getragene Charaktermaske. Zwei Dutzend Gipsabdrücke von Gesichtern bekannter Schauspieler am Deutschen Theater Berlin - Arbeits-Modelle für die Theaterwerkstatt - zeigen im Vergleich mit der blutrünstigen Ledermaske eines Hauptmann Fortinbras, der Pappmaché-Larve des lüsternen Grafen Valmont oder lebensecht wirkenden Plastilin-Häuten aus dem "Disney-Killer", was ein Maskenbildner zur Wandlungsfähigkeit des Schauspielers beitragen kann. Seit einiger Zeit aber ist diese Kunst ins Hintertreffen geraten, hat das Theater die Maske abgenommen, ist das Publikum auf bekannte Gesichter von Stars fixiert, kritisiert Kurator Frank Hörnigk:
"Dadurch wird natürlich die diffuse Maske des Gesichts zum Universalmodell - und zur absoluten Lüge."
Die Maske dagegen verhindert eindeutige Rollenzuschreibungen, wirft die Frage auf, ob sich hinter der Larve des Opfers nicht auch ein Täter verbirgt. Bei Heiner Müller zum Beispiel zeigt sich im armen Woyzeck auch der Jäger Runge, der Mörder von Rosa Luxemburg. Und in der Zusammenarbeit mit diesem Regisseur hat Wolfgang Utzt erkannt:
"Wenn der Schauspieler ohne Maske spielt, dann versucht er sich mit der Mimik auszudrücken. Und wenn er eine Maske auf hat, die eine ganz bestimmte, starre Form hat, dann muss er natürlich den gesamten Körper einsetzen."
Manch einer findet seine Rolle erst im Spiel gegen die Maske, auf der Bühne wird die Larve dann zur changierenden Kippfigur. Diese Erfahrung kann eine Ausstellung nicht bieten, aber Kurator Hörnigk setzt den Besucher ganz ähnlichen Verunsicherungen aus. Erst einmal steht man vor einer Fotowand mit Schauspielerporträts, spiegelt sich dazwischen in Silberfolie. Und schaut dann auf abgeschlagene Köpfe, die geschlachteten Königssöhne aus Shakespeares "Titus Andronicus":
Frank Hörnigk: "Die Täuschung, die so schön ist, die wird konterkariert durch die Provokation dieser blutenden Köpfe, die gar keine Masken mehr sind sondern nur noch Fleisch."
Weniger spektakulär, aber ebenso eindrucksvoll hat der Maskenbildner Utzt diese Metapher gewalttätiger Verrohung für Heiner Müllers "Hamletmaschine" mit Ulrich Mühe in Szene gesetzt. Eine geradezu winzige Raubtiermaske, eigentlich nur ein Haarschopf mit weit aufgerissenem Gebiss erinnert an das Kunststück.
Wolfgang Utzt: "Wenn er fast die Bühnenmitte erreicht hat, sollte er sich umdrehen und sollte verwolfen, also sollte ein Wolf sein. Und diese Maske, er musste sie vorher im Mantel verstecken und er musste sie sich selbst aufsetzen. Das war ein großer Vorgang, der dauerte aber nur zwei oder drei Sekunden."
Von anderen Inszenierungen sind nur farbige Skizzen geblieben, in denen sich die malerischen Qualitäten des Maskenbildners zeigen. Etwa eine Porträtserie des Schauspielers Jörg Gudzuhn, dessen Gesicht in widernatürlich verfremdeten Neonfarben schillert:
Wolfgang Utzt: "Dass die Schauspieler immer greller werden in ihrer Schminke, das hat nachher mit dem unglaublich genialen Bühnenbild nicht funktioniert. Und dann muss man sich eben zurücknehmen. Dann bleibt eine Zeichnung hier übrig, Gudzuhn da hinten ganz grell - und so war es dann eben nicht. Aber damit kann ich leben."
Denn mit berechtigtem Stolz schaut der ehemalige Chef-Maskenbildner des Deutschen Theaters auf eine lange Reihe von Fotoporträts, die alle Wandlungen des Schauspielers Daniel Morgenroth als Peer Gynt dokumentieren. So viele Lebensalter, so viele Rollen - und alle hat Wolfgang Utzt ganz verschieden angelegt, diesmal allerdings mit Schminkmasken, immer nur für diesen einen Bühnenmoment. Auch dieses schnell vergängliche Handwerk beherrscht er, und ähnelt darin einem Performance-Künstler:
Wolfgang Utzt: "Das Gesicht ist unendlich - und ich bin eigentlich gegen Masken und tue nur hinzu, was nötig ist. Das ist ein wichtiger Punkt, dass man jemanden nicht zumacht, sondern dass man ihn öffnet durch die Maske."
Wolfgang Utzt: "Wir hatten im 'Faust II' ein Bild in der Mummenschanz, das nannten wir den "Schönheitssalon": Da wollten alle Damen der Gesellschaft aussehen wie die schöne Helena. Da habe ich dann Masken aus Plastikfolie gepresst. Immer eine nach der anderen wie Plastikeimer von der Industrie."
