Leergefischt
In wenigen Jahren werden viele Fischsorten nicht mehr auf unserem Speiseplan auftauchen. Der industrialisierte Fischfang, die klimatischen Veränderungen der Meere und die Tatenlosigkeit der Politik führen dazu, dass sich die Bestände nicht mehr ausreichend erholen können. Mit der maritimen Vielfalt ist es – so die Experten in „Meer ohne Fische?“ – schon bald vorbei.
Streichen sie die Schillerlocke von ihrem Speisezettel, denn die stammt aus dem Bauchhautlappen des Dornhais. Meiden Sie Kabeljau. Und auf Aal sollten sie besser auch verzichten. Sonst wird es diese Fische bald nicht mehr geben.
Ob die Verzichtsappelle von Greenpeace etwas nutzen, ist zu bezweifeln, denn Fische erregen kein Mitleid wie gestrandete Wale oder Robbenbabys. Dabei ersticken tagtäglich Millionen von ihnen auf den Decks der Fangboote als unerwünschter Beifang, der sterbend wieder im Meer landet. Doch das lässt uns kalt, meint der Politikwissenschafter Kurt-Peter Merk in seinem Aufsatz „Das Rechtsregime der Meere“. „Kalt wie ein Fisch“ das Sprichwort sagt vieles aus über unser Verhältnis zu den Mitgeschöpfen aus dem Meer.
Haben wir bald ein „Meer ohne Fische?“, fragt denn auch der von dem Münchner Ökologe Peter Cornelius Mayer-Tasch herausgegebene Sammelband. Der Untertitel „Profit und Welternährung“ gibt die Richtung der Aufsätze vor. Achtmal beleuchten neun Autoren das hochaktuelle Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten. Gerade ist wieder ein Report des WWF erschienen, der eindringlich vor den Folgen der dramatischen Überfischung der Weltmeere warnt.
Ermüdend ist, dass die Basisfakten in jedem Aufsatz noch einmal durchgekaut werden und mancher Autor den Leser mit Fremdwörtern erschlägt. Aber man muss ja nicht alle Aufsätze auf einmal lesen, sondern sich gezielt einzelne Texte auswählen. Trotzdem lohnt die Lektüre, vor allem die der Einführung. In seiner Kulturgeschichte „Große Fische, kleine Fische“ geht der Herausgeber auf unser ambivalentes Verhältnis zu den Wasserbewohnern ein. In China sind Goldfische bis heute Glücksymbole. In der abendländischen Kultur ist der Fisch Zeichen der Christen geworden, Symbol der Heilsbotschaft: Jesus, der seine Jünger zu Menschenfischern macht. Doch je größer der Fisch, desto größer die Furcht. Jonas wird vom Walfisch verschlungen. Ahab vom weißen Wal in den Tod gerissen. Die Literatur kennt viele Meeresungeheuer.
Die anderen Aufsätze wenden sich der Realität zu, der Meeresfischerei als Wirtschaftsfaktor, der internationalen Rechtssituation und den ökologischen, klimapolitischen und moralischen Fragen. Zweifelsohne betreibt die industriell organisierte Fischerei Raubbau. Vor allem hochmoderne Trawler mit kilometerlangen Schlepp- und Treibnetzen sowie bis zu 100 Kilometer nachgeschleppten Langleinen räumen die Fischgründe radikal leer. Das Ergebnis ist schockierend. Mehr als 75 Prozent der Fischbestände weltweit sind bereits am Rande des Zusammenbruchs, wie Harald Bergbau und Patrick Uwe Petit in ihrem Aufsatz „Die Meeresfischerei als Faktor der Weltwirtschaft“ vorrechnen.
Angesichts solcher Tatbestände sollte man annehmen, die Weltgemeinschaft würde aufschrecken und drastische Schutzmaßnahmen beschließen. Immerhin sind, wie das Buch aufzeigt, Milliarden Menschen auf das Nahrungsmittel Fisch angewiesen, leben vom Fischfang im Kleinen. Doch alle Autoren beklagen, dass außer Fensterreden nichts passiert. Kurzfristige wirtschaftliche Interessen verhinderten höchst erfolgreich jeden Versuch, der Fischerei Grenzen zu setzen. Mit EU-Subventionen wird der Raubbau sogar noch forciert. Nachdem die Fischbestände vor der Haustür drastisch zurückgegangen sind, kauft sich die EU jetzt das Recht, vor Afrikas Küsten die Meere auszuräumen. Das Nachsehen haben die einheimischen Fischer. Für sie bleibt zu wenig übrig. Nicht wenige verkaufen ihre Boote an Flüchtlinge, die Europa zu erreichen suchen.
