Lebenswünsche
Nach den Ereignissen am 26. April 2002 am Erfurter Gutenberg-Gymnasium hatte die Stadt Kinder und Jugendliche aufgerufen, auf das Geschehene mit der Formulierung von "Lebenswünschen" zu reagieren. Die Einsendungen waren Auslöser für die Ausstellung "Lebens(t)räume - Dialog der Generationen", die nun zeitgleich zur Wiedereröffnung des Gymnasiums zu sehen ist.
"Sie kommen durch diese Straße, die sie sehen, sie sind selbst auch immer ein Teil davon durch die Spiegel, die installiert sind, und sind dann erstmal hier im Zentrum."
Ines Beese von der Kulturdirektion Erfurt ist Mit-Initiatorin der Ausstellung "Lebensträume - Dialog der Generationen". Ausgangspunkt war - und ist nun auch in der Kunsthalle Erfurt - das Massaker im Gutenberggymnasium im April 2002. Im Zentrum: die imaginierten Schatten der Toten. Damals waren 16 Menschen und der Täter ums Leben gekommen.
"Aber: Wir verweilen nicht in Trauer oder in Gutenberg, sondern unsere Intention ist schon: weg davon, nach vorn."
Der Weg führt trotzdem erstmal vorbei an den Stapeln von Kondolenzbüchern, zugesandten Trost-Plüschtieren, Hoffnungskranichen und einem Turm von Zeitungen - Zeichen für das enorme öffentliche Echo. Die Tat ist Parterre, von nun geht's bergauf. Hin zu den - zugegeben etwas plakativen - Lebensrealitäten der jungen Generationen. Gewalt und Drogen, sie sind sehr vordergründig auch als solche ausgestellt. Es laufen Bilder von Videospielen, es liegen Tabletten da, Messer, Schlagringe, Pistolen, Pornohefte. Monitore zeigen diverse Kurzfilme.
Schon hier trotzdem: erste Gesprächsangebote. Senioren wurden angefragt, da zu sein, jugendliche Besucher anzusprechen.
"Wir haben in der Ausstellung auch Sitzecken eingerichtet, die dazu auffordern, sich zusammen zu setzen und zu sprechen, sich auszutauschen."
Wer nicht reden will, kann hören. An Hörstationen geht es um Lebensträume älterer Menschen. Wie z. B. die der lebenslustigen alten Dame, die gern Tänzerin werden wollte, aber ein schweres Hüftleiden bekam.
"Ich trauere nichts nach. Es hat keinen Zweck, da würde ich mir ja mein Leben versauen. Genau, wie ich allen Leuten erzähle, die dann die Stirne runzeln, dass ich sehr gerne 100 werden möchte, und dann ruhig einschlafen."
Kleine Zeugnisse. Sie sprechen an. Bilder von Menschen, kurze Sequenzen. Mal als großes Plakat mit Porträt, mal mit selbst gemaltem Bild, mal nur Text. Eine allein stehende Mutter von drei Kindern träumt davon, einmal einen Rosengarten versprochen zu bekommen. Ein Mädchen wünscht sich, dass ihr Vater die Meisterprüfung schafft. Ein junger Mann hofft, dass er bald wegkommt aus Deutschland, irgendwo hin ins Ausland. Eine Ebene weiter: ein Wunschbaum. Hier darf jeder etwas hinterlassen. Gleich nebenan: die Streitbox. Zwei Kammern, die per Kamera miteinander verbunden sind. Wer will, darf die Sau rauslassen und sein Gegenüber kräftig beschimpfen. Ina Beese führt in den bunten, abgepolsterten Kasten.
"Hier geht man rein, hier ist der Monitor. Über den Monitor sehen sie ihr Gegenüber, ihren Streitpartner. Und hier - sehen sie: Das ist gar nicht so einfach - muss man sich dann die Hand reichen."
Inszenierte Versöhnung durch ein Loch in der Wand. Auch im nächsten Raum dominiert das Versöhnliche. Für die Fotos, die hier zu sehen sind, hat sich ein Jugendfotozirkel mit einem Seniorenfotokreis zusammengeschlossen, um Einzelpersonen und Familien zu zeigen. Menschen, wie du und ich, die Alltag leben, die Wünsche haben. Sie sollen Besucher anregen, das zu tun, was sonst offensichtlich zu kurz kommt: reden über Dinge, die wichtig sind.
Die Ausstellung lebt vom Elan der Nach-Gutenberg-Zeit, der mittlerweile schon ein wenig verblasst ist. Geblieben ist das unbestimmte Gefühl, dass sich Menschen viel zu erzählen hätten, wenn sie es täten.
Das Interview zum Thema "Konflikt der Generationen - gibt's ihn noch" mit Burkhard Fuhs, der die Professur Lernen und Neue Medien an der Universität Erfurt im Fachgebiet Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung innehat, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.