Soweit zur Ironie, die in Utzts erster Werk-Ausstellung im Schloss Neuhardenberg nicht allzu bitter ausfällt: Figurinen mit dem Antlitz von Cäsar und Churchill, Stalin oder Hitler verweisen auf die immer schon zur Schau getragene Charaktermaske. Zwei Dutzend Gipsabdrücke von Gesichtern bekannter Schauspieler am Deutschen Theater Berlin - Arbeits-Modelle für die Theaterwerkstatt - zeigen im Vergleich mit der blutrünstigen Ledermaske eines Hauptmann Fortinbras, der Pappmaché-Larve des lüsternen Grafen Valmont oder lebensecht wirkenden Plastilin-Häuten aus dem "Disney-Killer", was ein Maskenbildner zur Wandlungsfähigkeit des Schauspielers beitragen kann. Seit einiger Zeit aber ist diese Kunst ins Hintertreffen geraten, hat das Theater die Maske abgenommen, ist das Publikum auf bekannte Gesichter von Stars fixiert, kritisiert Kurator Frank Hörnigk:
"Dadurch wird natürlich die diffuse Maske des Gesichts zum Universalmodell - und zur absoluten Lüge."
Die Maske dagegen verhindert eindeutige Rollenzuschreibungen, wirft die Frage auf, ob sich hinter der Larve des Opfers nicht auch ein Täter verbirgt. Bei Heiner Müller zum Beispiel zeigt sich im armen Woyzeck auch der Jäger Runge, der Mörder von Rosa Luxemburg. Und in der Zusammenarbeit mit diesem Regisseur hat Wolfgang Utzt erkannt:
"Wenn der Schauspieler ohne Maske spielt, dann versucht er sich mit der Mimik auszudrücken. Und wenn er eine Maske auf hat, die eine ganz bestimmte, starre Form hat, dann muss er natürlich den gesamten Körper einsetzen."
Manch einer findet seine Rolle erst im Spiel gegen die Maske, auf der Bühne wird die Larve dann zur changierenden Kippfigur. Diese Erfahrung kann eine Ausstellung nicht bieten, aber Kurator Hörnigk setzt den Besucher ganz ähnlichen Verunsicherungen aus. Erst einmal steht man vor einer Fotowand mit Schauspielerporträts, spiegelt sich dazwischen in Silberfolie. Und schaut dann auf abgeschlagene Köpfe, die geschlachteten Königssöhne aus Shakespeares "Titus Andronicus":
Frank Hörnigk: "Die Täuschung, die so schön ist, die wird konterkariert durch die Provokation dieser blutenden Köpfe, die gar keine Masken mehr sind sondern nur noch Fleisch."
Weniger spektakulär, aber ebenso eindrucksvoll hat der Maskenbildner Utzt diese Metapher gewalttätiger Verrohung für Heiner Müllers "Hamletmaschine" mit Ulrich Mühe in Szene gesetzt. Eine geradezu winzige Raubtiermaske, eigentlich nur ein Haarschopf mit weit aufgerissenem Gebiss erinnert an das Kunststück.
Wolfgang Utzt: "Wenn er fast die Bühnenmitte erreicht hat, sollte er sich umdrehen und sollte verwolfen, also sollte ein Wolf sein. Und diese Maske, er musste sie vorher im Mantel verstecken und er musste sie sich selbst aufsetzen. Das war ein großer Vorgang, der dauerte aber nur zwei oder drei Sekunden."
Von anderen Inszenierungen sind nur farbige Skizzen geblieben, in denen sich die malerischen Qualitäten des Maskenbildners zeigen. Etwa eine Porträtserie des Schauspielers Jörg Gudzuhn, dessen Gesicht in widernatürlich verfremdeten Neonfarben schillert:
Wolfgang Utzt: "Dass die Schauspieler immer greller werden in ihrer Schminke, das hat nachher mit dem unglaublich genialen Bühnenbild nicht funktioniert. Und dann muss man sich eben zurücknehmen. Dann bleibt eine Zeichnung hier übrig, Gudzuhn da hinten ganz grell - und so war es dann eben nicht. Aber damit kann ich leben."
Denn mit berechtigtem Stolz schaut der ehemalige Chef-Maskenbildner des Deutschen Theaters auf eine lange Reihe von Fotoporträts, die alle Wandlungen des Schauspielers Daniel Morgenroth als Peer Gynt dokumentieren. So viele Lebensalter, so viele Rollen - und alle hat Wolfgang Utzt ganz verschieden angelegt, diesmal allerdings mit Schminkmasken, immer nur für diesen einen Bühnenmoment. Auch dieses schnell vergängliche Handwerk beherrscht er, und ähnelt darin einem Performance-Künstler:
Wolfgang Utzt: "Das Gesicht ist unendlich - und ich bin eigentlich gegen Masken und tue nur hinzu, was nötig ist. Das ist ein wichtiger Punkt, dass man jemanden nicht zumacht, sondern dass man ihn öffnet durch die Maske."