Dabei wäre es gar nicht so schwer, Fangbeschränkungen auszusprechen und durchzusetzen. Erstaunlicherweise fehlt es nicht an internationalen Gesetzen und Rechtsabkommen. Nur werden sie nicht angewandt, noch nicht einmal gegenüber den illegalen Piratenfischern. Die Politik, so die Quintessenz aller Aufsätze, hat bislang kläglich versagt. Bleiben die Fischkonsumenten, die als kritische Verbraucher alles boykottieren könnten, was nicht nachhaltig gefangen wurde. Doch angesichts des Trends zum „gesunden Fisch“ heißt es im Kapitel „Republik der Fische“ zu Recht: „Viel Hoffnung ist nicht.“
Rezensent von Johannes Kaiser
Peter Cornelius Mayer-Tasch (Hrsg.): Meer ohne Fische? Profit und Welternährung
Campus Verlag Frankfurt am Main, 2007
232 Seiten, 19,90 Euro
Ob die Verzichtsappelle von Greenpeace etwas nutzen, ist zu bezweifeln, denn Fische erregen kein Mitleid wie gestrandete Wale oder Robbenbabys. Dabei ersticken tagtäglich Millionen von ihnen auf den Decks der Fangboote als unerwünschter Beifang, der sterbend wieder im Meer landet. Doch das lässt uns kalt, meint der Politikwissenschafter Kurt-Peter Merk in seinem Aufsatz „Das Rechtsregime der Meere“. „Kalt wie ein Fisch“ das Sprichwort sagt vieles aus über unser Verhältnis zu den Mitgeschöpfen aus dem Meer.
Haben wir bald ein „Meer ohne Fische?“, fragt denn auch der von dem Münchner Ökologe Peter Cornelius Mayer-Tasch herausgegebene Sammelband. Der Untertitel „Profit und Welternährung“ gibt die Richtung der Aufsätze vor. Achtmal beleuchten neun Autoren das hochaktuelle Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten. Gerade ist wieder ein Report des WWF erschienen, der eindringlich vor den Folgen der dramatischen Überfischung der Weltmeere warnt.
Ermüdend ist, dass die Basisfakten in jedem Aufsatz noch einmal durchgekaut werden und mancher Autor den Leser mit Fremdwörtern erschlägt. Aber man muss ja nicht alle Aufsätze auf einmal lesen, sondern sich gezielt einzelne Texte auswählen. Trotzdem lohnt die Lektüre, vor allem die der Einführung. In seiner Kulturgeschichte „Große Fische, kleine Fische“ geht der Herausgeber auf unser ambivalentes Verhältnis zu den Wasserbewohnern ein. In China sind Goldfische bis heute Glücksymbole. In der abendländischen Kultur ist der Fisch Zeichen der Christen geworden, Symbol der Heilsbotschaft: Jesus, der seine Jünger zu Menschenfischern macht. Doch je größer der Fisch, desto größer die Furcht. Jonas wird vom Walfisch verschlungen. Ahab vom weißen Wal in den Tod gerissen. Die Literatur kennt viele Meeresungeheuer.
Die anderen Aufsätze wenden sich der Realität zu, der Meeresfischerei als Wirtschaftsfaktor, der internationalen Rechtssituation und den ökologischen, klimapolitischen und moralischen Fragen. Zweifelsohne betreibt die industriell organisierte Fischerei Raubbau. Vor allem hochmoderne Trawler mit kilometerlangen Schlepp- und Treibnetzen sowie bis zu 100 Kilometer nachgeschleppten Langleinen räumen die Fischgründe radikal leer. Das Ergebnis ist schockierend. Mehr als 75 Prozent der Fischbestände weltweit sind bereits am Rande des Zusammenbruchs, wie Harald Bergbau und Patrick Uwe Petit in ihrem Aufsatz „Die Meeresfischerei als Faktor der Weltwirtschaft“ vorrechnen.
Angesichts solcher Tatbestände sollte man annehmen, die Weltgemeinschaft würde aufschrecken und drastische Schutzmaßnahmen beschließen. Immerhin sind, wie das Buch aufzeigt, Milliarden Menschen auf das Nahrungsmittel Fisch angewiesen, leben vom Fischfang im Kleinen. Doch alle Autoren beklagen, dass außer Fensterreden nichts passiert. Kurzfristige wirtschaftliche Interessen verhinderten höchst erfolgreich jeden Versuch, der Fischerei Grenzen zu setzen. Mit EU-Subventionen wird der Raubbau sogar noch forciert. Nachdem die Fischbestände vor der Haustür drastisch zurückgegangen sind, kauft sich die EU jetzt das Recht, vor Afrikas Küsten die Meere auszuräumen. Das Nachsehen haben die einheimischen Fischer. Für sie bleibt zu wenig übrig. Nicht wenige verkaufen ihre Boote an Flüchtlinge, die Europa zu erreichen suchen.
Dabei wäre es gar nicht so schwer, Fangbeschränkungen auszusprechen und durchzusetzen. Erstaunlicherweise fehlt es nicht an internationalen Gesetzen und Rechtsabkommen. Nur werden sie nicht angewandt, noch nicht einmal gegenüber den illegalen Piratenfischern. Die Politik, so die Quintessenz aller Aufsätze, hat bislang kläglich versagt. Bleiben die Fischkonsumenten, die als kritische Verbraucher alles boykottieren könnten, was nicht nachhaltig gefangen wurde. Doch angesichts des Trends zum „gesunden Fisch“ heißt es im Kapitel „Republik der Fische“ zu Recht: „Viel Hoffnung ist nicht.“
Rezensent von Johannes Kaiser
Peter Cornelius Mayer-Tasch (Hrsg.): Meer ohne Fische? Profit und Welternährung
Campus Verlag Frankfurt am Main, 2007
232 Seiten, 19,90 Euro