Leben und überleben im Krieg
Die Verfolgung durch die Deutschen, die Schrecken des Warschauer Ghettos - all das hat die jüdische Sängerin Wiera Gran überstanden. Nach dem Krieg konnte sie allerdings an ihren Erfolg nicht mehr anknüpfen: Stets belastete sie das Gerücht, sie sei Gestapo-Agentin gewesen.
Eine junge Frau, die vor allem als Künstlerin ihr Publikum in Bann ziehen will, durchlebt die Schrecken des Warschauer Ghettos. Das Trauma der Verfolgung durch die Deutschen wiegt schwer. Doch ebenso schwer wiegt das immer wieder entkräftete, aber nie bezwungene Gerücht, sie habe mit dem Feind kollaboriert, sie sei Gestapo-Agentin gewesen. Über das Leben der Chansonsängerin Wiera Gran hat die polnische Autorin Agata Tuszyńska einen Dokumentarroman geschrieben, der 2010 in Krakau erschienen ist und nun unter dem Titel: "Die Sängerin aus dem Ghetto" bei Insel auf Deutsch vorliegt.
Als Kind jüdischer Eltern kam Wiera Gran während des Ersten Weltkriegs, wahrscheinlich 1916, in Russland zur Welt. 2007 starb sie vereinsamt und von Wahnvorstellungen verfolgt in Paris. Sechs lange Nachkriegsjahrzehnte hatte sie um die Wiederherstellung ihrer Ehre gerungen.
Bereits Mitte der 30er-Jahre ist Wiera Gran ein Star in Warschau. Nach Einmarsch der Deutschen flieht sie in den sowjetisch besetzten Landesteil, kehrt aber im Frühjahr 1941 in die Hauptstadt zurück und zieht ins Ghetto. Im "Sztuka", einem bekannten Lokal innerhalb der Ghetto-Mauern, in dem Schriftsteller, Professoren oder Journalisten wie der junge Marcel Reich-Ranicki verkehren, aber auch Schmuggler, Schieber und Gestapo-Zuträger, tritt Wiera Gran auf, oft gemeinsam mit dem Komponisten – und späteren Helden von Roman Polanskis Film "Der Pianist" – Władysław Szpilman.
Als man im Ghetto im Sommer 1942 begreift, dass die Deportationen in die Todeslager führen, flüchtet die Sängerin auf die andere, "arische" Seite und überlebt den Krieg in einem Vorort von Warschau. Im Frühjahr 1945, nach Neugründung des Polnischen Rundfunks, spricht Wiera Gran bei dessen gerade ernannten Musikdirektor Władysław Szpilman vor. Szpilman lehnt eine Zusammenarbeit ab und verweist auf die um sie kreisenden Gerüchte einer Gestapo-Kollaboration.
Als Kind jüdischer Eltern kam Wiera Gran während des Ersten Weltkriegs, wahrscheinlich 1916, in Russland zur Welt. 2007 starb sie vereinsamt und von Wahnvorstellungen verfolgt in Paris. Sechs lange Nachkriegsjahrzehnte hatte sie um die Wiederherstellung ihrer Ehre gerungen.
Bereits Mitte der 30er-Jahre ist Wiera Gran ein Star in Warschau. Nach Einmarsch der Deutschen flieht sie in den sowjetisch besetzten Landesteil, kehrt aber im Frühjahr 1941 in die Hauptstadt zurück und zieht ins Ghetto. Im "Sztuka", einem bekannten Lokal innerhalb der Ghetto-Mauern, in dem Schriftsteller, Professoren oder Journalisten wie der junge Marcel Reich-Ranicki verkehren, aber auch Schmuggler, Schieber und Gestapo-Zuträger, tritt Wiera Gran auf, oft gemeinsam mit dem Komponisten – und späteren Helden von Roman Polanskis Film "Der Pianist" – Władysław Szpilman.
Als man im Ghetto im Sommer 1942 begreift, dass die Deportationen in die Todeslager führen, flüchtet die Sängerin auf die andere, "arische" Seite und überlebt den Krieg in einem Vorort von Warschau. Im Frühjahr 1945, nach Neugründung des Polnischen Rundfunks, spricht Wiera Gran bei dessen gerade ernannten Musikdirektor Władysław Szpilman vor. Szpilman lehnt eine Zusammenarbeit ab und verweist auf die um sie kreisenden Gerüchte einer Gestapo-Kollaboration.
Den Ruf der Kollaborateurin wird Wiera Gran nicht mehr los
Die Sängerin wird danach durch staatliche Gerichte und Untersuchungskommissionen der Berufsverbände von allen gegen sie anonym erhobenen Vorwürfen freigesprochen. Den Ruf der Kollaborateurin kann sie indes nicht mehr abstreifen. 1950 verlässt sie Polen. Doch wo immer sie auch von nun an auftritt, ob in Israel, Frankreich, den Vereinigten Staaten oder Schweden, irgendwann melden sich Ankläger, die notfalls bereit sind, in KZ-Kleidung ein Konzert zu sprengen.
Agata Tuszyńska, Jahrgang 1957, ist in Polen durch eine Biografie des jiddischen Erzählers und Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer und ein Buch über die im kommunistischen Polen verschwiegenen jüdischen Wurzeln ihrer Familie bekannt geworden. Die Sängerin Wiera Gran hat Tuszyńska in den Jahren vor ihrem Tod in Paris besucht. Zahlreiche schwierige Begegnungen mit ihrer von Verbitterung und Zorn erfüllten, einsamen Heldin erscheinen in Reportageform. Das Leben der Gran erzählt die Autorin im Rückgriff auf umfangreiches Archivmaterial sowie auf Berichte von Zeitzeugen schlicht und chronologisch. Ergänzt wird die Chronologie durch essayistische Betrachtungen der jeweiligen Zeitumstände.
"Die Sängerin aus dem Ghetto" ist eine ergreifende Erzählung. Agata Tuszyńska schildert eine große, widerspruchsvolle Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts und polemisiert gegen die eilige Verurteilung des angeblich Bösen – oder auch nur Unschicklichen.
Besprochen von Martin Sander
Agata Tuszyńska, Jahrgang 1957, ist in Polen durch eine Biografie des jiddischen Erzählers und Nobelpreisträgers Isaac Bashevis Singer und ein Buch über die im kommunistischen Polen verschwiegenen jüdischen Wurzeln ihrer Familie bekannt geworden. Die Sängerin Wiera Gran hat Tuszyńska in den Jahren vor ihrem Tod in Paris besucht. Zahlreiche schwierige Begegnungen mit ihrer von Verbitterung und Zorn erfüllten, einsamen Heldin erscheinen in Reportageform. Das Leben der Gran erzählt die Autorin im Rückgriff auf umfangreiches Archivmaterial sowie auf Berichte von Zeitzeugen schlicht und chronologisch. Ergänzt wird die Chronologie durch essayistische Betrachtungen der jeweiligen Zeitumstände.
"Die Sängerin aus dem Ghetto" ist eine ergreifende Erzählung. Agata Tuszyńska schildert eine große, widerspruchsvolle Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts und polemisiert gegen die eilige Verurteilung des angeblich Bösen – oder auch nur Unschicklichen.
Besprochen von Martin Sander
Agata Tuszyńska: Die Sängerin aus dem Ghetto
Aus dem Französischen von Xenia Osthelder
Insel Verlag, Berlin 2013
379 Seiten, 26,95 Euro
Aus dem Französischen von Xenia Osthelder
Insel Verlag, Berlin 2013
379 Seiten, 26,95 Euro
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