Lederhosen für ausländische Enten

02.11.2010
"Sie übersetzte nicht, sie schöpfte neu": Das zeigt Ernst Horst in seinem Buch über Dr. Erika Fuchs, die jahrelang die Donald-Duck-Comics aus dem Englischen übersetzte, Entenhausen damit nach Deutschland verlegte - und ihren eigenen Stil entwickelte.
Der gute altdeutsche Stabreim wäre vermutlich für immer verloren, wenn nicht eine 1931 mit einer Arbeit zum deutschen Rokoko magna cum laude promovierte Kunsthistorikerin ihn instandgesetzt hätte. Auch der berüchtigte flapsig-anspielerische "Spiegel"-Stil oder kultige taz-Schlagzeilen wären undenkbar ohne Dr. Erika Fuchs, die für die zitat- und phantasiereiche Eindeutschung von "Mickey Mouse" und "Donald Duck" sorgte - und ohne einen populären Verlag, der derlei "amerikanischen Schund" massenhaft unters vor allem junge Volk brachte.

Jetzt ist der seinerseits promovierte Mathematiker und D.O.N.A.L.D.I.S.T. Ernst Horst der Frage auf den Grund gegangen: "Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte". Um Familie Duck also geht es, und hier vor allem um die von Ur-Vater Carl Barks geschaffenen Wort-Bild-Geschichten aus dem auch nur vage in den USA zu verortenden Duckburg. Da wird etwa aus root beer kurzerhand Stachelbeerwein, der zwar im Alkoholgehalt abweicht, aber entschieden besser passt zu einer Oma Duck, die dem bundesdeutschen Kinderzimmer der 50er Jahre kompatibel gemacht werden muss.

Schiller springt oft für Shakespeare ein, japanische Soldaten aus einem Donald’schen Albtraum von 1945 mutieren 1959 zu politisch-neutralen Marsmenschen. Dr. Erika hat, so weist Dr. Ernst an Dutzenden hochkomischen Beispielen nach, den ausländischen Enten "Lederhosen angezogen, damit sie nicht ganz so auffielen". Aber nicht nur das: "So wie Luther eine neue Sprache für die Bibel schuf, so beschrieb uns Erika Fuchs das Leben, das Universum und den ganzen Rest in ihrem eigenen Idiom. Sie übersetzte nicht, sie schöpfte neu." Und zwar aufs Nachhaltigste.

Seitdem würgen und ächzen allenfalls noch hochdeutsche Hagestolze bei Kommentaren à la "Röchel, würg!" oder "Ächz, stöhn!". Auch der spezifischen Komik der deutschen Schreibweise hat Dr. Erika (nach Wilhelm Busch) wieder zur Ehre verholfen - vielleicht gerade weil der "Ingenör", dem "nichts zu schwör" ist, ursprünglich (bei Heinrich Seidel) ein grundsolider Ingenieur war und der "schwere"-Reim gar nicht ihm, sondern dem "Meere" galt.

Solchen Zitatschätzen aus deutschem Dichten, Denken, Singen und Seefahren fahndet Horst akribisch hinterher. Und das Resultat ist - sorry, aber das Wort muss hier sein - ausgefuchst. Denn es handelt sich um eine Art dekonstruktivistische Hagiographie. Mit liebevollem Spott fragt Horst etwa, ob Donald und Neffen wohl Hooligans seien, weil sie unübersehbar mit Hockeyschlägern zum Fußball gehen. Er spießt die schon rein namentlich anrüchigen, ein Nazilied schmetternden Panzerknacker ebenso auf wie Onkel Dagoberts Untermenschen-Ideen und das "Heil!" der Neffen gegenüber drei Indianern.

Er hält sich eben - zum Glück! - an das Prinzip, das er bei Dr. Erika am Werk vermutet und das sie selbst aus einem Roman des jüdisch-deutschen Schriftstellers Berthold Auerbach in eine Donald’sche Sprechblase verschoben hatte: "Nur keine Sentimentalitäten!" Und rundet sein Werk ab mit einem feinen Anhang und Beispielen für die praktische Anwendung Fuchs’scher Sentenzen im Alltag.

Besprochen von Pieke Biermann

Ernst Horst: Nur keine Sentimentalitäten! Wie Dr. Erika Fuchs Entenhausen nach Deutschland verlegte
Blessing Verlag, München 2010
384 Seiten, geb., 22,95 Euro