Leben ohne Diktat
Er hat über 100 Mal das Wort zum Sonntag gesprochen, Bücher mit Millionenauflage publiziert und sich intensiv für Umwelt und Frieden eingesetzt. Jörg Zink gehört zu den bedeutendsten Theologen unserer Zeit. Vor 85 Jahren wurde er - am 22. November - in der Nähe von Fulda geboren.
"Da war ich vielleicht acht, da hab ich mal ein Erlebnis gehabt, das nicht häufig vorkommt, wonach sich mir eine Landschaft, vor der ich saß als kleiner Junge, plötzlich in Licht aufgelöst hat und ich mir gesagt hab: 'Ach, Moment, die Wirklichkeit ist ja ganz anders. Das, was ich da sehe, die Wälder und die Berge und die Bäume und die Häuser, das ist ja gar nicht das Wirkliche. Das Wirkliche ist ja dahinter!' Das war eine ausgesprochene Lichterfahrung. Und das hat mich begleitet und das hat mir später auch vieles deutlicher gemacht und mit Hilfe dieser Erfahrung hab ich damals auch einen Krieg überstanden. Ich war ja fünf Jahre lang Soldat und hab den ganzen Mist mitgemacht und war dann zeitenweise immer wieder am Rand der Depression, am Rand des Aufgebens. Und das hat mich immer wieder herausgeholt, obwohl mir damals im Krieg kein Mensch etwas von Gott erzählen konnte."
Trotz dieses bewegenden Erlebnisses wollte Jörg Zink in seiner Jugend lieber Architekt oder Bildhauer werden. Nach seinem Abitur träumte er von einer Dichterkarriere und schleppte seine Gedichtbände mit an die Front. Teilweise hat sich Zink diesen letzten Berufswunsch erfüllt. Er schreibt Gedichte und Bücher, von denen er über 200 veröffentlicht hat; und außerdem ist er einer der bedeutendsten deutschen Theologen der Gegenwart. Seine Entscheidung für die theologische Laufbahn hing direkt von seiner Bewertung des Krieges ab.
"Von meinem Geschwader, das 300 Menschen umfasste, haben fünf oder sechs den Krieg überlebt. Es sind ja alle nichts wie abgeschossen worden von den Amerikanern. Und dann hab ich mich nach dem Krieg gefragt: 'So, jetzt findet also dieses, dein merkwürdig gerettetes Leben, das findet jetzt statt für alle, die umgekommen sind. Ich kann also nicht einen Beruf ergreifen, bei dem ich Geld verdienen will. Ich muss was tun, was den anderen, denen die übrig sind, hilft. Und dadurch bin ich dann Pfarrer geworden.'"
Als Seelsorger hat sich Zink mit vielen Themen beschäftig - die Liebe, das Leben, die Trauer, der Tod, die Religionen anderer Kulturen. Am liebsten hat er seine Zeit aber mit Jugendlichen verbracht.
"Ich hatte bei meiner Jugendarbeit bis heute das Gefühl, dass ich da am besten am Platz war. Was ich gelernt hab, hab ich fast alles von Kindern gelernt, zum Beispiel wie man spricht. Also zum Beispiel, ich kam ja aus der Universität und hab die Theologensprache perfekt beherrscht und dann lerne ich Jugendliche kennen. Ehe die Mauer gebaut wurde, war ich in Berlin zuständig für die vielen Jugendlichen, die herübergeströmt sind aus der DDR. Und mit denen versuchte ich einmal biblische Geschichten durchzudenken. Und dann hab ich gemerkt, dass die überhaupt nichts verstehen, dass die eine ganz andere Sprachtradition haben als wir und dass wir an ihnen völlig vorbeireden, wenn wir christlich reden, so wie wir es gewöhnt sind. Und dann hab ich damals gesagt: 'So, und jetzt willst du denen also ein Neues Testament in die Hand drücken, damit sie was lesen könne. Das hat doch keinen Zweck. Das kannst du doch bleiben lassen.'"
Zink hat es nicht bleiben lassen, sondern nach einem besseren Zugang für die Jugendlichen gesucht und die neue Übersetzung der Bibel geschrieben, eines seiner bedeutendsten Werke.
