Leere Ästhetik ohne Inhalt
Der scheidende Leiter der Deichtorhallen, Robert Fleck, hat die Künstler Cecily Brown und Herbert Brandl zum ersten Mal nach Deutschland geholt. Cecily Brown sorgte in der Kunstwelt durch angeblich skandalträchtige Sexbilder für Aufruhr. Die in Hamburg ausgestellten Werke zeugen eher von harmloser Inhaltsleere.
Da machte die Presse vorab soviel Wirbel um Cecily Browns angeblich skandalträchtige Sexbilder - und nun das: Lediglich auf vier von 48 Bildern sieht man Paare, die es miteinander treiben. Die expressiv gemalten Bilder in großem Format entstanden um 2000, als die Britin versuchte, in der New Yorker Kunstszene Fuß zu fassen. Wodurch diese Bilder provozieren sollen, bleibt allerdings rätselhaft. Traut man einer Frau nicht zu, dass sie aufeinanderhockende oder miteinander ringende Liebespaare malen kann?
Doch Browns Rechnung ging auf: Sie kam ins Gespräch, erzählt seitdem in schöner Regelmäßigkeit, dass Malen für sie sei wie Sex, eine Bemerkung, die fortan jeden zweiten Printbeitrag über sie schmückt. Auch die Preise ihrer Bilder schossen in die Höhe - erfolgreicher kann eine Marketingstrategie kaum sein.
Und ihre Kunst?
Seit einiger Zeit malt die 39-jährige Britin abstrakt. Wild bewegte Farbwucherungen, -aufhäufungen und Schlieren füllen die bis zu 2,60 mal 4,20 Meter großen Leinwände. Manchmal erahnt man im Farben- und Formenchaos noch Körperfragmente oder Gesichter. Die Palette reicht von grellen Pink- bis zu fahlen Braun- und Grüntönen. Und, so Ausstellungsleiter Robert Fleck, Cecily Brown arbeite an bis zu 20 Bildern parallel, eine halbe Stunde an diesem, eine halbe Stunde an jenem...
"Sie malt sehr, sehr lange und baut das Bild eigentlich von lauter unzusammenhängenden chaotischen Teilen her auf, Sie benötigt ein Jahr, um diese Bilder zu machen. Und die werden eigentlich zusammengebraut so mit dem Effekt, dass dann ein Brodeln entsteht wie in einem Kochtopf, wo der Inhalt sehr heiß wird."
So heiß, das nichts Greifbares mehr übrigbleibt. Lediglich auf einigen kleinen Bildern tauchen hier und da Totenköpfe auf, oder Frauen beim Kaffeetrinken.
Da die Wirklichkeit hier nicht interessiert, muss zur Legitimation der Bilder die Kunstgeschichte herhalten: Brown und ihre Kritiker betonen Anleihen an Pollock, de Kooning und Francis Bacon, als sei es etwas Außerordentliches, dass Künstler sich an Traditionen abarbeiten. Gleichzeitig stilisieren sie Brown zur "Jungen Wilden".
Fleck: " Ich glaub, man kann sagen, dass sie mit drei, vier Malern in New York zu einer Gruppe zählt, die in den 90er Jahren eigentlich mit einem sehr provokativen Umgang mit der Malerei die Malerei, das Feld der Malerei sozusagen wieder eröffnen wollten gegenüber jetzt dem Umgang mit klassischer Moderne und gegenüber dem Umgang mit politischen Konzepten und Malerei. (...) Und die eigentlich diese Provokation bewusst eingesetzt haben, um die ganzen Normvorstellungen rund um die Malerei zu brechen."
Als sei die Malerei seit der "klassischen Moderne" vor Ehrfurcht erstarrt. Doch nur wenn man genau dies immer wieder behauptet, kann eine Malerei um der Malerei Willen immer wieder neu auf dem Markt platziert werden: Ettiketiert als ein Akt der Befreiung. Der Spontaneität. Oder als Brodeln im Kochtopf.
Auch Herbert Brandl, der die linke Hälfte der Halle bespielt, vertritt solch eine Malposition. Dies scheint als Argument für die fein räumlich getrennte Doppelausstellung zu reichen.
"Bei beiden wird die gleiche Spannung aufgebaut. Beide - und das ist vielleicht für die Ausstellung zentral - beide gehen rein von der Farbe aus, also machen auch keine Vorzeichung. Es geht rein von den Farben aus und wird rein so aufgebaut. Und nicht jetzt mit Vordergrund - Hintergrund, das ergibt sich nachher als ein gewisser suggestiver Effekt, aber es ist ein reiner Aufbau aus der Farbe und direkt aus dem Malen heraus."