Service:
Die Ausstellung "Lebens(t)räume - Dialog der Generationen" ist in der Kunsthalle Erfurt vom 30. August bis 30. Oktober 2005 zu sehen.
Ines Beese von der Kulturdirektion Erfurt ist Mit-Initiatorin der Ausstellung "Lebensträume - Dialog der Generationen". Ausgangspunkt war - und ist nun auch in der Kunsthalle Erfurt - das Massaker im Gutenberggymnasium im April 2002. Im Zentrum: die imaginierten Schatten der Toten. Damals waren 16 Menschen und der Täter ums Leben gekommen.
"Aber: Wir verweilen nicht in Trauer oder in Gutenberg, sondern unsere Intention ist schon: weg davon, nach vorn."
Der Weg führt trotzdem erstmal vorbei an den Stapeln von Kondolenzbüchern, zugesandten Trost-Plüschtieren, Hoffnungskranichen und einem Turm von Zeitungen - Zeichen für das enorme öffentliche Echo. Die Tat ist Parterre, von nun geht's bergauf. Hin zu den - zugegeben etwas plakativen - Lebensrealitäten der jungen Generationen. Gewalt und Drogen, sie sind sehr vordergründig auch als solche ausgestellt. Es laufen Bilder von Videospielen, es liegen Tabletten da, Messer, Schlagringe, Pistolen, Pornohefte. Monitore zeigen diverse Kurzfilme.
Schon hier trotzdem: erste Gesprächsangebote. Senioren wurden angefragt, da zu sein, jugendliche Besucher anzusprechen.
"Wir haben in der Ausstellung auch Sitzecken eingerichtet, die dazu auffordern, sich zusammen zu setzen und zu sprechen, sich auszutauschen."
Wer nicht reden will, kann hören. An Hörstationen geht es um Lebensträume älterer Menschen. Wie z. B. die der lebenslustigen alten Dame, die gern Tänzerin werden wollte, aber ein schweres Hüftleiden bekam.
"Ich trauere nichts nach. Es hat keinen Zweck, da würde ich mir ja mein Leben versauen. Genau, wie ich allen Leuten erzähle, die dann die Stirne runzeln, dass ich sehr gerne 100 werden möchte, und dann ruhig einschlafen."
Kleine Zeugnisse. Sie sprechen an. Bilder von Menschen, kurze Sequenzen. Mal als großes Plakat mit Porträt, mal mit selbst gemaltem Bild, mal nur Text. Eine allein stehende Mutter von drei Kindern träumt davon, einmal einen Rosengarten versprochen zu bekommen. Ein Mädchen wünscht sich, dass ihr Vater die Meisterprüfung schafft. Ein junger Mann hofft, dass er bald wegkommt aus Deutschland, irgendwo hin ins Ausland. Eine Ebene weiter: ein Wunschbaum. Hier darf jeder etwas hinterlassen. Gleich nebenan: die Streitbox. Zwei Kammern, die per Kamera miteinander verbunden sind. Wer will, darf die Sau rauslassen und sein Gegenüber kräftig beschimpfen. Ina Beese führt in den bunten, abgepolsterten Kasten.
"Hier geht man rein, hier ist der Monitor. Über den Monitor sehen sie ihr Gegenüber, ihren Streitpartner. Und hier - sehen sie: Das ist gar nicht so einfach - muss man sich dann die Hand reichen."
Inszenierte Versöhnung durch ein Loch in der Wand. Auch im nächsten Raum dominiert das Versöhnliche. Für die Fotos, die hier zu sehen sind, hat sich ein Jugendfotozirkel mit einem Seniorenfotokreis zusammengeschlossen, um Einzelpersonen und Familien zu zeigen. Menschen, wie du und ich, die Alltag leben, die Wünsche haben. Sie sollen Besucher anregen, das zu tun, was sonst offensichtlich zu kurz kommt: reden über Dinge, die wichtig sind.
Die Ausstellung lebt vom Elan der Nach-Gutenberg-Zeit, der mittlerweile schon ein wenig verblasst ist. Geblieben ist das unbestimmte Gefühl, dass sich Menschen viel zu erzählen hätten, wenn sie es täten.
Das Interview zum Thema "Konflikt der Generationen - gibt's ihn noch" mit Burkhard Fuhs, der die Professur Lernen und Neue Medien an der Universität Erfurt im Fachgebiet Grundschulpädagogik und Kindheitsforschung innehat, können Sie in der rechten Spalte als Audio hören.
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Die Ausstellung "Lebens(t)räume - Dialog der Generationen" ist in der Kunsthalle Erfurt vom 30. August bis 30. Oktober 2005 zu sehen.