"Ich hab lange Jahre mit diesen Jugendlichen Briefe getauscht. Ich hab ihnen dann einen biblischen Text neu übersetzt zugeschickt und hab sie gebeten, den eine Woche lange jeden Morgen zu lesen und mir am Ende der Woche mitzuteilen, was sie davon mitgenommen haben. Und das hat mir den letzten Rest gegeben. Da hab ich dann gesagt: 'Moment, das ist ja alles noch immer viel weniger, was die verstehen.' Und auf diese Weise kam ich damals zu dem Buch 'Womit wir leben können', das sich dann auch gerade unter Jugendlichen sehr durchgesetzt hat."
Bei den nachrückenden Generationen war der Freigeist Zink sehr beliebt. Die evangelische Kirche war mit ihrem innovativen Schäfer aber nicht ganz so glücklich. Zinks Meinung zu Kirche, Umwelt und Frieden waren oft unbequem, die er unter anderem als Sprecher des Wortes zum Sonntag in der ARD und als Redner auf dem Kirchentag vorstellte.
"Ich war dann sehr schnell nach dem Krieg in der Friedensbewegung tätig und sehr zum Ärger meiner Kirche. Weil die Kirche sich im Allgemeinen nach den politischen Ansichten der Regierung richtet. Das ist dann gut, da soll man dann 'Ja' dazu sagen, aber dass man etwas Eigenes will, was quer läuft zu allem, was jetzt gedacht wird, das ist meistens nicht sehr geschätzt. Das hängt daran, dass die Kirchenleitungen hauptsächlich aus typischen Beamten bestehen, die so etwas gern machen."
Auch privat ließ sich Zink nichts reinreden und entschied sich, lieber so zu leben, wie er es für richtig hielt, als sich um die Meinung anderer zu scheren.
"Ich war damals junger Vikar in einer Gemeinde. Ich hab den Kinderwagen, den meine Frau besaß, mit einem Kind durch die Straßen geschoben. Die Leute haben sich gekugelt vor Entsetzten und vor Lachen. 'Was macht der? Der fährt mit dem Kinderwagen durch die Stadt!' Das war unerhört, das war blöd, das war doof, das war unwürdig. Das machen doch nur die Frauen. Und ich hab mir damals gesagt: 'Das ist mein Kind und mit dem fahr ich spazieren. Punkt.'"
Mittlerweile sind seine vier Kinder erwachsen, Enkelkinder sind da. An seiner Seite ist nach wie vor seine Jugendliebe und Ehefrau Heidi, mit der er seit 57 Jahren verheiratet ist. Die Kirche hat ihn für seine Film- und Buchprojekte vom Kirchendienst beurlaubt und mit dem Wilhelm-Sebastian-Schmerl-Preis ausgezeichnet. Für sein Umweltengagement hat man ihn ebenfalls geehrt. Und wenn es ihm möglich ist, fährt er gerne in sein Ferienhaus am Ufer der Biskaya.
Trotz dieses bewegenden Erlebnisses wollte Jörg Zink in seiner Jugend lieber Architekt oder Bildhauer werden. Nach seinem Abitur träumte er von einer Dichterkarriere und schleppte seine Gedichtbände mit an die Front. Teilweise hat sich Zink diesen letzten Berufswunsch erfüllt. Er schreibt Gedichte und Bücher, von denen er über 200 veröffentlicht hat; und außerdem ist er einer der bedeutendsten deutschen Theologen der Gegenwart. Seine Entscheidung für die theologische Laufbahn hing direkt von seiner Bewertung des Krieges ab.
"Von meinem Geschwader, das 300 Menschen umfasste, haben fünf oder sechs den Krieg überlebt. Es sind ja alle nichts wie abgeschossen worden von den Amerikanern. Und dann hab ich mich nach dem Krieg gefragt: 'So, jetzt findet also dieses, dein merkwürdig gerettetes Leben, das findet jetzt statt für alle, die umgekommen sind. Ich kann also nicht einen Beruf ergreifen, bei dem ich Geld verdienen will. Ich muss was tun, was den anderen, denen die übrig sind, hilft. Und dadurch bin ich dann Pfarrer geworden.'"
Als Seelsorger hat sich Zink mit vielen Themen beschäftig - die Liebe, das Leben, die Trauer, der Tod, die Religionen anderer Kulturen. Am liebsten hat er seine Zeit aber mit Jugendlichen verbracht.