Bei Herbert Brandl glühen auf 4 mal 3 Metern Rot- und Orangetöne, wabert dunkles Grün. Bis zu 6 Meter sind seine Leinwände lang, über die sich breite Pinselspuren ziehen, hier und da Farben sich überlagern oder verrinnen.
Herbert Brandl: "Diese großen Bilder, da hab ich mehr oder weniger ein Limit von 20 Minuten mir auferlegt. In der Zeit muss ich das machen können. Das heißt, ich muss mir da vorher schon überlegen, wie mache ich das von der Logistik her. Man muss das sehr ökonomisch anlegen. Aber ich male kein Bild, dass ich mir vorher ausgedacht hab, oder das ich skizziert hab oder irgendwo ‘ne Idee davon."
Brandl lebt und arbeitet in Wien. In den 80er Jahren begann er mit neoimpressionistischen Landschaften. Neben der Farbmalerei entstehen seit zwei Jahren immer wieder auch riesige Bergansichten. Doch der Künstler betont, es ginge nicht um das Motiv, sondern um den malerischen Akt:
"Es geht mir eigentlich darum, dass ich nicht mehr zurücktrete. Dass ich aus dem Prozess nicht mehr raustrete, sondern dass einfach durchlaufen lasse. Und egal, was dabei rauskommt, ich akzeptiere das. Ich geh jetzt nicht hin und sag 'Oh, da ist mir das Weiß zu sehr runtergeronnen, jetzt misch ich das weg und versuch's morgen wieder'."
Wo Kunst sich für Wirklichkeit nicht interessiert, geschweige denn um eine Haltung zu ihr ringt, wird ihre Leere gern als Befreiung gefeiert. So betont auch Cecily Brown immer wieder, "Die Abwesenheit einer festgelegten Bedeutung" sei für sie "befreiend". Nun müsste Kunst mit "festgelegter Bedeutung" schon sehr plakativ sein. Doch ermöglicht eben erst die Betonung ihrer inhaltlichen Leere ihre beliebige philosophische Aufladung, also das beliebte Geraune um die Bedeutung von Form und Farbe. Altkritiker Eduard Beaucamp nannte diese Malerei in unseren Zeiten einmal eine, die aus der Welt gefallen sei. Ästhetik ohne Inhalt bleibt eben leer. Oder dekorativ. Doch vielen scheint dies zu genügen.
Robert Fleck: "Es geht gar nicht um die Übersetzung von Emotionen des Künstlers. Bei beiden nicht. Es ist eigentlich so, dass man hier rausgehen kann und sich denken: das sind einfach so auch farbliche Stimmungen, die ich eigentlich noch nirgendwo gesehen habe."
Doch Browns Rechnung ging auf: Sie kam ins Gespräch, erzählt seitdem in schöner Regelmäßigkeit, dass Malen für sie sei wie Sex, eine Bemerkung, die fortan jeden zweiten Printbeitrag über sie schmückt. Auch die Preise ihrer Bilder schossen in die Höhe - erfolgreicher kann eine Marketingstrategie kaum sein.
Und ihre Kunst?
Seit einiger Zeit malt die 39-jährige Britin abstrakt. Wild bewegte Farbwucherungen, -aufhäufungen und Schlieren füllen die bis zu 2,60 mal 4,20 Meter großen Leinwände. Manchmal erahnt man im Farben- und Formenchaos noch Körperfragmente oder Gesichter. Die Palette reicht von grellen Pink- bis zu fahlen Braun- und Grüntönen. Und, so Ausstellungsleiter Robert Fleck, Cecily Brown arbeite an bis zu 20 Bildern parallel, eine halbe Stunde an diesem, eine halbe Stunde an jenem...
"Sie malt sehr, sehr lange und baut das Bild eigentlich von lauter unzusammenhängenden chaotischen Teilen her auf, Sie benötigt ein Jahr, um diese Bilder zu machen. Und die werden eigentlich zusammengebraut so mit dem Effekt, dass dann ein Brodeln entsteht wie in einem Kochtopf, wo der Inhalt sehr heiß wird."
So heiß, das nichts Greifbares mehr übrigbleibt. Lediglich auf einigen kleinen Bildern tauchen hier und da Totenköpfe auf, oder Frauen beim Kaffeetrinken.
