Lebensreise mit musikalischem Allerlei

Von Jörn Florian Fuchs · 04.03.2011
In zwei knappen Opern-Stunden hetzen Librettist Rainer Lewandowski und Komponist Roland Baumgartner durch Hoffmanns Biografie. Unserem Rezensenten ging das schon nach einer Stunde auf die Nerven, wenngleich er die Sängerinnen und Sänger lobt.
Schon wieder fällt in Franken ein Doktorhut. Diesmal gehört(e) er E.T.A. Hoffmann, dem Universalkünstler mit besonderem Hang zu skurrilen Fantasiewelten. Promovierter Jurist war er auch, allerdings nur mäßig erfolgreich und außerdem sehr ratschfreudig. Die Kollegen vergolten letzteres mit der Aberkennung des Dr. jur.

Diese Causa beschäftigt die Schöpfer von "Hoffmanns Welt" am kleinen, feinen Hofer Theater aber nur am Rande. Librettist Rainer Lewandowski und Komponist Roland Baumgartner geht es vielmehr ums große Ganze. Sie hetzen durch Hoffmanns Biografie in zwei knappen Opernstunden, reihen Detail an Detail.

Ausgangspunkt ist der sterbende Künstler, dessen Lebensfilm an ihm vorüberzieht. Etwa die unglückliche Liebe zu einer jungen Studentin. Oder seine Strafversetzung wegen anstößigem Verhalten. Und dann gibt es noch Hoffmanns Doppelgänger, einen Mini-Auftritt von Napoleon, festliche Bälle, Beinahe-Duelle und diverse Figuren aus dem literarischen Kosmos des Wirrkopfs, der sich öfters in einen etwas schäbigen Konzertflügel (!) zurückzieht. Mal sinniert er dort, dann fantasiert er wild herum, am Ende stirbt er.

Hoffmanns Heim ist ebenso merkwürdig wie sein Hirn, es schießt ununterbrochen absurde Figuren auf die Bühne. Ein Apfelweib schimpft und zetert, ein autistischer Ritter redet mit sich selbst, dazu singt Kater Murr schönste Melodien im Stile von Richard Strauss.

Den Reiz des geschickt konstruierten Librettos – die Verbindung von realer Welt und Traum beziehungsweise Fantasieebene – nimmt die Inszenierung Uwe Drechsels auf. Drehbare Wände, Spiegel, Video-Projektionen und eine kluge Lichtregie sorgen für Atmosphäre. Dass sich der Abend doch recht in die Länge zieht, liegt einzig an Roland Baumgartner.

Er zitiert sich munter durch die Musikgeschichte, mischt eine Prise Minimalismus mit Mozart oder konfrontiert hübsche Musicalrhythmen mit dröhnendem Schlagwerkgerassel. Und auch der Komponist E.T.A. Hoffmann kommt bisweilen selbst zu Ehren. Das funktioniert vielleicht ein Stündchen ganz gut, dann geht einem der Mischmasch doch sehr auf die Nerven. Nie findet Baumgartner zu eigenen Ausdrucksformen, man merkt deutlich, dass er vorwiegend fürs Fernsehen arbeitet. Zudem verhindert der meist sehr nervöse Soundtrack jede tiefere psychologische Sicht auf die Protagonisten.

Immerhin sang Stefanie Rhaue den Strauss-Kater ganz entzückend, während sich Ingrid Katzengruber als Hoffmanns Gattin nicht nur vokal ordentlich austoben durfte. Marc Horus stemmte die wenig komplexe, aber sehr lange Titelpartie bravourös. Auch das übrige Ensemble machte seine Sache gut, besonders Inga Lisa Lehr als die von Hoffmann angeschmachtete Klavierschülerin. Ebenfalls exzellent waren Thomas Rettensteiner als Ritter Gluck und Thilo Andersson als Kapellmeister Kreisler. Lorenz C. Aichner holte mit den gut disponierten Hofer Symphonikern aus der Partitur bisweilen mehr raus als drin ist – wahrlich kein Fehler.

Es wäre schön, wenn sich ein weiterer Komponist, mit etwas mehr Schlag- und Ausdruckskraft, Lewandowskis Text vornehmen würde.