"Ich hatte bei meiner Jugendarbeit bis heute das Gefühl, dass ich da am besten am Platz war. Was ich gelernt hab, hab ich fast alles von Kindern gelernt, zum Beispiel wie man spricht. Also zum Beispiel, ich kam ja aus der Universität und hab die Theologensprache perfekt beherrscht und dann lerne ich Jugendliche kennen. Ehe die Mauer gebaut wurde, war ich in Berlin zuständig für die vielen Jugendlichen, die herübergeströmt sind aus der DDR. Und mit denen versuchte ich einmal biblische Geschichten durchzudenken. Und dann hab ich gemerkt, dass die überhaupt nichts verstehen, dass die eine ganz andere Sprachtradition haben als wir und dass wir an ihnen völlig vorbeireden, wenn wir christlich reden, so wie wir es gewöhnt sind. Und dann hab ich damals gesagt: 'So, und jetzt willst du denen also ein Neues Testament in die Hand drücken, damit sie was lesen könne. Das hat doch keinen Zweck. Das kannst du doch bleiben lassen.'"
Zink hat es nicht bleiben lassen, sondern nach einem besseren Zugang für die Jugendlichen gesucht und die neue Übersetzung der Bibel geschrieben, eines seiner bedeutendsten Werke.
"Ich hab lange Jahre mit diesen Jugendlichen Briefe getauscht. Ich hab ihnen dann einen biblischen Text neu übersetzt zugeschickt und hab sie gebeten, den eine Woche lange jeden Morgen zu lesen und mir am Ende der Woche mitzuteilen, was sie davon mitgenommen haben. Und das hat mir den letzten Rest gegeben. Da hab ich dann gesagt: 'Moment, das ist ja alles noch immer viel weniger, was die verstehen.' Und auf diese Weise kam ich damals zu dem Buch 'Womit wir leben können', das sich dann auch gerade unter Jugendlichen sehr durchgesetzt hat."
Bei den nachrückenden Generationen war der Freigeist Zink sehr beliebt. Die evangelische Kirche war mit ihrem innovativen Schäfer aber nicht ganz so glücklich. Zinks Meinung zu Kirche, Umwelt und Frieden waren oft unbequem, die er unter anderem als Sprecher des Wortes zum Sonntag in der ARD und als Redner auf dem Kirchentag vorstellte.
"Ich war dann sehr schnell nach dem Krieg in der Friedensbewegung tätig und sehr zum Ärger meiner Kirche. Weil die Kirche sich im Allgemeinen nach den politischen Ansichten der Regierung richtet. Das ist dann gut, da soll man dann 'Ja' dazu sagen, aber dass man etwas Eigenes will, was quer läuft zu allem, was jetzt gedacht wird, das ist meistens nicht sehr geschätzt. Das hängt daran, dass die Kirchenleitungen hauptsächlich aus typischen Beamten bestehen, die so etwas gern machen."
Auch privat ließ sich Zink nichts reinreden und entschied sich, lieber so zu leben, wie er es für richtig hielt, als sich um die Meinung anderer zu scheren.
"Ich war damals junger Vikar in einer Gemeinde. Ich hab den Kinderwagen, den meine Frau besaß, mit einem Kind durch die Straßen geschoben. Die Leute haben sich gekugelt vor Entsetzten und vor Lachen. 'Was macht der? Der fährt mit dem Kinderwagen durch die Stadt!' Das war unerhört, das war blöd, das war doof, das war unwürdig. Das machen doch nur die Frauen. Und ich hab mir damals gesagt: 'Das ist mein Kind und mit dem fahr ich spazieren. Punkt.'"
Mittlerweile sind seine vier Kinder erwachsen, Enkelkinder sind da. An seiner Seite ist nach wie vor seine Jugendliebe und Ehefrau Heidi, mit der er seit 57 Jahren verheiratet ist. Die Kirche hat ihn für seine Film- und Buchprojekte vom Kirchendienst beurlaubt und mit dem Wilhelm-Sebastian-Schmerl-Preis ausgezeichnet. Für sein Umweltengagement hat man ihn ebenfalls geehrt. Und wenn es ihm möglich ist, fährt er gerne in sein Ferienhaus am Ufer der Biskaya.