Da die Wirklichkeit hier nicht interessiert, muss zur Legitimation der Bilder die Kunstgeschichte herhalten: Brown und ihre Kritiker betonen Anleihen an Pollock, de Kooning und Francis Bacon, als sei es etwas Außerordentliches, dass Künstler sich an Traditionen abarbeiten. Gleichzeitig stilisieren sie Brown zur "Jungen Wilden".
Fleck: " Ich glaub, man kann sagen, dass sie mit drei, vier Malern in New York zu einer Gruppe zählt, die in den 90er Jahren eigentlich mit einem sehr provokativen Umgang mit der Malerei die Malerei, das Feld der Malerei sozusagen wieder eröffnen wollten gegenüber jetzt dem Umgang mit klassischer Moderne und gegenüber dem Umgang mit politischen Konzepten und Malerei. (...) Und die eigentlich diese Provokation bewusst eingesetzt haben, um die ganzen Normvorstellungen rund um die Malerei zu brechen."
Als sei die Malerei seit der "klassischen Moderne" vor Ehrfurcht erstarrt. Doch nur wenn man genau dies immer wieder behauptet, kann eine Malerei um der Malerei Willen immer wieder neu auf dem Markt platziert werden: Ettiketiert als ein Akt der Befreiung. Der Spontaneität. Oder als Brodeln im Kochtopf.
Auch Herbert Brandl, der die linke Hälfte der Halle bespielt, vertritt solch eine Malposition. Dies scheint als Argument für die fein räumlich getrennte Doppelausstellung zu reichen.
"Bei beiden wird die gleiche Spannung aufgebaut. Beide - und das ist vielleicht für die Ausstellung zentral - beide gehen rein von der Farbe aus, also machen auch keine Vorzeichung. Es geht rein von den Farben aus und wird rein so aufgebaut. Und nicht jetzt mit Vordergrund - Hintergrund, das ergibt sich nachher als ein gewisser suggestiver Effekt, aber es ist ein reiner Aufbau aus der Farbe und direkt aus dem Malen heraus."
Bei Herbert Brandl glühen auf 4 mal 3 Metern Rot- und Orangetöne, wabert dunkles Grün. Bis zu 6 Meter sind seine Leinwände lang, über die sich breite Pinselspuren ziehen, hier und da Farben sich überlagern oder verrinnen.
Herbert Brandl: "Diese großen Bilder, da hab ich mehr oder weniger ein Limit von 20 Minuten mir auferlegt. In der Zeit muss ich das machen können. Das heißt, ich muss mir da vorher schon überlegen, wie mache ich das von der Logistik her. Man muss das sehr ökonomisch anlegen. Aber ich male kein Bild, dass ich mir vorher ausgedacht hab, oder das ich skizziert hab oder irgendwo ‘ne Idee davon."
Brandl lebt und arbeitet in Wien. In den 80er Jahren begann er mit neoimpressionistischen Landschaften. Neben der Farbmalerei entstehen seit zwei Jahren immer wieder auch riesige Bergansichten. Doch der Künstler betont, es ginge nicht um das Motiv, sondern um den malerischen Akt:
"Es geht mir eigentlich darum, dass ich nicht mehr zurücktrete. Dass ich aus dem Prozess nicht mehr raustrete, sondern dass einfach durchlaufen lasse. Und egal, was dabei rauskommt, ich akzeptiere das. Ich geh jetzt nicht hin und sag 'Oh, da ist mir das Weiß zu sehr runtergeronnen, jetzt misch ich das weg und versuch's morgen wieder'."
Wo Kunst sich für Wirklichkeit nicht interessiert, geschweige denn um eine Haltung zu ihr ringt, wird ihre Leere gern als Befreiung gefeiert. So betont auch Cecily Brown immer wieder, "Die Abwesenheit einer festgelegten Bedeutung" sei für sie "befreiend". Nun müsste Kunst mit "festgelegter Bedeutung" schon sehr plakativ sein. Doch ermöglicht eben erst die Betonung ihrer inhaltlichen Leere ihre beliebige philosophische Aufladung, also das beliebte Geraune um die Bedeutung von Form und Farbe. Altkritiker Eduard Beaucamp nannte diese Malerei in unseren Zeiten einmal eine, die aus der Welt gefallen sei. Ästhetik ohne Inhalt bleibt eben leer. Oder dekorativ. Doch vielen scheint dies zu genügen.
Robert Fleck: "Es geht gar nicht um die Übersetzung von Emotionen des Künstlers. Bei beiden nicht. Es ist eigentlich so, dass man hier rausgehen kann und sich denken: das sind einfach so auch farbliche Stimmungen, die ich eigentlich noch nirgendwo gesehen habe."